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Würzburg/München
Messerattacke in Würzburg: Warum kann der Täter jetzt nicht einfach abgeschoben werden?
Aller Wahrscheinlichkeit nach muss der Messerangreifer seine Strafe in Deutschland verbüßen. Warum eine Abschiebung schwierig ist.
Dem Messerangreifer droht eine dauerhafte Unterbringung in einer Forensik.
Foto: Thomas Obermeier | Dem Messerangreifer droht eine dauerhafte Unterbringung in einer Forensik.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:57 Uhr

Der Prozess gegen den Messerangreifer vom Barbarossaplatz vor dem Landgericht Würzburg geht auf die Zielgerade. Der 32-Jährige hat gestanden, am 25. Juni 2021 drei Frauen in der Würzburger Innenstadt getötet und sechs Menschen schwer verletzt zu haben. Für Ende Juli sind die Plädoyers der Landesanwaltschaft, der Nebenkläger-Anwälte und des Verteidigers des Beschuldigten geplant, demnach könnte noch vor den Sommerferien das Urteil fallen.

Warum aber wird dem Täter überhaupt in Deutschland der Prozess gemacht, an dessen Ende eine dauerhafte Unterbringung in einer Forensik als wahrscheinlich gilt? Warum wird der Somalier nicht einfach in seine Heimat abgeschoben? Diese Gedanken wurden und werden immer wieder – vor allem in den Sozialen Medien – diskutiert. Deshalb ein Blick auf die rechtliche Lage.

Welche Gründe gab der Somalier für seine Flucht an?

Der Geflüchtete hat im Mai 2015 einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Er begründete ihn damit, dass er in seiner Heimat von der El-Kaida-nahen Terrororganisation al-Shabaab verfolgt und bedroht worden sei. Der Antrag wurde abgelehnt, allerdings erhielt der damals 25-Jährige subsidiären Schutz in Deutschland.

Was ist subsidiärer Schutz?

"Eine Person erhält subsidiären Schutz, wenn sie zwar nicht wie ein Asylberechtigter oder Flüchtling aus bestimmten Gründen verfolgt wird, ihr aber trotzdem in ihrer Heimat ein ernsthafter Schaden durch schwere Menschenrechtsverletzungen droht", erklärt das UNHCR. Als Beispiele nennt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen Todesstrafe oder Folter.

Aber auch, wenn das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Zivilperson wegen eines bewaffneten Konflikts gefährdet sind, kann ein geflüchteter Mensch unter subsidiären Schutz gestellt werden. Für den Messerangreifer heißt das: Solange in Somalia Bürgerkrieg herrscht, muss er wohl nicht zurückkehren. Allerdings wurde der Täter in die Bearbeitung beim Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen aufgenommen, wodurch eine ständige Überprüfung der Abschiebungsmöglichkeiten gewährleistet ist.

Subsidiär Schutzberechtigte bekommen zunächst eine auf ein Jahr begrenzte Aufenthaltserlaubnis. "Wenn sich die Situation in dem Herkunftsland in dieser Zeit nicht verbessert, wird die Aufenthaltserlaubnis für weitere zwei Jahre verlängert", so das UNHCR. Die Personen haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt.

Können Personen, die unter subsidiärem Schutz stehen, in ihr Heimatland abgeschoben werden, wenn sie in Deutschland straffällig werden?

Im Prinzip schon. Sollte es zu strafrechtlichen Verurteilungen wegen schwerer Straftaten kommen, hätte ein Widerruf des subsidiären Schutzes durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gute Aussichten auf Erfolg, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium auf Nachfrage. Dafür sei aber zunächst der Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, teilt das Bamf mit. Dann sei eine Abschiebung "rechtlich grundsätzlich möglich und durch die Ausländerbehörden zu vollziehen", so das Innenministerium weiter. Allerdings nur, wenn "keine gesetzlichen Abschiebungsverbote festgestellt" werden.

Genau das ist der entscheidende Punkt: Kommt das Bamf zu dem Schluss, "dass der Betroffene nicht in sein Herkunftsland zurückgeführt werden kann, weil ihm dort erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht, wird ein Abschiebungsverbot ausgesprochen", heißt es aus der Behörde. Und dann muss der Somalier seine Strafe in Deutschland verbüßen. Zwar seien auch Abschiebungen in ein Bürgerkriegsland grundsätzlich möglich, heißt es aus dem Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen. Allerdings nur, "wenn im jeweiligen Einzelfall keine Gründe dagegen sprechen". Für Somalia sei eine Aussetzung der Rückführungen beschlossen worden, die bis auf Weiteres gelte.

Laut Gutachten hat der Täter im Zustand der Schuldunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung gehandelt. Welche Rolle spielt bei der Frage nach einer möglichen Abschiebung der Gesundheitszustand einer geflüchteten Person?

Auch die labile Psyche des Täters könnte für ein Abschiebungsverbot sprechen. Wie das Innenministerium erklärt, dürfen Menschen nicht in ihr Heimatland zurückgeführt werden, wenn man davon ausgehen muss, dass sich dort schwerwiegende Erkrankungen wesentlich verschlimmern würden. "Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist."

Wird ein Straftäter nach einem Prozess in einer Forensik oder einer Justizvollzugsanstalt in Deutschland untergebracht: Würde er nach seiner Entlassung abgeschoben werden?

Abschiebungen erfolgen laut Innenministerium "in der Regel direkt aus der Haft, wobei nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens regelmäßig das staatliche Strafverfolgungsinteresse einer Abschiebung vorgeht". Außerdem müsse die zuständige Staatsanwaltschaft einer Abschiebung zustimmen, was normalerweise "erst nach Verbüßen eines erheblichen Teils der Strafe in Betracht" komme, "um ausländischen Straftätern keinen Strafrabatt zu gewähren".

Wann die Strafe des Messerangreifers nach Abschluss des Sicherungsverfahrens abläuft, ist offen: Wird ein Straftäter nämlich in einer Forensik untergebracht, wird nach Ablauf der vom Gericht festgelegten Mindestdauer des Freiheitsentzugs ein Gutachten erstellt, auf dessen Basis die Unterbringung verlängert werden kann. Häufig dauert der Klinikaufenthalt bei schwer erkrankten Patientinnen und Patienten daher länger als eine entsprechende Gefängnisstrafe – manchmal bis zum Tod des oder der Betroffenen.

 
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  • H. B.
    Habe gestern einen guten Spruch gelesen, den ein russischer Dichter schon im 19. Jahrhundert geschrieben hat:

    Irgendwann geht Toleranz soweit, dass den Intelligenten das Denken verboten wird, um die Idioten nicht zu beleidigen.

    Wir sind soweit….😳
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  • H. B.
    Wer schützt unsere Bevölkerung vor dem Täter? Die Gutachter? Die Psychologen? Meine Meinung: Strafe dort verbüßen lassen , wo er herkommt!
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  • G. K.
    Zitat haba2908: „Strafe dort verbüßen lassen, wo er herkommt!“

    Hm … und was bringt Sie jetzt zu der Annahme, dass im Ausland die Urteile deutscher Gerichte vollstreckt werden?

    Das ist schon ganz grundsätzlich ein Problem – und noch viel mehr in politisch instabilen Regionen, aus denen Flüchtlinge und Asylbewerber gerne mal stammen … ?

    Das war ein naheliegender Gedanke Ihrerseits … aber wohl nicht ganz zu Ende gedacht …
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  • H. B.
    …. Ich kann gar nicht so viel kotzen, wie ich möchte…🤮🤮

    Was ist los in diesem Land? Wer sowas begeht ( egal welcher Hautfarbe und Nationalität) hat JEDES Recht auf Sozialisierung verloren. Immer die gleiche Sch…..; die Täter bekommen die besten Anwälte ( in diesem Fall hochdekorierte Pflichtverteidiger und Psychologen) und die Opfer können sehen, wie sie zu ihrer Therapie kommen . Im worst case sind sie gesetzlich versichert.
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  • H. K.
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  • H. S.
    Dieser Artikel hat dafür gesorgt, dass mir mein lecker aussehendes Frühstück nicht mehr schmeckte.
    Im Prinzip, eigentlich rechtlich möglich, normalerweise, grundsätzlich möglich, in der Regel.......
    alles ginge, nichts geschah --- unser Rechtsstaat.
    Es wäre auch einmal interessant zu erfahren, wieviel Euro dieser eine Mensch, einschließlich dem überflüssigen Gerichtsverfahren, den deutschen Steuerzahler kostet.
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    Erst frühstücken und dann lesen!
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  • R. R.
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  • m. w.
    Ein Geflüchter stellt in Deutschland einen Asylantrag mit der Begründung, dass er in seiner Heimat von einer Terrororganisation verfolgt wird und erhält sofort subsidiären Schutz.
    Wie und wer kontrolliert die Begründung einer Verfolgung auf dem Asylantrag?
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  • F. K.
    Das machen die Sachbearbeiter.
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  • m. w.
    An welchem Kriterien u Beweisen stellt das ein Sachbearbeiter fest?
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  • H. S.
    Tausende wurden damals für Asylbearbeitung eingestellt,( genau wie später bei Corona)
    nach der Qualifikation wurde weniger gefragt.
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  • G. A.
    Der Angeklagte erhielt auch subsidiären Schutz auf Grund einer falschen Altersangabe und Verfolgung im Heimatland.
    Die gezielt gesetzten Messerstiche erschreckten mich zu tiefst. Grausam.
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  • E. P.
    ist das nicht eine Aufforderung Straftaten zu begehen bevor man abgeschoben wird ?
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    Auf eigenen Wunsch gesperrt.
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  • M. H.
    Um Gottes Willen - das ist kein Mörder - das ist ein Messerangreifer... wie hier immer zu lesen...
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  • H. S.
    Gesetze kann man ändern...wenn man nur will!
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  • U. S.
    Zitat aus dem Artikel: Kommt das Bamf zu dem Schluss, "dass der Betroffene nicht in sein Herkunftsland zurückgeführt werden kann, weil ihm dort erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht, wird ein Abschiebungsverbot ausgesprochen"

    Wie schön für den Täter. Doch wer schützt uns vor solchen Leuten?
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  • D. E.
    Prinzipiell die gleichen Leute, die uns vor Tätern mit deutscher Herkunft schützen.

    Bei so vielen Kommentaren zum Thema "Messerattacke" scheint im Hintergrund die Überzeugung zu stehen, alle Ausländer seien kriminell. Aber selbstverständlich finden sich unter den Kommentatoren niemals Rassisten...
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  • H. S.
    @higgins.....ihre Meinung
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