Der Würzburger Prozess um Drogenhandel und Folter auf dem Fußballplatz tritt auf der Stelle. Es gleicht ein wenig der Zwangspause im Fußballspiel, wenn der Video-Assistent eine kritische Szene am Bildschirm prüft. Denn kurz vor dem Abschluss der Beweisaufnahme vor dem Landgericht Würzburg hatte einer der sechs Angeklagten plötzlich die Bereitschaft zu weitergehenden Enthüllungen bei der Kripo angekündigt.
Die versprochenen Aussagen sollen angeblich weit über die Anklage hinausgehen, hätten aber Auswirkungen auf das Verfahren. Jetzt während des laufenden Prozesses dafür schnell einen Termin zu finden, der allen Beteiligten passt, scheint schwierig. Und dazu läuft der großen Jugendkammer des Landgerichts Würzburg die Zeit davon.
Eine Jugendkammer mit zwei spektakulären Verfahren nebeneinander
Das Gericht wollte den aufwändigen Drogenprozess Ende April abgeschlossen haben, ehe es das nächste Großverfahren zu stemmen hat: den Prozess um den Mord an einem 14-Jährigen in Lohr (Lkr. Main-Spessart). Daraus wird nun nichts: Die Richter um Michael Schaller müssen beide Verfahren nebeneinander führen.
Dabei dürfen keine zu großen Lücken zwischen zwei Prozesstagen entstehen. Sonst müsste das Gericht ganz von vorne beginnen. Also schleppt sich das Verfahren um Drogendeals und Folterungen mit kleinem Programm und vielen Formalien von Tag zu Tag - bis der 25-jährige Angeklagte bei der Polizei seine neue Aussage gemacht hat.
Das Gericht hatte erkennen lassen, dass es dann gerne schnell zu den Plädoyers und einem Urteil kommen möchte – es sei denn, die angekündigten Enthüllungen lassen den Fall in völlig anderem Licht erscheinen.
Prozesstag für Prozesstag: Freunde stärken den Angeklagten den Rücken
So versammelt sich vor jedem Verhandlungstag weiter eine Gruppe von Freunden und treuen Fans der sechs Angeklagten mit drohenden Posen vor dem CVJM-Haus, wo dieser Prozess stattfindet. Wenn die Beschuldigten aus dem Polizeibus steigen und gefesselt in den Saal eskortiert werden, wird schüchtern gewinkt und gegrüßt – und dann mit grimmigem Gesichtsausdruck halblaut über "die Bullen" geschimpft.
Mehr Polizeibeamte als sonst sichern diesen Prozess ab. Im CVJM-Haus verhindern Justizwachtmeister, dass jemand ein Tütchen mit Pulver in den Gerichtssaal bringt. Murrend geben manche Zuschauer ihre Handys ab und lassen widerwillig die Taschenkontrolle über sich ergehen.
Mit den Freunden warten - mit traurigem Blick - Familienmitglieder der Angeklagten auf Einlass. Polizisten müssen sich in Prozesspausen zwischen Zuschauern und den Angeklagten aufbauen, um konspirative Kontaktaufnahmen zu unterbinden.
Der Prozess wird an diesem Donnerstag, 2. Mai, fortgesetzt.