Ob als Würzburger Fußballer oder Drogenhändler und mutmaßlicher Anführer einer brutal agierenden Dealer-Gruppe: Der Mann, der seit 13 Monaten in Untersuchungshaft ist, scheint es sichtlich zu genießen, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Lächelnd dreht sich der Angeklagte am fünften Verhandlungstag zu den Zuschauern um. Er zeigt mit zwei Fingern das "V" und klopft sich -siegesgewiss - mehrfach auf die Brust.
Freunde im Saal registrieren die signalisierte Zuversicht mit erkennbarer Freude. Ein gutes Dutzend Bekannter des 25-jährigen Angeklagten kommt Tag für Tag ins Würzburger CVJM-Heim, wo dieser umfangreiche Prozess aus Platzgründen stattfindet, um die Beweisaufnahme zu verfolgen.
Fußballer im Fokus: Beweisaufnahme konzentriert sich auf den Hauptangeklagten
Die fünf anderen Angeklagten, die unter seiner Führung Drogen verkauft und gefoltert haben sollen, werden kaum beachtet. In der Beweisaufnahme konzentriert sich die Aufmerksamkeit ganz auf den 25-Jährigen mit dem Siegerlächeln.
Der Fußballer soll vom Aufstieg geträumt haben: tagsüber als Mittelstürmer einer Würzburger Kreisliga-Mannschaft, wie archivierte Tor-Szenen und seine Kommentare in Spielberichten des bayerischen Fußball-Verbandes belegen. Nachts soll der 25-Jährige Kopf einer Bande gewesen sein, die mit Drogen im zweistelligen Kilo-Bereich dealte. Und die, so die Anklage, Geld von säumigen "Kunden" gewaltsam eintrieben.
Den Ermittlern zufolge muss es ein professionelles Vorgehen gewesen sein: Laut Staatsanwaltschaft bestellten Komplizen im Darknet binnen weniger Monate 16 Kilo Marihuana und andere Rauschmittel. Die Drogen wurden an Paketcenter geliefert, von Helfern abgeholt und in Würzburg verkauft. Aber wehe, einer lieferte das Geld nicht ab: Dann wurde er nachts zu dem Sportheim "bestellt", zu dem der Beschuldigte die Schlüssel hatte. Und sah sich rüder Quälerei mit Feuerzeug, heißem Wachs oder scharfem Messer im "Strafraum" des Fußballplatzes ausgesetzt.
Der Angeklagte selbst lächelt bei solchen Schilderungen während der Verhandlung still vor sich hin. Die Zeugen – oft Mitläufer bei Drogengeschäften oder selbst Drogenkonsumenten – erinnern sich manchmal nicht genau daran, was sie erlebt haben. Oder sie vermeiden es absichtlich, Namen zu nennen. Hätten die mutmaßlichen Täter die Übergriffe nicht teils selbst gefilmt, sähe die Beweisdecke dünn aus.
Fünfter Verhandlungstag: Die Mauer des Schweigens bröckelt
Aber am fünften Prozesstag bröckelt die Mauer des Schweigens. An diesem Mittwoch gibt Verteidiger Güney Behrwind für seinen Mandanten ein Geständnis ab. Es ist das dritte der sechs Angeklagten: Sein Mandant, der einer der wichtigen Mitläufer gewesen sein soll, sei bei der angeklagten Folterung eines Opfers ahnungslos dabei gewesen und habe sich nur am Rand und "widerwillig" beteiligt. Sein Mandant gehöre aber nicht zu der Bande, sagt Behrwind. Und er sei bereit, sich finanziell an einem Täter-Opfer-Ausgleich zu beteiligen. Eine Entschädigung könnte sich im Urteil erheblich auf die Höhe der Strafe auswirken.
Mit einem Urteil wird Ende April gerechnet
Dem Hauptbeschuldigten scheinen Gedanken an Entschädigung und Ausgleich fremd zu sein. Seine Anwälte Roj Khalaf und Hanjo Schrepfer fühlen den Opfern in dieser Verhandlung gnadenlos auf den Zahn, um ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen. Für ihren Mandanten geht es auch darum, wann er wieder Fußball spielen kann. Ende April will das Landgericht Würzburg das Urteil sprechen.
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.
Hier bewundere ich wieder Gericht und auch teilweise die Strafverteidigung, daß man da noch ruhig und sachlich bleiben kann.Der Angeklagte sieht die Videobe-weise anscheinend nicht als gerichtstauglich an.