"Abgerechnet wird zum Schluss." Kerstin Westphal kämpft. Für ein demokratisches, solidarisches Europa. Für die SPD. Und nicht zuletzt in eigener Sache. Seit zehn Jahren ist die SPD-Politikerin aus Schweinfurt Mitglied des Europäischen Parlaments. Die Chancen, es zu bleiben, stehen nicht sonderlich gut. Die 56-Jährige belegt auf der SPD-Bundesliste für die Europawahl lediglich Platz 23, nachdem sie die parteiinterne Abstimmung um den bayerischen Spitzenplatz gegen ihre Abgeordneten-Kollegin Maria Noichl (Rosenheim) verloren hatte. Damit Westphal auch künftig in Straßburg und Brüssel politisch arbeiten kann, müsste die SPD bei der Wahl am 26. Mai bundesweit so bei 22, besser 23 Prozent landen. "Da fehlen noch ein paar Prozente", macht sich die gelernte Erzieherin keine Illusionen.
Und so wirbt Kerstin Westphal unermüdlich weiter. Hier ein Infostand, dort ein Schulbesuch, später ein Gespräch mit Unternehmern oder Auszubildenden: Wahlkampf macht der gelernten Erzieherin erkennbar Spaß. Zumal sie spürt, "das Interesse der Menschen an Europa ist größer als ich es je zuvor in einem Wahlkampf erlebt habe". Die Unberechenbarkeit eines Donald Trump, vor allem aber der Hickhack um den Brexit hätten vielen in der Region gezeigt, was verloren geht, würde die Europäische Union (EU) zerfallen.
Der Brexit als Warnschuss, der für Europa sensibilisiert
Westphal kommt gerade von einem Besuch im St. Josef-Stift, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung in Eisingen (Lkr. Würzburg), in der sie selbst viele Jahre gearbeitet hat. Bewohner hätten sie gefragt, ob sie künftig noch, wie bisher, Ferien in England machen könnten. Und sie habe antworten müssen, dass "so eine Reise künftig vermutlich mit mehr Bürokratie verbunden ist, weil viele Urlauber erst einmal einen Reisepass beantragen müssen". Auch in der Wirtschaft spüre man, dass es ohne ein gutes nachbarschaftliches Miteinander bergab gehen könnte. "Gerade für das fränkische Handwerk" sei der Brexit der Warnschuss, der Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gleichermaßen für Europa sensibilisiere.
Dieses neu erweckte Bewusstsein stimmt Westphal optimistisch, dass zumindest hierzulande die Wahlbeteiligung über den 47,9 Prozent von 2014 liegen wird – und so die "Nationalisten von der AfD" zurückgedrängt werden können. Eine Zuversicht, die der SPD-Frau beim Blick auf das übrige Europa dann doch fehlt. Nicht nur, dass europafeindliche Gruppierungen mit deutlichen Zuwächsen im Parlament rechnen dürften, der Gedanke, dass die rechtspopulistischen Regierungen in Italien, Polen und Ungarn nach der Wahl Vertreter der EU-Kommission stellen werden, lässt Westphal einigermaßen erschaudern. "Da drohen monatelange Blockaden."
Martin Schulz würdigt Westphal als "leidenschaftliche Europäerin"
Viel Applaus erntet die 56-Jährige auch in ihrem Engagement für Gleichstellung. Über den polnischen Abgeordneten, der im Europaparlament allen Ernstes behauptete, Frauen müssten einfach weniger verdienen als Männer, "weil sie schwächer, kleiner und weniger intelligent sind", kann sich Kerstin Westphal immer wieder aufregen. "Buuuh", tönt es durch den Saal, als sie die Anekdote bei einer Wahlveranstaltung dieser Tage einmal mehr erzählt. Nicht zuletzt um Frauenrechte durchzusetzen, ist die gebürtige Hamburgerin einst in die Politik gegangen. Ihr Parteifreund Martin Schulz, von 2014 bis 2017 Präsident des Europäischen Parlaments, würdigt sie auf Nachfrage als "leidenschaftliche Europäerin", als eine "in der Sache sattelfeste, kämpferische Vertreterin ihrer Region".
Der Regionalförderung galt denn zuletzt auch das Hauptaugenmerk der Parlamentsarbeit von Kerstin Westphal. So wird sie nicht müde, immer wieder zu erklären, wie auch Unterfranken von der Förderung aus Brüssel profitiert. 2,5 Millionen Euro für die Krebsforschung an der Uni Würzburg, 500 000 Euro für den Ausbau des Nahwärmenetzes in Iphofen (Lkr. Kitzingen) oder 300 000 Euro für die Passionsspiel-Bühne in Sömmersdorf (Lkr. Schweinfurt) sind nur einige wenige Beispiele. Umso mehr ärgert es die SPD-Abgeordnete, wenn Bundes-und Landespolitiker diese Unterstützung "regelmäßig" unterschlügen. Als "besonders eklatantes Beispiel" ist ihr der Auftritt von Markus Söder (CSU) bei der Eröffnung der Landesgartenschau in Würzburg vor einem Jahr in Erinnerung. Knapp fünf Millionen Euro seien aus EU-Mitteln nach Würzburg geflossen, "dem Ministerpräsidenten war das anders als die Leistungen des Freistaats nicht ein Wort der Erwähnung wert".
Hoffen auf konservative Wechselwähler
Da herrsche in Brüssel und Straßburg dann doch ein anderer Umgang zwischen den politischen Lagern, sagt Westphal. "Konstruktiv" sei die Zusammenarbeit unter den Demokraten, "mehr an der Sache orientiert als man das vom Bundestag oder Landtag kennt". Insofern kann sich die Schweinfurterin durchaus vorstellen, dass auch der eine oder andere konservative Wähler in Unterfranken diesmal sein Kreuz bei der SPD macht, um ihr den Sitz im Europaparlament vielleicht doch noch zu sichern. "Sonst wäre die Region gar nicht mehr in Straßburg und Brüssel vertreten."
sie kann sich locker zur Ruhe setzten und muss nicht jammern.
Also sind entweder die Wählt zu dumm, dass zu erkennen oder die Selbsteinschätzung von Fr. W. bzw der Partei ist einfach daneben.