
Aufrecht sitzt Eva von Vietinghoff-Scheel am Freitagmittag vor dem Willy-Brandt-Porträt im Tagungsraum der SPD-Zentrale in der Semmelstraße. Der schwere Ballast, den sie gerade auf ihren Schultern trägt, ist ihr nicht anzumerken. Die 44-jährige Juristin aus dem Landkreis Main-Spessart möchte Oberbürgermeisterin in Würzburg werden. Und die SPD hält sie für dieses Amt "absolut geeignet", auch wenn die Kandidatin kein Parteimitglied ist.
Vietinghoff-Scheel will mehr Bürgernähe
Diese Bühne ist ihr neu. Eva von Vietinghoff-Scheel hatte es als Vorständin des landkreiseigenen Kommunalunternehmens (KU) bisher hauptsächlich mit politischen Entscheidungsträgern zu tun. Jetzt möchte sie selbst eine von ihnen sein. "Eine Macherin", sagt sie. Eine, die Projekte vorantreiben, nicht nur verwalten will: Vor allem die Straßenbahnlinie 6 ins Hubland, den Kauf des Faulenberg-Areals und eine neue Gestaltung des Hauptbahnhofs zu einem "Willkommenstor in die Stadt". Dabei will sie Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, ihnen zuhören, nicht alles nur am Schreibtisch entwickeln und ihnen vor die Nase setzen.
"Wir brauchen jemanden, der Lösungen findet, Menschen einbindet und nicht spaltet", sagt Freya Altenhöner, Vorsitzende der Würzburg SPD. Der Unterbezirksvorstand traue Vietinghoff-Scheel das zu und habe mit großer Mehrheit beschlossen, sie den Parteimitgliedern als OB-Kandidatin vorzuschlagen. Auf dem Parteitag am 24. Januar soll sie nominiert werden, einen Tag später, beim Neujahrsempfang der SPD, wird Vietinghoff-Scheel erstmals als Politikerin sprechen.
Weil der noch amtierende Oberbürgermeister Christian Schuchardt im Juli als Geschäftsführer zum Deutschen Städtetag wechseln wird, sind in Würzburg vorgezogene Neuwahlen nötig. Er freue sich "riesig", dass die SPD mit Vietinghoff-Scheel nun eine Kandidatin hat, "die geeignet sei, die Stadtverwaltung zu leiten und den zersplitterten Stadtrat zu führen. Es braucht eine Brückenbauerin, die über Fraktionen hinweg Mehrheiten schaffen kann", so Alexander Kolbow, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion.
Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen spielen für SPD keine Rolle
Eine Unterstützung der SPD für den Grünen-OB Kandidaten Martin Heilig oder für die designierte CSU-Kandidatin Judith Roth-Jörg war für seine Partei kein Thema. "Wir sind von beiden nicht überzeugt und haben ihre Fachlichkeit schon bei ihrer jeweiligen Referenten-Wahl infrage gestellt", sagt Kolbow.
Dennoch habe sich der Unterbezirksvorstand die Entscheidung nicht leicht gemacht. Denn noch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Vietinghoff-Scheel wegen des Verdachts der Untreue. "Wir sind nicht blind, haben die Vorwürfe geprüft und würden sie nicht aufstellen, wenn wir nicht überzeugt wären, dass das Verfahren ins Leere läuft", erklärt Kolbow.
Da darf aber nicht ihr "Schattenmann" Schraml vergessen werden.
Nachdem ich in einem meiner Kommentare bekannt gab, keine Ahnung zu den Vorgängen zwischen Landrat und Chefin des KU zu haben, wurde mir so manches über dieses Verhältnis von kompetenter Seite (nicht CSU) mitgeteilt, wofür ich Verständnis für die Vorgehensweise des Landrats aufbringen kann.
Ich wünsche den Bürgern der Stadt WÜ jedenfalls einen spannenden Wahlkampf und eine/n OB, den sie dann auch verdienen!
Vielleicht mit einer grauen Eminenz?
In der Zusammenarbeit wird dies zwischen Stadt und Landkreis alles andere als gut laufen (können). Von daher wird die Personalie die Unfähigkeit der SPD bloß stellen und nicht zum Stimmenfänger des gemeinen Stimmviehs werden - so meine Befürchtung und Prognose.
Aber man kann sich ja täuschen und das Erinnerungsvermögen ist so kurz wie bei Bundeskanzler Scholz. Eine neue Eigenheit der SPD anscheinend.
Trotzdem ist es für die einst so stolze Partei beschämend und traurig, keinen eigenen Kandidaten zu finden.
Ich schwanke noch, ob das ganze ein genialer Coup der SPD oder gnadenlose Inkompetenz ist. Warten wir mal die Pressekonferenz ab.
Ein kleiner Hinweis sei gestattet: wenn eine Partei einen Kandidaten (m,w,d) nominiert, dann hat diese Partei einen Kandidaten gefunden! Viel Spaß noch beim Schwanken.
PS: Ich feu mich schon auf Ihre Kommentare wenn die WL Frau Stamm endgültig überredet hat.
Unabhängig von den Kandidat/Innen : den Würzburgerinnen und Würzburgern bieten sich nun interessante Alternativen in Programm und Persönlichkeit , wenn Frau Stamm noch eine Heimat findet sogar noch eine mehr .
Das ist dich ein gutes Zeichen für die Stadt , hoffentlich zeigt sich das dann auch in einer hohen Wahlbeteiligung.
Hans Sartoris
Sehe ich auch so. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft sagt m.E. mehr über den Anzeigenerstatter sowie über den dahinter stehenden "Politikstil" als über Frau Vietinghoff-Scheel.
Der Anstand würde es gebieten, dass die Staatsanwaltschaft hier nun sehr zeitnah Stellung bezieht!
Denn wir müssen letztlich froh sein darüber, dass es noch integre, motivierte und kompetente Menschen gibt, die sich den Herausforderungen eines solchen Amtes stellen und für die Bürger da sein wollen - trotz aller Anfeindungen und Häme aus den erwartbaren Ecken und den wachsenden Herausforderungen....