Vor zwei Jahren, am 5. März 2020, wurde der erste Fall einer Coronavirus-Infektion in Unterfranken bekannt. Seit diesem Tag haben sich bis heute unterfrankenweit mehr als 250.000 Menschen mit Sars-CoV-2 angesteckt. Jede beziehungsweise jeden Fünften in der Region hat es also schon erwischt. Viele von ihnen sind bereits genesen. Manche leiden noch immer an den Folgen der Infektion. Mehr als 1950 Menschen in Unterfranken sind an oder mit Covid-19 gestorben.
Wo wir nach zwei Jahren Corona-Pandemie heute stehen, wie wir am besten mit dem Virus weiterleben können und was uns Hoffnung machen sollte, verraten ein Virologe, ein Hausarzt und eine Psychologin aus Unterfranken.
Virologe Prof. Lars Dölken: "Der schlimmste Teil liegt hinter uns"
Was ist das Wichtigste, was wir über das Coronavirus gelernt haben?Die Fortschritte bei den mRNA-Impfstoffen betrachte ich als die wichtigsten Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren - neben mRNA-Impfstoffen gegen andere Infektionskrankheiten wie Herpes - eine Vielzahl an mRNA-Impfstoff-basierten Behandlungskonzepten gegen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder auch gegen Krebs bekommen werden. Deren Entwicklung hätte ohne Corona aufgrund fehlender finanzieller Mittel und Erfahrungswerte noch Jahrzehnte gedauert.
Der schlimmste Teil liegt hinter uns. Mit Omikron haben wir zum Glück jetzt ein erheblich weniger gefährliches Virus. Jeder von uns wird sich damit zwar in den nächsten Monaten infizieren, Angst braucht man davor aber keine mehr zu haben – abgesehen von älteren Menschen, für die hoffentlich auch bald Omikron-adaptierte Impfstoffe zur Verfügung stehen werden. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens werden ab März stetig sinken und im April/Mai enden.
Wir werden dieses Jahr eine weitgehende Durchseuchung der Bevölkerung mit Omikron erleben. Die Delta-Mutante ist aber nicht weg. Sobald der Großteil der Menschen eine Immunität gegen Omikron aufgebaut hat, besitzt Delta wieder einen Selektionsvorteil. Wenn es uns daher nicht gelingt, bis zum Herbst die Impflücken, insbesondere bei den über 50-Jährigen zu schließen, so werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nächsten Winter wieder Probleme in den Kliniken bekommen. Gelingt es uns aber, diese Impflücken zu schließen, gehe ich fest davon aus, dass die aufgebaute Immunität in unserer Gesellschaft stark genug sein wird, dass nächsten Winter keine Kontaktrestriktionen mehr eingeführt werden müssen. Sars-CoV-2 wird sich dann in die große Gruppe der jeden Winter wiederkehrenden grippalen Atemwegsinfekte einreihen.
Die Pandemie hat uns vieles über die Übertragung, Bekämpfung und Behandlung von viralen Atemwegserkrankungen gelehrt – nicht nur über Sars-CoV-2. Neben hochwirksamen und schnell anpassbaren Impfstoffen kommen jetzt auch wirksame Medikament hinzu. In Verbindung mit der deutlich weniger gefährlichen Omikron-Variante gewinnen wir erfolgreich die Kontrolle zurück. Das Ende der Pandemie ist klar in Sicht. Am Wichtigsten aber ist, dass wir durch Corona für zukünftige Pandemien, die unvermeidbar kommen werden, erheblich besser aufgestellt sind.
Hausarzt Dr. Christian Pfeiffer: "Wir haben für zukünftige Pandemien gelernt"
Was ist das Wichtigste, was wir über das Coronavirus gelernt haben?Die Pandemie hat uns gezeigt, dass unsere Gesellschaft trotz aller modernen Errungenschaften und Technik verwundbar ist durch die Natur. Sie hat uns vor Augen geführt, dass wir auf so eine Situation überhaupt nicht vorbereitet waren. Wenn ich an das anfängliche Corona-Chaos zurückdenke: Wir hatten keine FFP2-Masken, kein Schutzmaterial. So etwas sollte in einem modernen Land wie Deutschland nicht passieren. Die Hausarztpraxen oder Kliniken können keine Lagerhaltung für den Fall einer Pandemie vorhalten. Aber der Staat sollte Notfallpläne haben, die dann auch funktionieren.
Wir sind jetzt in Richtung Ende der Pandemie unterwegs. Das haben wir aber nicht uns als Gesellschaft zu verdanken. Denn leider haben immer noch viel zu wenige Menschen verstanden, dass die Impfung nicht nur für sie selbst, sondern auch für die Allgemeinheit wichtig ist, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Vielmehr haben wir die Entwicklung der Omikron-Mutation zu verdanken. Das Virus hat sich in seiner Gefährlichkeit im Vergleich zur Delta-Mutation deutlich abgeschwächt.
Das Coronavirus wird - ähnlich wie alle anderen Atemwegsviren - mit der Zeit ein Virus werden, das unser Gesundheitssystem nicht mehr überlastet und mit dem wir jedes Jahr aufs Neue im Herbst und im Winter in Kontakt kommen. Dadurch baut sich bei den meisten Menschen ein natürlicher Schutz zuzüglich zur Impfung auf. Die Menschen, die gefährdeter sind, werden sich in Zukunft vielleicht jedes Jahr neu impfen lassen müssen - ähnlich wie bei der Influenza. Aber es wird wohl in Zukunft nicht mehr nötig sein, die komplette Bevölkerung durchzuimpfen. Vorausgesetzt, dass sich nicht wieder eine gefährlichere Variante entwickelt. Aber auch dann dürfte ein gewisser Schutz durch Impfungen und durchgemachte Infektionen gegeben sein.
Hoffnung macht mir, dass sich das Virus in eine harmlosere Variante verändert hat und dass es die wirkungsvollen Impfstoffe gibt. Ich glaube, dass wir für zukünftige Pandemien gelernt haben. Denn aus ärztlicher Sicht haben wir immer gewusst: Eine Pandemie wird wieder kommen. Es ist nur die Frage, wann.
Psychologin Ingrid Ingelmann: "Das emotionale Nervenkostüm ist bei vielen noch angespannt"
Was ist das Wichtigste, was wir über das Coronavirus gelernt haben?Die Pandemie-Situation hat zwei Personengruppen besonders schlimm getroffen: Alleinlebende Menschen und Menschen, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige betreuen. Für sie sind Außenkontakte elementar wichtig. Diese Kontakte sind plötzlich weggebrochen. Manche Menschen waren richtig isoliert. Spannungen innerhalb von Familien - gerade bei Alleinerziehenden, die ihren Berufsalltag organisieren und gleichzeitig den Unterricht ihrer Kinder übernehmen mussten - haben zugenommen. Je fragiler das Familiengefüge vorher war, desto mehr Probleme hat Corona nach oben gespült. Emotionaler Stress, Gewalt und psychische Störungen haben während der Pandemie zugenommen.
Viele Menschen haben mittlerweile einen gewissen Stand gefunden, wie sie mit plötzlichen Alltagsumstellungen umgehen. Doch das emotionale Nervenkostüm ist bei vielen noch angespannt. Corona greift immer noch in unseren Alltag ein. Ausgleiche wie Urlaub und Treffen mit anderen Menschen sind noch zurückgefahren. Es ist noch keine Normalität eingetreten. Unsicherheit ist psychologisch am schwierigsten auszuhalten. Sobald ich handeln und gestalten kann, gewinne ich meine Souveränität zurück. Aber diese ist momentan noch von der Corona-Entwicklung abhängig.
Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben, wie mit vielen anderen Viren auch. Dazu gehört, die Bedrohung realistisch wahrzunehmen, sich nicht völlig vom Leben abzukapseln, aber soziale Kontakte verantwortlich zu gestalten. Risiken einzugehen ist ein normaler Teil des Lebens. Aber ich sollte es verantwortlich tun. Und wir sollten lernen: Wissenschaft braucht Zeit. Das gilt es auszuhalten und Erwartungen zu reduzieren. Im besten Fall gelingt es uns, dass möglichst viele Menschen bereit sind, ein gutes Leben für alle als lohnenswertes Ziel anzusehen - auch wenn das für uns als Individuen kleine Einschränkungen bedeutet.
Hoffnung machen mir die Begegnungen mit Menschen, die in der Pandemie die Erfahrung gemacht haben: "weniger ist mehr" und die jetzt ihre Beziehungen, die sie bereichern und durchs Leben tragen, bewusster schätzen und fördern. Außerdem hoffe ich, dass in unserer Gesellschaft die Erkenntnis durchgedrungen ist, dass Außenkontakte für Menschen in schwierigen Lebenslagen - etwa für Kinder in angespannten Familienbeziehungen - unverzichtbar und lebenswichtig sind. Sie müssen bei politischen Entscheidungen künftig stärker berücksichtigt werden.