In der öffentlichen Wahrnehmung spielten die Ostermärsche – so nennen sich die aus dem Kalten Krieg entstandenen Friedensdemos am Karsamstag – seit Langem kaum noch eine Rolle. 150 Personen nahmen vor der Pandemie zuletzt in Würzburg teil. Angesichts des grausamen russischen Angriffskriegs in der Ukraine stehen die Demos plötzlich jedoch wieder im öffentlichen Fokus – und sehen sich massiver Kritik ausgesetzt.
"Wer diese Demos besucht, spuckt den Ukrainern ins Gesicht", schrieb etwa FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff jüngst in einem vielbeachteten Meinungsbeitrag für die Wochenzeitung Die Zeit. Das unreflektierte Bedürfnis nach einer einseitig gewaltfreien Lösung in der Ukraine spiele letztlich nur Putin in die Karten, die Ostermarschierer seien somit "die fünfte Kolonne Wladimir Putins".
Würzburger Ostermarsch will Waffenlieferungen an Ukraine verhindern
Und tatsächlich dürfte Putin kaum etwas einzuwenden haben gegen die diesjährigen Forderungen der Würzburger Friedensbewegung: "Nein zum 100 Milliarden Sondervermögen für die Aufrüstung" heißt es da unter anderem. Und: "Nein zu Waffenlieferungen."
Zwar verurteile man den russischen Angriffskrieg "auf das Schärfste", heißt es knapp im Aufruf. Aber: "Deutschland und die EU sind nicht nur durch Waffenlieferungen und den Einsatz von Truppen an kriegerischen Konflikten beteiligt. Sie sind (...) mitverantwortlich für (...) Zerstörung ganzer Regionen und Lebensräume, Hungersnöte und das Sterben Tausender Menschen auf der Flucht."
Die grausamen Kriegsverbrechen Russlands und das Massaker von Butscha, bei dem offenbar hunderte Zivilistinnen und Zivilisten ermordet wurden, werden im Aufruf mit keinem Wort erwähnt. Auch auf aktuelle Nachfrage spricht sich Uta Deitert, Mitorganisatorin des Ostermarsches und Sprecherin des Würzburger Friedensbündnis' Ökopax, entschieden gegen Waffenlieferungen aus: "Wir halten das für komplett falsch."
Würzburger DGB-Vorsitzende: "Kann man die Russen nicht mit Zäunen aufhalten?"
Auch die Würzburger DGB-Vorsitzende und Linken-Stadträtin Anna-Maria Dürr, die am Samstag auf der Demo sprechen wird, sagt zur Ablehnung der Waffenlieferungen: "Da stehe ich zu 100 Prozent dahinter." Zwar verübe die russische Armee in der Ukraine einen Völkermord, "aber Waffenlieferungen an die Ukraine machen das nicht besser." Stattdessen müsste über zivilen Widerstand gesprochen werden: "Kann man die Russen nicht mit Zäunen aufhalten?"
Ihrer Meinung nach sei die einzige Lösung, dass die ukrainische Bevölkerung aus den umkämpften Gebieten verschwinde. "Wäre die Zivilbevölkerung dort geflohen oder evakuiert worden, könnte sie jetzt auch nicht ermordet oder vergewaltigt werden."
Wenig Verständnis für diese Position hat die ukrainische Aktivistin Karina Dreshpan, die in Würzburg mit dem Verein Hermine e.V. humanitäre Hilfe für ihr Heimatland organisiert. Sie sagt: "Wenn man unter Frieden die Vernichtung der Ukraine versteht, dann macht diese Forderung natürlich Sinn." Zwar verstehe sie die Ideale der Friedensbewegung, dass diese realitätsfern seien, habe jedoch die Vergangenheit gezeigt. Schließlich habe die Ukraine auf Atomwaffen verzichtet und werde nun durch Russland angegriffen. "Ich sehe keine andere Option als Waffenlieferungen", sagt Dreshpan.
Heilig zum Würzburger Ostermarsch: "unerträgliche Unterstützung" von Putin
Desillusioniert von der Würzburger Friedensbewegung zeigen sich auch ehemalige Beteiligte. "Für mich halten die alten Antworten nicht mehr", sagt etwa die ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Simone Barrientos aus Ochsenfurt. Zwar schlage in ihr weiterhin ein pazifistisches Herz. "Aber wenn Selbstverteidigung nur mit Waffen möglich ist, dann müssen Waffen geliefert werden." Die Friedensbewegung sei nicht bereit, ihre Positionen zu hinterfragen.
Auch Würzburgs Grünen-Bürgermeister Martin Heilig sagt sich auf Anfrage persönlich von der Friedensbewegung los: "Im Bezug auf die aktuelle Situation in der Ukraine empfinde ich jede Form des Protestes gegen Aufrüstung und Belieferung von Waffen an die Ukraine als eine unerträgliche indirekte Unterstützung der Putinschen Verbrechen gegen die Menschlichkeit", so Heilig.
"Die einzige realistische Möglichkeit Putin zu stoppen, geht über Härte und auch militärischen Widerstand. Wer jetzt gegen Nato, Aufrüstung und Waffenlieferung an die Ukraine auf die Straße geht, wendet sich ab von den Opfern von Mariupol, Butscha und übrigens auch von Aleppo."
Sprecherin von Ökopax Würzburg sieht keine Lösung und will Grenzen offenhalten
Ökopax-Sprecherin Uta Deitert weiß von den Gegenpositionen zur Würzburger Friedensbewegung und versucht den Ukraine-Krieg differenziert zu betrachten. Sie sagt: "Das ist ein großes Dilemma. Niemand will, dass die Ukraine solchen Angriffen schutzlos ausgesetzt ist." Auch könne niemand der Ukraine ernsthaft zumuten wollen, unter der "Knute Russlands" zu leben.
Was kann also alternativ zu Waffenlieferungen getan werden? "Im Moment weiß ich es auch nicht", sagt Deitert. "Auf jeden Fall müssen wir die Grenzen offen halten und versuchen, Menschenleben zu retten, so gut es geht."
Frieden, ja natürlich bin ich dafür, aber in diesem Fall wäre es ein wenig einseitig
<<<Stattdessen müsste über zivilen Widerstand gesprochen werden:>>> Wo und wie soll dieser zivile Widerstand stattfinden? In Russland? Man sieht, wie er Wirkung zeigt. Oder in der Ukraine? S. Butscha, Borodjanka, Mariupol und viele andere
<<<"Kann man die Russen nicht mit Zäunen aufhalten?">>> Wie stark müssten die sein, dass die nicht von Panzern umgefahren oder einfach gesprengt werden? Und wie hoch, dass nicht Flugzeuge und Raketen drüber hinweg fliegen? Und die Grenzübergangsstellen müssten dann wohl als Festung ausgebaut werden ...
1. was meinen Sie denn genau mit dieser, Ihrer Aussage:
".... Stattdessen müsste über zivilen Widerstand gesprochen werden: "Kann man die Russen nicht mit Zäunen aufhalten?"
und 2., ist dies wirklich aus Ihrem Mund:
"Wäre die Zivilbevölkerung dort geflohen oder evakuiert worden, könnte sie jetzt auch nicht ermordet oder vergewaltigt werden."?
Das ist der ekelhafteste und unglaublichste Satz den ich von einer in der Öffentlichkeit stehenden Person seit langen hier in der Mainpost gelesen habe. Für diesen Satz sollte sie von all ihren Ämtern zurücktreten. Sie sollte sich in Grund und Boden schämen.
Ihre ebenfalls im Artikel stehende Aussage, dass die russische Armee einen Völkermord an Ukrainern begeht macht den oben stehenden Satz in keinster Weise besser und ist zudem auch juristisch äußerst umstritten bzw. falsch (ich selbst bin kein Jurist)
Das Problem ist aber, die Realität sieht anders aus. Es gibt nun mal Putin andere Diktatoren und Geisteskranke. Und wenn man nicht aufpasst und sich nicht wehrt, dann ist unser schönes freies und demokratisches Leben vorbei. Abschreckung ist da noch besser als tatsächlich einen Krieg hier zu haben.
Sind wir mal ehrlich. Uns hier geht es extrem gut und dass bereits seit über 70 Jahren ohne Krieg in Deutschland, die Wirtschaft boomt, wir haben Demokratie,... Vielen anderen um uns herum geht es erheblich schlechter. Viele schauen neidisch zu uns. Es ist nur eine Frage der Zeit bis dies zu Begehrlichkeiten kommt. Entweder wir werden überrollt von Einwanderern oder irgendwann kommt vielleicht auch mehr.