Die kühn geschwungene Wendeltreppe vom ersten in den zweiten Stock ist vorerst nur über ein seitliches Treppenhaus erreichbar. Die untere Hälfte des repräsentativen Aufgangs in Form der beiden großzügigen Treppenläufe des Altbaus liegt noch hinter der Trennwand zwischen Großem und Kleinem Haus des Mainfranken Theaters. Das Kleine Haus, entworfen vom Architekten Jörg Friedrich, wurde nun endlich - mit dreieinhalb Jahren Verspätung - am Samstag in Betrieb genommen. Mit einem Festakt und einer Schauspielpremiere.
Die Gründe für Verspätung, für Kostensteigerungen und für Umbesetzungen bei den ausführenden Firmen sind bekannt - beim Festakt kam dennoch kaum ein Redner umhin, sie zumindest zu streifen. Allein schon, um die große Freude darüber zu erklären, dass es nun wirklich geklappt hat: Die neue Spielstätte mit der Schauspielbühne für 330 Gäste, dem Ballettsaal und zwei Probebühnen ist eröffnet. Intendant Markus Trabusch sollte später mit Hugo von Hoffmannsthal gar von einem "heiligen Tag" sprechen.
Tatsächlich war die Baufreigabe erst am Vortag um 16.08 Uhr gekommen, wie ein sichtlich erleichterter Sven Franke später erzählte. Franke ist als Chef des Schweinfurter Büros FMP oberster Planer des Projekts. Freitagabends bei einer Vorab-Vorstellung für Freunde und Förderer des Hauses hatte es noch einen falschen Feueralarm gegeben, aber am Premierentag selbst klappte alles wie am Schnürchen - von der sehr ausführlichen Begrüßung der Fest- und Ehrengäste, die Schauspielerin Daria Lik als kapriziöse Conférencière ("ein bisschen dauert's noch") zur Miniperformance nutzte, bis zum letzten Moment der Stille nach der letzten Szene auf der Bühne.
Spontaner, demonstrativer Beifall für Zentralratspräsident Josef Schuster
Lik hatte gebeten, erst zum Schluss der langen Gästeliste zu applaudieren, spontanen, demonstrativen Beifall für Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gab es dennoch. Nach einer schrägen Hupenfanfare und zwischen den struppigen Bagatellen für Bläserquintett von György Ligeti dann die Reden, alle geprägt von herzlichen Dankesworten. An die Geldgeber, allen voran den Freistaat, die politischen Unterstützer, die Baufirmen und nicht zuletzt das technische und künstlerische Personal des Theaters selbst, das seit fünf Jahren unter erschwerten Bedingungen seine Arbeit macht.
Oberbürgermeister Christian Schuchardt würdigte das Theater als "Ort der Lebensfreude aber auch der Nachdenklichkeit" und freute sich, dass das Haus wieder da sei, "wo es hingehört - in der Mitte der Stadt". In Richtung von Ministerpräsident und Science-Fiction-Fan Markus Söder gestand er zu, das Projekt sei bislang "nicht gerade mit Warp-Geschwindigkeit" vorangekommen.
Söder griff die Anspielung bester Laune auf und wünschte dem Haus mit "Star Trek" beziehungsweise "Star Wars": "Live long and prosper und möge die Macht mit Würzburg sein". Dies allerdings nicht ohne vorherige Frotzeleien: "Kleines Haus hört sich klein an, ist aber eine Rieseninvestition." 50 Millionen hat der Freistaat bereits in das Projekt investiert, viele weitere werden folgen (müssen). Söder nahm es betont gelassen: "Alle Neubauten werden naiv und gutgläubig angefangen und stellen sich immer als schwere Etappen heraus. Aber am Ende ist es gut!"
Franken habe Bayern erst auf "kulturelle Flughöhe" gebracht, so der Franke Söder. Deshalb sei es gut, wenn mehr Geld aus München nach Norden abließe. Der Freistaat werde auch in Krisenzeiten nicht an der Kultur sparen, versprach der Ministerpräsident. Wenn das Mainfranken Theater mit Vollendung des Großen Hauses schließlich Staatstheater wird (ein Datum wurde an diesem Abend nicht genannt), werde Bayern 50 Prozent der Betriebskosten übernehmen (derzeit sind es 45 Prozent). Aber: "Es bleibt alles in der Hand von Würzburg. Der Freistaat zahlt nur und regiert nicht hinein."
Neue Aktion des Fördervereins: "Schenkt dem Theater ne Million!"
Der Musikforscher Ulrich Konrad sprach für den Theater- und Orchesterförderverein: "Wir erleben ein Ereignis, an das manche zu glauben schon aufhören wollten." Ausgehend vom Phänomen Theaterbrand, das über die Jahrhunderte quasi zwangsläufig für Erneuerung gesorgt habe, sagte er: "In unserem Land brennen Theater nicht mehr ab, sie werden vielmehr über viele Jahre heruntergewirtschaftet."
Das Theater müsse im übertragenen Sinne "Brandstätte" sein. Dazu werde der Förderverein weiterhin "Kohle beschaffen", sagte Konrad, überreichte einen Scheck über 100.000 Euro und kündigte eine neue Spendenaktion an, die zur Eröffnung des Großen Hauses vollendet sein soll: "Schenkt dem Theater ne Million!"
Zum Schluss die beiden Chefs des Hauses. Geschäftsführender Direktor Dirk Terwey berichtete von "so manchem Monat, der spaßfrei war", und fasste Dank und Anerkennung für Engagement und Akribie des Bauteams in einem Bild zusammen: Er habe dieser Tage Sven Franke angetroffen, wie dieser mit einem in Olivenöl getränkten Schwämmchen eigenhändig Verschmutzungen im neuen Parkett beseitigte.
Intendant Markus Trabusch listete all die Erwartungen auf, die heute an ein Theater gestellt werden, von der Öffnung in die Gesellschaft bis zur Klimaneutralität. "Das alles gerne, aber Kunst entsteht damit nicht." Kunst sei ein fragiles Wesen, das nur in Freiheit gedeihe. Auch er fasste sein Anliegen in einem - musikalischen - Bild zusammen: Zuletzt erklang der Variationssatz aus Haydns "Kaiserquartett", das der deutschen Nationalhymne die Melodie lieferte. In diesen Variationen befreie sich das berühmte Thema von jeglicher Vereinnahmung durch Macht und Politik, so Trabusch.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Beitrags war die Beschreibung des Treppenaufgangs missverständlich formuliert. Wir haben die Passage entsprechend angepasst.
https://www.mainfrankentheater.de/blog/mainfranken-theater-auf-dem-weg-zum-staatstheater/