Wie viele zusätzliche Fahrgäste das 9-Euro-Ticket bringen wird, weiß Alexander Schraml nicht. Der Vorstand des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg (KU), das für den Nahverkehr im Landkreis (APG) zuständig ist, erwartet, dass es Kunden wieder bringt, die durch Corona verloren gegangen sind. Von über zehn Millionen vor Corona ist die Zahl an Fahrgästen im vergangenen Jahr auf 7,5 Millionen zurück gegangen. "Einige Menschen werden mit dem 9-Euro-Ticket auch zum ersten Mal den ÖPNV ausprobieren", vermutet Schraml. Was wird diesen potentiellen neuen Kunden geboten? Wie gut ist das Angebot im Landkreis und was sind seine Schwächen?
Wie gut ist das ÖPNV-Angebot im Landkreis Würzburg?
"Das ÖPNV-Angebot im Landkreis Würzburg ist deutlich besser als sein Ruf", sagt Gerhardt Probst, dessen Büro Probst&Consorten die ÖPNV-Branche im deutschsprachigen Raum berät und auch für den Verkehrsverbund Mainfranken Strategien zur Weiterentwicklung erarbeitet hat. Nach einer Erhebung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordung erreichen 94 Prozent aller Haushalte im Landkreis Würzburg in maximal 600 Metern eine gut frequentierte Haltestelle (mit mehr als 20 Abfahren täglich) oder einen Bahnhaltepunkt in 1200 Metern. Bayerndurchschnitt ist 82 Prozent.
Gut ist die Anbindung von stadtnahen Gemeinden. Expresslinien verbinden zum Beispiel Estenfeld und Kürnach im 30-Minuten-Takt mit Würzburg oder führen als Querverbindung von dort direkt zu Würzburgs größten Arbeitgeber, der Uniklinik. Auch von Orten mit Bahnverbindungen, wie zum Beispiel Thüngersheim, Bergtheim oder Gaubüttelbrunn, kommt man gut und schnell nach Würzburg. In weiter von Würzburg entfernenten Ortschaften, gerade im südlichen Landkreis, fahren Busse - außer zu Schulzeiten - seltener.
Warum ist das Angebot im Landkreis nicht überall gleich gut?
"Wir können nicht jeden unserer 110 Ortsteile im Landkreis so gut und häufig bedienen, wie stadtnahe Gemeinden wie Höchberg oder große wie Kürnach angebunden sind," erklärt Schraml. "Sonst würden nämlich ziemlich viele leere Busse die Straßen verstopfen." So sei zum Beispiel im dünn besiedelten, südlichen Landkreis die Nachfrage zu gering, um eine Angebotsausweitung sinnvoll zu machen.
Welche Lösungen gibt es?
Im südlichen und westlichen Landkreis gibt es Rufbusse. Dafür müssen sich Fahrgäste beispielsweise in Kleinrinderfeld, Moos, Giebelstadt oder Reichenberg 60 Minuten vor der planmäßigen Abfahrt bei einer Taxizentrale anmelden und werden dann an der Haltestelle abgeholt. Für das Taxi gilt der gleiche Fahrschein wie für eine Busfahrt.
"Wir arbeiten gerade daran, diesen Service als digitales Angebot auszuweiten", erklärt Schraml. On-Demand-Apps funktionieren ohne Fahrpläne und Linien. Stattdessen bedient ein Pkw oder Kleinbus die günstigste Fahrtroute auf der die aktuellen Nutzer mitgenommen werden. Ein Algorithmus kombiniert dabei die Fahrtwünsche der Kunden und diese werden über die App über den Fahrpreis und Abholzeit informiert.
Ist der ÖPNV zu teuer?
Ein Ziel des Verkehrsverbundes Mainfranken ist, die Tarife möglichst günstig zu halten. Doch im Landkreis Würzburg sind die Unterschiede groß - und die Berechnung unübersichtlich. So kostet zum Beispiel die Einzelfahrt aus stadtnahen Gemeinden wie Estenfeld, Margetshöchheim, Randersacker, Reichenberg, Rottendorf, Veitshöchheim, Waldbüttelbrunn und Zell nach Würzburg 2,60 Euro. Die Einzelfahrt nach Bieberehren kostet sieben Euro.
"Die Fahrt nach Bieberehren ist aber auch 45 Kilometer weit und dauert eine Stunde", erklärt Schraml den höheren Preis mit den Kosten für Personal und Benzin, die mit der Entfernung nach Würzburg zunehmen. Genauso wie Miet- oder Grundstückspreise damit günstiger werden.
Was wurde verbessert?
Einen "deutlichen Angebotsausbau" bescheinigt ÖPNV-Experte Probst dem Landkreis Würzburg. Das sind zum einen Expressbusse, neue Tangentiallinien und Taktverdichtungen. 2018 haben die Busse im Landkreis 4,6 Millionen Kilometer zurück gelegt, 2022 sind es knapp fünf Millionen Kilometer.
Aber auch mit besonderen Angebote ist der ÖPNV im Landkreis anderen voraus: Das sind zum Beispiel Senioren- oder Firmenabo, mit dem Arbeitnehmer 20 Prozent Fahrtkosten sparen, das 165-Euro-Ausbildungsticket oder nächtliche Taxifahrten, für die Monats- und Jahreskarteninhaber im ganzen Landkreis Vergünstigungen bekommen. Auch die Ausstattung der Busse wurde besser: "Alle haben WLan und Klimaanlage", sagt Schraml.
Diese Verbesserungen sowie steigende Kosten und eine rückläufige Förderung durch den Freistaat machen den ÖPNV teurer: Während der Landkreis vor fünf Jahren rund 1,2 Millionen Euro in ihn investierte, sind es in diesem Jahr knapp fünf Millionen Euro.
Wie könnte der ÖPNV besser werden?
Vor zwei Jahren wurde die Nahverkehr Mainfranken GmbH gegründet, um den ÖPNV der sieben Landkreise und zwei kreisfreien Städte der Region Mainfranken zu vernetzen. Ab August 2022 sollte man mit einem Ticket vom Spessart in die Rhön fahren - in akzeptabler Zeit und zu einem bezahlbaren Preis, den man ohne Probleme selbst ermitteln kann. Gelungen ist das bislang nicht. Was auch noch fehlt: Nicht einmal ein Drittel aller Bushaltestellen im Landkreis ist barrierefrei.
ÖPNV-Experte Probst findet, dass die Busse attraktiver und komfortabler werden müssten. Solche "Premienbuslinien" bräuchten auch eigene Spuren, um am Stau vorbei zu fahren und müssten mit sicheren Anschlussverbindungen vernetzt sein. Unpünktlichkeit und lange Wartezeiten auf einen Anschluss sind häufige Kritikpunkte von ÖPNV-Kunden.
Bessere Anbindung vermisst auch Thomas Naumann, Nahverkehrsexpterte von Agenda 21 im Landkreis Würzburg. "Mobilitätsangebote müssen vernetzt werden, damit sie funktionieren," sagt Naumann. Ein Beispiel wäre die Einführung eines Ringbusses in Veitshöchheim, der Wohngebiete des Ortes mit dem Bahnhof verbindet. "Denn von diesem ist man in sieben Minuten mit dem Zug am Würzburger Hauptbahnhof." Ähnliche Anbindungen fehlten von Ortsteilen anderer Gemeinden mit Bahnanschluss. Auch Parkplätze gäbe es an Bahnhöfen zu wenige.
Park & Ride-Plätze machen für Schraml möglichst weit von der Stadt Sinn. "Entweder direkt an Autobahnabfahrten, von wo aus Pendler im Schnellbus in die Stadt kommen oder an Bahnhöfen."
Informationen über das ÖPNV-Angebot im Landkreis Würzburg gibt es unter der Telefonnummer 0931 452800 im Internet unter www.apg-info.de oder im APG-Kundenzentrum in der Juliuspromenade 40-44. Dort werden Kunden beraten und können Fahrkarten kaufen. Das 9-Euro-Ticket kann man dort oder auch in Bussen und an Fahrkartenautomaten kaufen.
Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, muss der ÖPNV an allen (!) Stellen erheblich besser werden. Ich hoffe diejenigen, deren Parteifreunde in der Stadt im Zuge der Talavera-Debatte nun plötzlich besseren ÖPNV im Landkreis fordern, ziehen dann auch mit.
Zudem ist das Wabensystem und die Zusammenarbeit Stadt und Landkreis gelinde gesagt eine Katastrophe.