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Landkreis Würzburg
Mit dem 9-Euro-Ticket im Landkreis Würzburg den ÖPNV ausprobieren: Wie gut ist das Angebot?
Wo ist der öffentliche Nahverkehr im Landkreis Würzburg gut ausgebaut und wo liegen die Schwachstellen? Das sagen Betreiber, Nahverkehrsexperten und Kritiker.   
Warten auf den Bus: An einer Haltestelle an der B8 bei Mädelhofen im Landkreis Würzburg. Wird das 9-Euro-Ticket dazu führen, dass in den nächsten Wochen mehr Leute den ÖPNV nutzen? 
Foto: Thomas Obermeier | Warten auf den Bus: An einer Haltestelle an der B8 bei Mädelhofen im Landkreis Würzburg. Wird das 9-Euro-Ticket dazu führen, dass in den nächsten Wochen mehr Leute den ÖPNV nutzen? 
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:37 Uhr

Wie viele zusätzliche Fahrgäste das 9-Euro-Ticket bringen wird, weiß Alexander Schraml nicht. Der  Vorstand des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg (KU), das für den Nahverkehr im Landkreis (APG) zuständig ist, erwartet, dass es Kunden wieder bringt, die durch Corona verloren gegangen sind. Von über zehn Millionen vor Corona ist die Zahl an Fahrgästen im vergangenen Jahr auf 7,5  Millionen zurück gegangen. "Einige Menschen werden mit dem 9-Euro-Ticket auch zum ersten Mal den ÖPNV ausprobieren", vermutet Schraml. Was wird diesen potentiellen neuen Kunden geboten? Wie gut ist das Angebot im Landkreis und was sind seine Schwächen?

Wie gut ist das ÖPNV-Angebot im Landkreis Würzburg?

"Das ÖPNV-Angebot im Landkreis Würzburg ist deutlich besser als sein Ruf", sagt Gerhardt Probst, dessen Büro Probst&Consorten die ÖPNV-Branche im deutschsprachigen Raum berät und auch für den Verkehrsverbund Mainfranken Strategien zur Weiterentwicklung erarbeitet hat.  Nach einer Erhebung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordung erreichen 94 Prozent aller Haushalte im Landkreis Würzburg in maximal 600 Metern eine gut frequentierte Haltestelle (mit mehr als 20 Abfahren täglich) oder einen Bahnhaltepunkt in 1200 Metern. Bayerndurchschnitt ist 82 Prozent. 

"Das ÖPNV-Angebot im Landkreis Würzburg ist deutlich besser als sein Ruf."
Gerhard Probst, ÖPNV-Experte aus Dresden

Gut ist die Anbindung von stadtnahen Gemeinden. Expresslinien verbinden zum Beispiel Estenfeld und Kürnach im 30-Minuten-Takt mit Würzburg oder führen als Querverbindung von dort direkt zu Würzburgs größten Arbeitgeber, der Uniklinik. Auch von Orten mit Bahnverbindungen, wie zum Beispiel Thüngersheim, Bergtheim oder Gaubüttelbrunn, kommt man gut und schnell nach Würzburg. In weiter von Würzburg entfernenten Ortschaften, gerade im südlichen Landkreis, fahren Busse - außer zu Schulzeiten - seltener.  

Warum ist das Angebot im Landkreis nicht überall gleich gut?

"Wir können nicht jeden unserer 110 Ortsteile im Landkreis so gut und häufig bedienen, wie stadtnahe Gemeinden wie Höchberg oder große wie Kürnach angebunden sind," erklärt Schraml. "Sonst würden nämlich ziemlich viele leere Busse die Straßen verstopfen." So sei zum Beispiel im dünn besiedelten, südlichen Landkreis die Nachfrage zu gering, um eine Angebotsausweitung sinnvoll zu machen.   

Welche Lösungen gibt es? 

Im südlichen und westlichen Landkreis gibt es Rufbusse. Dafür müssen sich Fahrgäste beispielsweise in Kleinrinderfeld, Moos, Giebelstadt oder Reichenberg 60 Minuten vor der planmäßigen Abfahrt bei einer Taxizentrale anmelden und werden dann an der Haltestelle abgeholt. Für das Taxi gilt der gleiche Fahrschein wie für eine Busfahrt.

"Wir arbeiten gerade daran, diesen Service als digitales Angebot auszuweiten", erklärt Schraml. On-Demand-Apps funktionieren ohne Fahrpläne und Linien. Stattdessen bedient ein Pkw oder Kleinbus die günstigste Fahrtroute auf der die aktuellen Nutzer mitgenommen werden. Ein Algorithmus kombiniert dabei die  Fahrtwünsche der Kunden und diese werden über die App über den Fahrpreis und Abholzeit informiert. 

Am Busbahnhof in Würzburg startet ein Bus in den Landkreis Würzburg. 
Foto: Johannes Kiefer | Am Busbahnhof in Würzburg startet ein Bus in den Landkreis Würzburg. 

Ist der ÖPNV zu teuer? 

Ein Ziel des Verkehrsverbundes Mainfranken ist, die Tarife möglichst günstig zu halten. Doch im Landkreis Würzburg sind die Unterschiede groß - und die Berechnung unübersichtlich. So kostet zum Beispiel die Einzelfahrt aus stadtnahen Gemeinden wie Estenfeld, Margetshöchheim, Randersacker, Reichenberg, Rottendorf, Veitshöchheim, Waldbüttelbrunn und Zell nach Würzburg 2,60 Euro. Die Einzelfahrt nach Bieberehren kostet sieben Euro.

"Die Fahrt nach Bieberehren ist aber auch 45 Kilometer weit und dauert eine Stunde", erklärt Schraml den höheren Preis mit den Kosten für Personal und Benzin, die mit der Entfernung nach Würzburg zunehmen. Genauso wie Miet- oder Grundstückspreise damit günstiger werden.

Was wurde verbessert?

Einen "deutlichen Angebotsausbau" bescheinigt ÖPNV-Experte Probst dem Landkreis Würzburg. Das sind zum einen Expressbusse, neue Tangentiallinien und Taktverdichtungen. 2018 haben die Busse im Landkreis 4,6 Millionen Kilometer zurück gelegt, 2022 sind es knapp fünf Millionen Kilometer.

Aber auch mit besonderen Angebote ist der ÖPNV im Landkreis anderen voraus: Das sind zum Beispiel Senioren- oder Firmenabo, mit dem Arbeitnehmer 20 Prozent Fahrtkosten sparen, das 165-Euro-Ausbildungsticket oder nächtliche Taxifahrten, für die Monats- und Jahreskarteninhaber im ganzen Landkreis Vergünstigungen bekommen. Auch die Ausstattung der Busse wurde besser: "Alle haben WLan und Klimaanlage", sagt Schraml.

Diese Verbesserungen sowie steigende Kosten und eine rückläufige Förderung durch den Freistaat machen den ÖPNV teurer:  Während der Landkreis vor fünf Jahren rund 1,2 Millionen Euro in ihn investierte, sind es in diesem Jahr knapp fünf Millionen Euro. 

Wie könnte der ÖPNV besser werden?

Vor zwei Jahren wurde die Nahverkehr Mainfranken GmbH gegründet, um den ÖPNV der sieben Landkreise und zwei kreisfreien Städte der Region Mainfranken zu vernetzen. Ab August 2022 sollte man mit einem Ticket vom Spessart in die Rhön fahren - in akzeptabler Zeit und zu einem bezahlbaren Preis, den man ohne Probleme selbst ermitteln kann. Gelungen ist das bislang nicht. Was auch noch fehlt: Nicht einmal ein Drittel aller Bushaltestellen im Landkreis ist barrierefrei.

"Mobilitätsangebote müssen vernetzt werden, damit sie funktionieren."
Thomas Naumann, Nahverkehrsexpterte und Agenda-21-Sprecher in Würzburg

ÖPNV-Experte Probst findet, dass die Busse attraktiver und komfortabler werden müssten. Solche "Premienbuslinien" bräuchten auch eigene Spuren, um am Stau vorbei zu fahren und müssten mit sicheren Anschlussverbindungen vernetzt sein. Unpünktlichkeit und lange Wartezeiten auf einen Anschluss sind häufige Kritikpunkte von ÖPNV-Kunden.  

Bessere Anbindung vermisst auch Thomas Naumann, Nahverkehrsexpterte von Agenda 21 im Landkreis Würzburg. "Mobilitätsangebote müssen vernetzt werden, damit sie funktionieren," sagt Naumann. Ein Beispiel wäre die Einführung eines Ringbusses in Veitshöchheim, der Wohngebiete des Ortes mit dem Bahnhof verbindet. "Denn von diesem ist man in sieben Minuten mit dem Zug am Würzburger Hauptbahnhof."  Ähnliche Anbindungen fehlten von Ortsteilen anderer Gemeinden mit Bahnanschluss. Auch Parkplätze gäbe es an Bahnhöfen zu wenige.  

Park & Ride-Plätze machen für Schraml möglichst weit von der Stadt Sinn. "Entweder direkt an Autobahnabfahrten, von wo aus Pendler im Schnellbus in die Stadt kommen oder an Bahnhöfen." 

Informationen über das ÖPNV-Angebot im Landkreis Würzburg gibt es unter der Telefonnummer 0931 452800 im Internet unter  www.apg-info.de oder im APG-Kundenzentrum in der Juliuspromenade 40-44. Dort werden Kunden beraten und können Fahrkarten kaufen. Das 9-Euro-Ticket kann man dort oder auch in Bussen und an Fahrkartenautomaten kaufen.

 
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Kommentare
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  • Arcus
    Wir brauchen einen halb Stunden Takt 7/24 (in Randzeiten ach mit Rufbussen) und ein 365 Ticket das bundesweit gilt.
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  • hansenwb
    Der ÖPNV im Landkreis ist an vielen Stellen sinnvoll nutzbar, an einigen anderen allerdings leider gar nicht. Und der Tarifdschungel und die mangelnde Abstimmung auf die Bahn und die Verkehre in der Stadt sind auch nicht gerade preisverdächtig.

    Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, muss der ÖPNV an allen (!) Stellen erheblich besser werden. Ich hoffe diejenigen, deren Parteifreunde in der Stadt im Zuge der Talavera-Debatte nun plötzlich besseren ÖPNV im Landkreis fordern, ziehen dann auch mit.
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  • desault
    "Große Gemeinden wie Kürnach sind besser angebunden"!!! War der Landrat nicht Bürgermeister in Kürnach und H. Schraml Gemeinderat in Kürnach? Nachtigall ich hör dir trapsen.
    Zudem ist das Wabensystem und die Zusammenarbeit Stadt und Landkreis gelinde gesagt eine Katastrophe.
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  • aljoscha.labeille@vcd-bayern.de
    und noch eine Ergänzung: Was im Landkreis extrem vom ÖPNV abschreckt ist gar nicht unbedingt der Preis, sondern die viel zu komplizierten Tarife. "Dank" dem Wabentarif darf man nämlich immer nur eine bestimmte Strecke von A nach B und auch nur auf dem gleichen Weg fahren. Wer auch mal nach C muss oder über einen anderen Weg von A nach B, hat Pech gehabt. Was wir brauchen: Einfach und günstige Tickets, die im ganzen Verbund gelten (wie es sie für Studenten und Schüler mit dem Semesterticket und 365-Euro-Ticket längst gibt). Und nochwas: Dass Herr Schraml behauptet, wenn wir mehr Busse fahren ließen, wären "die Straßen verstopft" ist ein dermaßener Unsinn, da fällt mir echt nichts mehr zu ein außer vielleicht dass der Landkreis in Zukunft darauf achten sollte, kompetente Personen mit dem Nahverkehr zu betrauen.
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  • stahl01@t-online.de
    Ich hatte mich schon gewundert über mehr Taxis - aber jetzt erklärt es sich.
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  • hausgarten
    Ein Eigenlob über den ÖPNV von Herrn Schraml. Der öffentliche Personennahverkehr im südl. Landkreis Würzburg ist nicht nur sehr zeitaufwendig für die Fahrtzeit, da der Bus ja nicht auf direktem Wege über die B 19 in die Stadt Würzburg fährt sondern zahlreiche Umwege. Weiterhin ist die Fahrt mit dem Bus für ältere Leute sehr bechwerlich und umständlich, insbesondere unter dem Aspekt, dass diese an der Sporthalle in der Sanderau noch auf die Straßenbahn umsteigen müssen. Auch jetzt im Zeichen des 9,00 Euro Tickets für 30 Tage wird man mit diesen Beschwernissen keine neuen Fahrgäste für den öffentlichen Nahverkehr auf dem flachen Land werben können.
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  • aljoscha.labeille@vcd-bayern.de
    Da werden aber ordentlich Erfolge gepriesen, die man gar nicht hat: von den knapp 60.000 werktäglichen Einpendlern aus dem Umland nach Würzburg fahren über 90% mit dem PKW und bestenfalls 6, 7% mit dem ÖPNV. Das ist ziemlich katastrophal.... Und der Vorschlag, P+R-Plätze an Autobahnausfahrten anzulegen geht völlig daneben - damit der "Schnellbus" dann auf dem Weg nach Würzburg mit der Autolawine im gleichen Stau steht? P+R muss an die Bahnstationen, von denen man in wenigen Minuten am Stau vorbei mitten in die Stadt kommt! DANN werden die Leute zu einem ordentlichen Anteil umsteigen und ihren Karren daheim oder auf dem P+R-Platz stehen lassen, so wie das anderswo seit Jahrzehnten schon ist. Schraml singt da leider das alte Lied, das den eigentlich sehr guten, aber wegen mangelnder Koordination viel zu wenig genutzten Bahnverkehr ignoriert. Der Landkreis sollte sich endlich der Realität stellen, die da heisst: gemessen am Erfolg haben wir noch verdammt viel Arbeit vor uns...
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