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Würzburg
Messerangriff von Würzburg: Vernehmung des Täters gestaltet sich schwierig
Schon im Januar sollte ein Gutachten den psychischen Zustand des 24-jährigen Somaliers hinterfragen. Recherchen der Redaktion zeigen, warum es nie angefertigt wurde.
Am Würzburger Barbarossaplatz erinnern Kerzen und Blumen an die Opfer.
Foto: Silvia Gralla | Am Würzburger Barbarossaplatz erinnern Kerzen und Blumen an die Opfer.
Andreas Jungbauer
,  Benjamin Stahl
 und  Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:37 Uhr

Der 24-jährige Somalier, der am 25. Juni in Würzburg drei Frauen mit einem Messer getötet und mehrere Menschen teils schwer verletzt hat, ist bisher noch nicht ausführlich von den Ermittlern vernommen worden. "Wir sind immer noch bemüht, mit ihm zu sprechen", sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) am Dienstag in München. Die bisherigen Versuche seien nicht erfolgreich gewesen. Die Gründe dafür wollte der Sprecher nicht nennen. Ziel sei eine offizielle Vernehmung möglichst mit einem Richter, die auch vor Gericht verwertet werden könne.

Aus Sicht des Pflichtverteidigers, Anwalt Hanjo Schrepfer, ist der 24-Jährige derzeit nicht vernehmungsfähig. Eine umfassende Kommunikation sei mit seinem Mandanten noch nicht möglich, er sei weiter psychisch auffällig, sagte Schrepfer.

Auch zwei Handys, die bei einer Durchsuchung der Unterkunft des Täters sichergestellt worden waren, sind noch nicht abschließend ausgewertet: "Wir versuchen, alle Spuren abzuarbeiten", sagte der LKA-Sprecher am Dienstag.

Täter war nicht als strenggläubiger Muslim bekannt

Die Ermittler halten es für naheliegend, dass der Tat ein islamistisches Motiv zugrunde liegt. Dafür sprechen Zeugenaussagen, wonach der 24-Jährige während seiner Tat "Allahu akbar" ("Gott ist groß") ausgerufen haben soll. Nach seiner Festnahme soll er von seinem Beitrag zum "Dschihad", was unter anderem mit "Heiliger Krieg" übersetzt werden kann, gesprochen haben.

Ahmet Bastürk, Sprecher der Moscheegemeinden, am Rednerpult beim Gedenkgottesdienst nach der Messerattacke im Würzburger Dom.
Foto: Silvia Gralla | Ahmet Bastürk, Sprecher der Moscheegemeinden, am Rednerpult beim Gedenkgottesdienst nach der Messerattacke im Würzburger Dom.

Belege dafür, dass der Täter Islamist ist, wurden bislang allerdings nicht bekannt. In Würzburger Moscheen war der Somalier jedenfalls nicht als praktizierender Muslim bekannt. "Er hat nirgendwo an Freitagsgebeten teilgenommen", sagt Ahmet Bastürk, Sprecher der fünf Würzburger Moscheengemeinden. In den Räumen der Islamische Gemeinde Milli Görüs (IMG) im Stadtteil Zellerau sei der Somalier zwar einige Male aufgetaucht. Aber nicht, um dort zu beten. "Er hat an gemeinsamen Essen teilgenommen, die seine Landsleute dort veranstaltet haben."

"Er hat nie gebetet, hat nie einen Ramadan gemacht."
Ein Mitbewohner über den Täter

Außerdem habe sich der Mann nicht an religiöse Vorgaben gehalten, die für gläubige Muslime gelten, sondern zum Beispiel Alkohol und Drogen konsumiert. Laut Bastürk hatte der Messerangreifer vor seiner Tat mehrmals muslimische Frauen belästigt. "Auch solche, die Kopftuch getragen haben." Somalierinnen hätten ihm erzählt, dass sie deswegen sogar die Polizei verständigt hätten.

Warten auf Akten und eine Einwilligung des Somaliers

Auch an seinem früheren Aufenthaltsort in Sachsen ist der Somalier nach Recherchen dieser Redaktion nicht als gläubiger Muslim in Erscheinung getreten. "Er hat nie gebetet, hat nie einen Ramadan gemacht", sagt ein früherer Mitbewohner.

Unterdessen kann auch eine psychische Störung als Hintergrund der Tat nicht ausgeschlossen werden. Fünfmal war der Täter in einer Psychiatrie, fünfmal kam er wieder auf freien Fuß. So auch Mitte Januar 2021, nachdem er bei einem Streit in der Obdachlosenunterkunft, in der er lebte, Personen mit einem Messer bedroht hatte. Ein Ermittlungsverfahren wurde dazu eingeleitet, ein psychiatrisches Gutachten sollte die Schuldfähigkeit des 24-Jährigen klären.

Die Frage, warum dieses Gutachten bis heute nicht vorliegt, war bis zuletzt offen. Nun erklärte die Staatsanwaltschaft Würzburg auf Anfrage, sie habe das Gutachten erst am 31. Mai in Auftrag gegeben – da erst zu diesem Zeitpunkt alle Akten vorlagen. Wie der Sprecher der Behörde Thorsten Seebach auf Nachfrage erklärt, hatten die Verfahrensakten am 18. Februar vorgelegen. Daraufhin sei die Betreuungsakte des Somaliers angefordert worden, "um einem später zu beauftragenden forensisch-psychiatrischen Sachverständigen die erforderlichen Anknüpfungstatsachen für sein Gutachten zur Verfügung stellen zu können".

Diese Betreuungsakte wiederum lag der Staatsanwaltschaft am 25. März vor. Nach deren Sichtung sei wiederum die Polizei mit "Nachermittlungen zur Dauer des Aufenthalts des Beschuldigten" im Zentrum für seelische Gesundheit im Januar "und mit der Beschaffung ärztlicher Zeugnisse über diesen Aufenthalt beauftragt" worden. Dafür sei jedoch eine Einwilligung des Somaliers "zur Herausgabe der ärztlichen Unterlagen" notwendig gewesen.

Keine Einweisung oder Haft vor der Tat möglich

Das gestaltete sich jedoch schwierig: "Eine entsprechende – wie üblich zunächst schriftliche – Anfrage an den Beschuldigten blieb unbeantwortet", so Seebach weiter. Auch für das zuständige Betreuungsgericht sei der 24-Jährige "nicht erreichbar" gewesen. Daraufhin habe die Polizei die ladungsfähige Anschrift des Somaliers überprüft und festgestellt, dass der Mann "unverändert in der Obdachlosenunterkunft wohnhaft war".

Als diese Information eingegangen sei, habe die Staatsanwaltschaft das Gutachten beauftragt. Eine Sachverständige hat Medienberichten zufolge zwar einen Termin mit dem Somalier vereinbart. Zu einer psychiatrischen Untersuchung ist es vor der Bluttat nicht mehr gekommen. Seebach betont aber auch: "Die Taten im Januar 2021 waren zu keinem Zeitpunkt geeignet, einen Haftbefehl oder Unterbringungsbefehl zu begründen."

Nun ist erneut ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Pflichtverteidiger Schrepfer bestätigte, derzeit liefen dazu Untersuchungen, sein Mandant werde begutachtet.

 
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