Drei junge Frauen, schwarz gekleidet, stehen am Freitagnachmittag in der Würzburger Schönbornstraße. Nachdenklich - und tief bewegt. Alle drei halten ein Plakat mit der Aufschrift "Würzburg trauert" in der Hand. Die Frauen sind Teil der eindrucksvollen Menschenkette, die sich genau eine Woche nach dem Messerangriff am Barbarossaplatz zusammenfindet, um gemeinsam und still der Opfer zu gedenken.
Saskia Werner und Shana Manus hatten am 25. Juni alles gesehen und miterlebt, weil sie unweit des Tatorts wohnen. In einem Kaufhaus am Barbarossaplatz hatte ein 24-jähriger Mann aus Somalia drei Frauen mit dem Messer getötet und in der Fußgängerzone weitere sieben Menschen verletzt, fünf davon schwer. "Wir verhalten uns seitdem vorsichtiger und fragen uns, ob die schreckliche Tat zu verhindern gewesen wäre", sagt Saskia Werner.
Unterschiedliche Nationen und Religionen trauern gemeinsam
Eine Woche nach der Tat stehen rund 600 Menschen aus unterschiedlichen Nationen und verschiedenen Glaubensgemeinschaften friedlich und schweigend in der Kette, die sich vom Barbarossaplatz aus durch die Innenstadt bis zum Rathaus zieht. Viele von ihnen haben Blumen mitgebracht: Sonnenblumen, Rosen, Nelken. Einzelne halten Kerzen in der Hand, überall sind schwarzumrandete Schilder zu sehen: "Würzburg trauert" oder "Würzburg hält zusammen" ist darauf in verschiedenen Sprachen zu lesen. Das Würzburger Bündnis für Demokratie und Zivilcourage e. V. hat das gemeinsame Trauern in der Innenstadt organisiert.
Vielen ist es an diesem Freitag wichtig, in der Innenstadt die Trauer öffentlich zu zeigen. Dort, wo es passiert ist, mitten im Würzburger Leben. "Dass man sich trifft, um zu schweigen, ohne große Reden zu schwingen", das ist es, was Simone Eckenroth berührt. Sie steht an der Juliuspromenade und ist sich bewusst: "Es hätte jeden von uns treffen können." Jonas Lindner nimmt an der Menschenkette teil, um sein Mitgefühl für die Familien der Opfer auszudrücken und gleichzeitig ein Zeichen zu setzen, dass solche Gewalttaten nicht von rechten Gruppen instrumentalisiert werden dürften.
Glockengeläut berührt die Menschen
An der Hauswand des Juliusspitals stehen neun muslimische Frauen von der Ahmadiyya-Gemeinde. Sie sind gekommen, um zu zeigen, dass sie mitfühlen. Ein paar hundert Meter weiter haben sich Mitglieder der jüdischen Gemeinde zusammengefunden. "Als Bürgerinnen und Bürger der Stadt Würzburg leiden wir alle zusammen", sagt Svetlana Goldmann.
Zufällig in der Stadt ist Christine Unger. Sie hat lange in Würzburg gelebt und ist jetzt in Bad Reichenhall zuhause. Es ist ihr ein Bedürfnis, sich spontan einzureihen. Auch, weil sie noch immer sehr aufgewühlt ist und nicht begreifen kann, was am Nachmittag des 25. Juni in Würzburg geschehen ist.
Ganz still und nachdenklich werden die Menschen in der lange Kette um 17 Uhr. Die Glocken des Kiliansdoms und der Augustinerkirche beginnen zu läuten. Ihr Klang berührt die Seele - denn vor einer Woche um diese Zeit hat sich die furchtbare Tat ereignet. Bischof Franz Jung reiht sich vor dem Dom nun in eine Gruppe von Ordensschwestern ein.
Polizei: Menschenkette verlief ohne Störungen
An einigen Stellen ist die Menschenkette unübersichtlich geworden. "Das ist schade", sagt Renate Vieth-Laßmann. Sie hätte sich gewünscht, dass die Menschen zentraler und auffälliger in der Mitte der Straße stehen. "Mit der Stadt ist vereinbart worden, dass die Menschen entlang des Weges stehen, damit die Straßenbahn fahren kann", sagt Hochschulpfarrer Burkhard Hose, einer der Sprecher des Bündnisses für Zivilcourage.
Aber, sagt Hose: "Die Menschenkette ist ein beeindruckendes Zeichen." Dass die Stadtgesellschaft so schnell auf den Aufruf reagiert habe, bewege ihn besonders. Und, dass viele verschiedene Organisationen sich beteiligten. Angefangen von den Maltesern über Ordensfrauen bis hin zu Gewerkschaften und Politikern. Begleitet wird die Menschenkette von Ordnern des Bündnisses und vielen Polizisten. Sie haben besondere Acht darauf, dass die Corona-Regeln eingehalten werden. Am Ende, nach gut einer Stunde, zeigt sich Polizeisprecher Michael Zimmer zufrieden, dass alles ohne Störungen verlaufen ist.
Kurz nach 17.30 Uhr gehen die Menschen in Würzburg wieder ihres Weges. Ihre Blumen bleiben am Straßenrand liegen - und auch die Trauer bleibt.