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Würzburg
Messerattacke in Würzburg: Täter war bereits fünf Mal in der Psychiatrie
Recherchen dieser Redaktion zeigen: Der somalische Täter nahm über Jahre harte Drogen wie Crystal Meth und hatte wahnhafte Störungen. Womit er in Würzburg behandelt wurde.
Insgesamt fünf Mal schon wurde der somalische Täter in Deutschland psychiatrisch behandelt - vier Mal davon in Würzburg im Zentrum für Seelische Gesundheit am  König-Ludwig-Haus.
Foto: Christoph Weiss | Insgesamt fünf Mal schon wurde der somalische Täter in Deutschland psychiatrisch behandelt - vier Mal davon in Würzburg im Zentrum für Seelische Gesundheit am König-Ludwig-Haus.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:32 Uhr

Der Täter, der am 25. Juni in Würzburg  drei Menschen getötet und sieben Menschen verletzt hat, war weitaus häufiger Patient in der Psychiatrie als bislang bekannt. Fünf Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland sind bislang dokumentiert und nicht, wie bislang kommuniziert, zwei. Das geht aus den Arztbriefen des 24-jährigen Somaliers hervor. Professor Dominikus Bönsch, der das psychiatrische Bezirkskrankenhaus Lohr und das Zentrum für Seelische Gesundheit in Würzburg leitet, bestätigt dies. Recherchen dieser Redaktion zufolge diagnostizierten behandelnde Ärzte bei dem Mann über Jahre hinweg "drogeninduzierte Psychosen" und "wahnhafte Störungen". Als gesichert gilt, dass er  regelmäßig und häufig Drogen nahm.

Erste psychiatrische Behandlung 2019 in Chemnitz – dann vier Mal in Würzburg

Was bislang nicht bekannt war: Ärztlichen Unterlagen zufolge begannen die psychiatrischen Episoden in Chemnitz, wo der Asylbewerber nach seiner Einreise nach Deutschland 2015 zunächst lebte. Im Jahr 2019 ist eine erste stationäre Behandlung in der sächsischen Stadt für 13 Tage belegt.

Genauer dokumentiert ist die darauffolgende zweite psychiatrische Behandlung des Somaliers noch im selben Jahr – und zwar vom 13. bis 27. September 2019. Diese Behandlung erfolgte bereits in Würzburg, im erst 2017 eröffneten Zentrum für Seelische Gesundheit am König-Ludwig-Haus. Das Zentrum soll mit seinen 60 vollstationären Betten und 24 Tagesklinikplätzen die beiden Psychiatrien des Bezirks in Lohr (Lkr. Main-Spessart) und Werneck (Lkr. Schweinfurt) entlasten. Dabei hat das Zentrum die Aufgabe, "Patienten aus dem Raum Würzburg heimatnah zu versorgen". Der Flüchtling war seit dem 4. September 2019 in Würzburg gemeldet.

Im Zentrum für Seelische Gesundheit am König-Ludwig-Haus in Würzburg, das 2017 eröffnet wurde, wurde der Asylbewerber insgesamt vier Mal behandelt. 
Foto: Daniel Peter | Im Zentrum für Seelische Gesundheit am König-Ludwig-Haus in Würzburg, das 2017 eröffnet wurde, wurde der Asylbewerber insgesamt vier Mal behandelt. 

Ärztlichen Dokumenten zufolge wurde der Somalier im Würzburger Zentrum für Seelische Gesundheit danach drei weitere Male dort aufgenommen: von 10. bis 13. Februar 2020 und - wie bereits bekannt - von 13. bis 21. Januar 2021 sowie letztmals von 14. bis 15. Juni 2021. Während die ersten zwei Behandlungen in Würzburg freiwillig erfolgten, wurde der Mann in diesem Jahr Bönsch zufolge in beiden Fällen zwangsweise eingewiesen.

Diagnose im Januar 2021: "Drogeninduzierte psychische Verhaltensstörung" 

Wie wurde in der Würzburger Psychiatrie der Geisteszustand des 24-Jährigen beurteilt? Nach Recherchen dieser Redaktion diagnostizierten die behandelnden Ärzte bei den vier stationären Aufenthalten seit 2019 jeweils "drogeninduzierte Psychosen" sowie "wahnhafte Störungen", wobei sich über die zwei Behandlungsjahre offenbar kaum Veränderungen ergaben.

Als gesichert gilt, dass der Mann sowohl die synthetische Droge Crystal Meth wie das Opioid Heroin nahm. Vor allem konsumierte der Somalier neben Alkohol regelmäßig Cannabis, einen Stoff, der Psychosen auslösen und deutlich verstärken kann. Im Januar 2021 attestierten Würzburger Ärzte den Recherchen dieser Redaktion zufolge eine "drogeninduzierte psychische Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch".

Wieso haben Ärzte einen potentiell gewalttätigen Mann entlassen?

Warum aber haben Würzburger Ärzte einen Mann, von dem sie wussten, dass er drogensüchtig, wahnhaft und potentiell gewaltbereit ist, jeweils wieder nach einigen wenigen Behandlungstagen entlassen? "Unter der Behandlung stellte sich rasch eine deutliche Besserung der Symptomatik ein, so dass nach wenigen Tagen keine Selbst- oder Fremdgefährdung mehr vorhanden war, die eine weitere Behandlung gegen seinen Willen erlaubt oder auch nur sinnvoll gemacht hätte", erklärt Psychiatriechef Bönsch.

Bönsch verweist im Gespräch mit dieser Redaktion außerdem darauf, dass es pro Jahr allein in Unterfranken rund 2400 "Unterbringungen" in der Psychiatrie gebe – zwangsweise Einweisungen von Patienten also, wenn Behörden von Selbst- oder Fremdgefährdung ausgehen. Rund 1500 dieser Unterbringungen finden in Lohr statt, rund 500 in Werneck und 400 in Würzburg. "Wollte man hundertprozentig auf Nummer sicher gehen, müsste man mindestens die Hälfte dieser 2400 Patienten über viele Monate in der Psychiatrie behalten", sagt Bönsch. Dies aber sei nicht leistbar und nicht gesetzeskonform.

Neue Gesetze haben Prinzip der Freiwilligkeit bei psychiatrischer Behandlung gestärkt 

Mehrere Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren im Bund und in Bayern hätten bewirkt, dass es "extrem hohe Hürden" gebe, einen Patienten gegen seinen Willen in der Psychiatrie zu behandeln, sagt der Leiter der Psychiatrie. Mit dem somalischen Patienten hätten die Mitarbeiter der Klinik bei seinem letzten Aufenthalt im Juni 2021 "mehrfach und ausführlich" gesprochen, "um ihn zu einer Fortsetzung der Behandlung zu motivieren", erklärt Bönsch. "Der Patient drängte jedoch auf eine Beendigung der Behandlung. Da in diesem Moment keine Eigen- oder Fremdgefährdung mehr erkennbar war, musste damit auch die Behandlung beendet werden."

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung des Texts wurde ein Medikament erwähnt, dass der Täter verschrieben bekommen haben soll. Die entsprechende Passage haben wir entfernt.

 
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