
Marcel Füller liebt seinen Job. Als Gesundheits- und Krankenpfleger versorgt und pflegt er kranke Menschen. Dass er selbst, eigentlich Stütze im Gesundheitssystem, mit gerade einmal 23 Jahren zum Patienten wird - er hätte es sich in den schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Bis vor zwei Jahren steht Marcel Füller mitten im Leben, hat viele Freunde und viele Träume. Sie zerplatzen mit der Krankheit Long Covid.
Es ist April 2022, kurz nach Ostern, als sich das Leben des Krankenpflegers aus Rödelsee (Lkr. Kitzingen) schlagartig ändert. Nach einer Coronaerkrankung möchte Marcel Füller zum ersten Mal nach der Quarantäne die Wohnung verlassen. Er freut sich auf einen Spaziergang, endlich wieder frische Luft schnappen.
"Ich bin davon ausgegangen, dass ich rausgehe und das Leistungslevel habe wie vor der Diagnose", erzählt Füller. Der Dämpfe kommt schnell: "Schon nach 100 Metern war ich so kaputt, als wäre ich einen Marathon gelaufen." Daheim zurück sei er kaum mehr die Treppe zur Wohnung hochgekommen. Kraft und Luft fehlten: "Ich habe vorher viel Sport gemacht. Ich bin einen Marathon mit dem Mountainbike gefahren und war danach nicht so außer Atem wie bei dieser Treppe."
Er habe das Gefühl gehabt, zu atmen - aber im Körper kommt kein Sauerstoff an. "Ich hatte Angst, zu ersticken", sagt der 25-Jährige im Rückblick. Dass dies erst der Anfang einer langwierigen Krankheit sein wird, die bis heute nicht ausgeheilt ist, ahnt er nicht.
Unzählige Stunden, in denen er ans Bett gefesselt ist, folgen. Oft liegt Füller im abgedunkelten Zimmer, weil jeder Reiz zu viel wäre. Lungenüberblähung, multiple Entzündungen, eine Spastik und Herzprobleme stehen in seinen Arztberichten. Erst nach Monaten gibt der Neurologe mit seiner Diagnose dem jungen Pfleger die Gewissheit: Long Covid.
Freundschaften zerbrechen, auch die Familie wendet sich ab
Marcel Füller erhält Cortison, seine Atmung wird nach und nach wieder besser. Erst dann fällt ihm auf, welche Einschränkungen er hat: "Wenn man die ganze Zeit bei der Atmung ums Überleben kämpft, blendet man andere Symptome aus", sagt der 25-Jährige. Probleme mit der Feinmotorik, Erinnerungslücken und Konzentrationsschwierigkeiten zählen zu seinen Krankheitszeichen. So müssen sich Patienten mit beginnender Demenz fühlen, denkt er sich.

Und dann sind da noch die anderen Folgen, die seelischen. Zukunftsängste plagen den Rödelseer. Sozial sei er an einem Tiefpunkt gewesen, sagt Füller: "Ich habe meinen kompletten Freundeskreis verloren." Freundschaften könnten nur bestehen, wenn man in Kontakt bleibt. Doch zu diesem Zeitpunkt bedeutet jegliche soziale Interaktion für ihn einen enormen Kraftakt.
Auch der Kontakt zur Familie lässt nach. Er habe sich damals nicht verstanden, nicht unterstützt gefühlt: "Sie haben mir zwar nicht unterstellt, dass ich blau machen würde, so wie es meine Arbeitskollegen gemacht haben. Doch sie haben den Ernst der Lage nicht verstanden." In den sozialen Kanälen sei er angefeindet worden, sagt Füller. "Das war echt krass. Die haben mein Leben zeitweise zur Hölle gemacht."
Berufsunfähigkeitsversicherung weigert sich zu bezahlen
Den kompletten Sommer 2022 verbringt der damals 23-Jährige nur in der Wohnung. An Arbeiten ist nicht zu denken, er kämpft mit finanziellen Sorgen. Zwar hat der junge Pfleger bereits mit 18 Jahren eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen, doch sie weigert sich zu bezahlen.
Wie Marcel Füller gehe es vielen Long-Covid-Patienten, erklärt Dr. Alexander Lang, Fachanwalt für Medizinrecht bei der Kanzlei Steinbock aus Würzburg. Er habe laufend Fälle, in denen die Versicherung bei Long Covid-Patienten nicht zahlen wolle, sagt Lang.
Vor allem zu Beginn habe es große Probleme gegeben: "Fachärzte konnten da mit dem Thema noch nichts anfangen. Deshalb wurden keine greifbaren Diagnosen gestellt und den Patienten haben die benötigten fachärztlichen Atteste gefehlt", sagt der Anwalt. Mittlerweile sei dies etwas besser geworden.

In Marcel Füllers Fall habe die Versicherung argumentiert, die Gesundheitsfragen seien bei Vertragsschluss nicht richtig beantwortet worden. Das komme häufiger vor, sagt der Medizinrechtsexperte. "In Situationen, in denen der Mandant eh schon gesundheitlich angeschlagen ist, kann er diesen zusätzlichen Stress natürlich nicht gebrauchen."
Erst 1,5 Jahre nach Beginn der Long Covid-Erkrankung gibt es erste Fortschritte
Erste Verbesserungen merkt Marcel Füller im Herbst 2023, fast anderthalb Jahre nach der Corona-Infektion. Er liegt nicht mehr den ganzen Tag im Bett, nach und nach kann er kurze Spaziergänge machen. Alle Symptome sind zwar noch da, doch sie werden schwächer. Ein Erfolgserlebnis: "Das erste Mal wieder Spülmaschine ausräumen." Er sei zeitweise so bettlägerig gewesen, dass er selbst die kleinsten Aufgaben im Haushalt nicht schaffte.
Heute, Mitte 2024, gehe es ihm besser, sagt Marcel Füller. Arbeiten könne er zwar nach wie vor nicht, doch er wolle bald die Wiedereingliederung beginnen. Wie er in die Zukunft blickt? Hoffnungsvoll. "1,5 Jahre lang hatte ich keine Hoffnung, weil ich keine Erfolge gesehen habe. Jetzt, nachdem es mir mehrere Monate besser geht, bin ich optimistischer."
Der Rödelseer will wieder als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeiten. Long Covid, sagt er, habe ihm nochmal deutlicher gezeigt, wie wichtig sein Job ist. Die Klage, die Anwalt Alexander Lang für ihn entwarf, hatte übrigens Erfolg: In diesem Frühjahr gab Füllers Versicherung nach. Sie zahlt dem 25-Jährigen die Berufsunfähigkeitsrente rückwirkend für zwei Jahre.
Auch Hut ab für die Voraussicht, die er bereits als Achtzehnjähriger durch den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bewiesen hat.
Susanne Orf
Grauenvoll, neben den Beschwerden jetzt in jungen Jahren abseits zu stehen.
Zudem steht man meist vor zuerst vor nachsichtig-überheblich lächelnden Ärzten! Man hätte viel mehr tun müssen, wohl schon damals eine Geldfrage, KVs zahlen nicht alles.
Bei den COVID- Fällen lese ich oft bei ganzheitlich, teils zusätzlich naturheilkundlich behandelnden Ärzten im Netz viele Hinweise/Bedauern, was verpennt wurde. Es gibt wohl auch da Möglichkeiten, die die GKVs nicht zahlen. Wenn der junge Mann nun finanziell etwas Luft hat, kann er sich da vlt. grundinformieren? QS24, Schweizer Gesundheits-TV eine breitgestreute seriöse Quelle. Marcel alles Gute!
ja, Herr Füller ist geimpft.
Viele Grüße aus der Redaktion
Sophia Scheder