
Es gibt im Unterhaltungsgeschäft seit Jahrhunderten eine eiserne Regel: Das beste, was passieren kann, ist ein Skandal. Einen Skandal provoziert man, indem man vorsätzlich und wohlberechnet Grenzen über- oder, besser noch, unterschreitet. Grenzen der Qualität, des Geschmacks, der Toleranz. Wenn es richtig gut läuft, kassiert man sogar ein Verbot. Dann kann man unter dem Banner der Empörung Kunst- und Meinungsfreiheit einfordern und sich anschließend gemütlich in die Opferecke zurückziehen. Ab jetzt prasselt die Gratis-PR nur so herein.
Man kann das gut finden oder nicht, aber so funktioniert das Geschäft nun mal. Man konnte das im vergangenen Jahr sehr schön am Beispiel "Layla" beobachten: Die Stadt Würzburg wollte den Grölsong nicht auf ihrem Kiliani-Volksfest gespielt haben, das ganze Land diskutierte - nicht zuletzt angetrieben durch die Berichterstattung dieser Redaktion - über Sinn oder Unsinn des Verbots, während sich "Layla" für ein paar Wochen auf Platz 1 der deutschen Single-Charts festkrallte. Und Würzburg stand als spaßbefreite Hochburg von Cancel Culture und Political Correctness da.
Man gewinnt den Eindruck: Diese Lieder sind auch eine Art Ventil
Ja, Lieder wie "Layla" oder "Olivia" sind schwer zu ertragen, Reime wie Musik von simpelster Machart, die Texte teilweise widerlich und mitunter tatsächlich sexistisch. Viele Bierzeltbesucher und -besucherinnen machen sich nach eigenem Bekunden nicht allzu viele Gedanken darüber, sie wollen einfach nur feiern. Macht es das besser? Nicht wirklich. Aber wenn wir jedes Mal das Sexismus-Radar anwerfen, wenn irgendwo gefeiert wird, hätten wir viel zu tun.
Vielleicht erfüllen die Lieder ja sogar eine gesellschaftliche Funktion. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass sie eine Art Ventil sind. Gegengewicht zu einem Alltag, der in der Wahrnehmung mancher Menschen immer stärker von Tabus bestimmt ist. Kaum einen Spruch hört man dieser Tage öfter als: "Man darf das ja nicht mehr sagen, aber..." Im Bierzelt hingegen darf all das gegrölt werden, was draußen verpönt ist.
Die Bands, die die Songs dazu liefern, verdienen gut mit dem Konzept. Manchmal kommt ja als Bonus noch ein Skandälchen dazu. Bliebe man bei der Ventil-Theorie, könnte man die Bands als Nachkommen der klassischen Hofnarren bezeichnen: Sie brechen im umgrenzten Raum des Bierzelts straflos und qua Funktion Tabus, das Publikum kehrt anschließend entspannt und befreit in den Alltag mit seinen gefühlt ausufernden Vorgaben und Regeln zurück.
Das Gefühl des "Nix darf man mehr" zelebriert die Würzburger Partyband Würzbuam
Genau dieses "Nix darf man mehr" zelebriert nun die Würzburger Partyband Würzbuam mit einem neuen Song. Der ist vollgestopft mit Anspielungen auf "Donaulied", "Olivia", "Layla" oder "Skandal im Sperrbezirk" ("Draußen vor der großen Stadt / stehn die guten Songs sich die Füße platt"). Aber wer sich bei der Aufforderung "Schieb' den Tala in die Vera" was Schmutziges denkt, ist selbst schuld, denn das Lied heißt ja "Lied ohne Sex".
Es ist vor allem eine tanzbare musikalische Anklage: "Das nächste Verbot kommt in Kürze / in unserer Burg fehlt irgendwie die Würze." Was sich die Würzbuam unter dieser Würze vorstellen würden, kommt auch vor: "Der Sexismus wird verbannt, wird gekreuzigt und verbrannt." Da ist man ja fast schon geneigt, Mitleid mit dem Sexismus zu haben.
Aufregen? Nein, bitte nicht!
Soll man sich darüber jetzt auch noch aufregen? Nein, bitte nicht. Messen wir die Menschen nicht daran, ob sie im Bierzelt mitgrölen, sondern daran, wie sie sich außerhalb des Bierzelts verhalten. Und hören wir auf, über jedes Skandalstöckchen zu springen, das uns die Jetzt-erst-Recht-Fraktion hinhält.
Niemand ist gezwungen, sich den Quatsch anzuhören. Ebenso verzichtbar wie der Quatsch sind allerdings auch moralische Appelle. Sie würden der Jetzt-erst-Recht-Fraktion nur wieder einen Anlass bieten, genüsslich die Was-wird-als-nächstes-verboten-Karte zu spielen.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels wurde das Lied der Würzbuam versehentlich mit dem Titel "Liebe ohne Sex" genannt. Es heißt natürlich "Lied ohne Sex". Die Stelle wurde korrigiert.
Das nennt sich "Qualitätsjournalismus der Geld kostet" ...
🤣
Wenn sie das grundsätzlich wären, würden sie kaum auf Festen und Partys gespielt werden oder von Feiernden auf welchem Event auch immer mitgegröhlt werden. Auf solchen Veranstaltungen spielt man eher selten schwere Kost. Letztendlich sagen die Reaktionen ehr viel über die jeweiligen Rezipienten aus... und zwar sowohl als auch.
Ceterum censeo Carthaginem esse delendam - oder anders: Nach wie vor hat mir noch keiner aus der MP-Crew erklärt, was denn an diesem schwachmatigen 'Layla' wirklich und konkret sexistisch sei.
Und dann kommt jetzt so ein Artikel daher…
#MainPostHumor
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
Stimmt, aber nach der Nummer mit der Layla – und der durchaus fragwürdigen Rolle, die die MP in dieser Posse gespielt hat – finde ich es ein wenig befremdlich, so einen Kommentar ausgerechnet von einem MP-Redakteur zu lesen … 😉
Also, werte MP – hört doch einfach auf, diese Machwerke zu thematisieren und zu bewerten. Diese moralinsauren selbsternannten Sittenwächter braucht und will keiner.
Für echte Verfehlungen gibt’s die Polizei und die Justiz – das sollte in einem Rechtsstaat doch reichen!
Über Geschmack konnte man schon immer trefflich streiten – aber jemandem das Recht auf etwas zuzugestehen, was man selbst jetzt nicht so toll findet, nennt sich Toleranz. Gab's früher mal ganz viel, gerade in der Kunst ...
Einfach mal leben und leben lassen. Die Zeiten der Blockwarte sind lange vorbei – und das ist gut so! Wir sollten uns danach nicht zurücksehnen!