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Würzburg/Schweinfurt
Ärgernis Donaulied: Wenn ein Schlager eine Vergewaltigung feiert
Das Donaulied ist geschmacklos und diskriminierend, darüber sind sich (fast) alle einig. Wie dagegen vorgegangen werden soll, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander.
 Ein Notenblatt des Donaulieds. Darin wird die Vergewaltigung einer schlafenden Frau beschrieben.  
Foto: Armin Weigel, dpa |  Ein Notenblatt des Donaulieds. Darin wird die Vergewaltigung einer schlafenden Frau beschrieben.  
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:56 Uhr

Lieder, die in Bierzelten oder auf Ballermann-Partys gesungen werden, gehören in aller Regel nicht zu den Juwelen der deutschen Musikkultur. Müssen sie auch nicht. Es geht um eine ganz bestimmte Art von Spaß. Und dass manches, was da kollektiv und häufig betrunken gegrölt wird, auch mal die Grenze des guten Geschmacks hinter sich lässt, gehört offenbar dazu. Bei einem Lied allerdings hört für immer mehr Menschen der Spaß auf: beim Donaulied.

Das schlagerartige Donaulied, ursprünglich ein Volkslied aus dem 19. Jahrhundert, beschreibt, ja  feiert die Vergewaltigung einer schlafenden Frau. Zumindest in der Textversion, die jahrzehntelang zu den unterschiedlichsten Anlässen gesungen wurde und bis heute von Partybands und Blaskapellen zum Besten gegeben wird. 2008 nahm etwa die Band Javelin eine Fassung auf mit den Zeilen "Ich machte mich über die Schlafende her / sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr".

"Mallorca-Sänger" Mickie Krause trägt seit 2012 eine umgedichtete, wenn auch kaum weniger zotige Version vor, in der aus der Vergewaltigung ein einvernehmlicher Beischlaf wird. Sie gesellt sich zu den anderen Hits seines Repertoires, etwa der Mitgröl-Nummer "10 nackte Friseusen" mit Versen wie "Es gibt 50 000 Damen, die wollen alle meinen Samen".

Ein paar Jahrzehnte vorher gehörte die Vergewaltigung offenbar einfach zum Lied dazu. "Wir haben das immer beim Ausritt im Ponyhof gesungen", erzählt eine 43-jährige Karlstadterin mit sozusagen rückwirkender Fassungslosigkeit. "Sechs bis acht Kinder, angeführt von etwa 14-jährigen Mädchen. Wir haben nicht gewusst, was wir da singen, und haben uns auch nichts dabei gedacht."

36 000 Unterschriften gegen einen Bierzeltschlager

Auch Patrick Friedl, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Würzburg, kann sich erinnern, wie das Donaulied mit genau dieser Strophe gesungen wurde. "Mich hat das irritiert", sagt der 51-Jährige. Dass das Lied nun seit etwa einem Jahr im Zentrum einer landesweit geführten Grundsatzdebatte steht, ist der Passauer "Aktion gegen Bierzeltsexismus" (AgBS) zu verdanken. Die Initiatoren um Corinna Schütz sammelten 36 000 Unterschriften in einer Online-Petition gegen das Donaulied. Am 3. März wurden sie dem Innenausschuss der Bayerischen Landtags vorgelegt.

Corinna Schütz, Initiatorin der 'Aktion gegen Bierzeltsexismus'. 
Foto: Peter Kneffel, dpa | Corinna Schütz, Initiatorin der "Aktion gegen Bierzeltsexismus". 

Zwar kam der Ausschuss nicht den Forderungen der Petition nach einer bayerischen Antidiskriminierungsstelle und einem Tag gegen Sexismus nach, die "Aktion gegen Bierzeltsexismus" sieht dennoch einen Teilerfolg: "Wir sind dankbar dafür, dass unser Anliegen es bis in den Landtag geschafft hat. Das zeigt, dass Redebedarf herrscht", teilen die Organisatoren mit.  Geschmacklose Lieder wie das Donaulied seien nur das Symptom einer tieferliegenden Problematik. "Diese zu bekämpfen hat der Landtag dieses Mal leider verpasst."

Patrick Friedl sieht in der "bedauerlichen Entscheidung" ein Zeichen dafür, dass es beim Thema Sexismus immer noch an Sensibilität fehle. Zwar fänden alle das Lied indiskutabel, dennoch gebe es kein Bewusstsein, wie wichtig es sei, Initiativen gegen Diskriminierung auch "institutionell zu unterfüttern".

Die Ballermann-Fete 'Würzburg Olé' 2019 auf dem Flugplatz in Giebelstadt, bei der Mallorca-Größen wie Mickie Krause ('10 nackte Friseusen') auftraten.
Foto: Silvia Gralla | Die Ballermann-Fete "Würzburg Olé" 2019 auf dem Flugplatz in Giebelstadt, bei der Mallorca-Größen wie Mickie Krause ("10 nackte Friseusen") auftraten.

Dabei habe Würzburg mit dem Ombudsrat gute Erfahrungen gemacht, einer 2011 auf Initiative des Bündnisses für Zivilcourage eingerichteten unabhängigen Antidiskriminierungsstelle. "Auch der sehr lange und schließlich erfolgreiche Kampf auf Bundesebene für gleichgeschlechtliche Eingetragene Lebenspartnerschaften zeigt, dass ein institutionell unterstützter öffentlicher Diskurs durchaus gesellschaftliche Veränderungen fördern kann", sagt Friedl.

Die Renaissance des Donaulieds durch den Ballermann

Der CSU-Landtagsabgeordnete Manfred Ländner aus Kürnach (Lkr. Würzburg), Präsident des in Unterpleichfeld ansässigen Nordbayerischen Musikbunds (NBMB), hält dagegen solch eine  Antidiskriminierungsstelle auf Landesebene für unnötig: "Es gibt bereits genügend Anlaufstellen, etwa die Polizei", sagt Ländner. "Das Lied ist geschmacklos und Schwachsinn. Aber wenn man alles Geschmacklose und Schwachsinnige verbieten wollte, hätte man viel zu tun. Das ginge auch gar nicht." Mehr und mehr Kommunen würden inzwischen ohnehin sagen: Das wollen wir nicht. "Das Lied hat eine Renaissance durch den Ballermann erlebt. Aber es passt nicht mehr in die Zeit."

Stimmung im Festzelt, hier auf der Marktheidenfelder Laurenzi-Messe.  
Foto: Benedict Rottmann | Stimmung im Festzelt, hier auf der Marktheidenfelder Laurenzi-Messe.  

Es sei nicht Aufgabe des Musikbunds, öffentliche Stellen oder Kommunen, die Volksfeste veranstalten, bei ihrer Musikauswahl zu beraten, sagt der Präsident. Doch die Mitgliedsvereine wie Blasorchester, Jugendkapellen oder Musikschulen aus ganz Franken und der Oberpfalz, hätten sich an den Verhaltenskodex zu halten, der in der Satzung formuliert ist. Darin heißt es unter anderem: "Der NBMB wendet sich entschieden gegen Intoleranz, Rassismus und jede Form von politischem Extremismus." 

Auf vielen Ebenen wird inzwischen über althergebrachtes Liedgut diskutiert

Auch der SPD-Landtagskollege Volkmar Halbleib sieht das Ziel weniger in der Einrichtung einer staatlichen Stelle. Die Petition sei dennoch ein guter Schritt gewesen. "Es geht darum, einen Blick dafür zu haben, was andere verletzt und in ihrer Würde infragestellt. Da soll man sich ruhig konstruktiv fetzen", sagt der SPD-Politiker aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg). "Uund einige werden sich auch mit Dingen befassen müssen, die sie sonst nicht so wahrgenommen hätten."

Inzwischen wird auf vielen Ebenen über althergebrachtes Liedgut diskutiert. So gilt manchen Goethes Ballade "Heideröslein" als Verharmlosung einer Vergewaltigung. Pfadfinderinnen äußern auf Online-Plattformen Unbehagen und Ablehnung gegen Lieder mit diskriminierenden Passagen wie "Bauern, in den Stall die Schweine, den Zigeunern traue nie". 2017 ließ die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Ausgabe des Bundeswehr-Liederbuchs "Kameraden singt!" einstellen. Es enthielt Lieder, die in der NS-Zeit und während des Zweiten Weltkriegs besonders beliebt waren, und soll nun überarbeitet werden.

Das Hofbräuzelt auf dem Münchner Oktoberfest. Alle Bierzeltbetreiber müssen sich verpflichten, kein diskriminierendes Liedgut auf ihren Bühnen zu dulden.
Foto: Felix Hörhager, dpa | Das Hofbräuzelt auf dem Münchner Oktoberfest. Alle Bierzeltbetreiber müssen sich verpflichten, kein diskriminierendes Liedgut auf ihren Bühnen zu dulden.

Wie aber umgehen mit dem Donaulied? Inzwischen gibt es in mehreren Städten weitere Petitionen, die verhindern sollen, dass das Lied auf den dortigen Volksfesten gespielt wird. Die Stadt Montabaur im Westerwald hat es in Bierzelten bereits verboten. Und in den Verträgen zwischen der Stadt München und den Oktoberfest-Wirten ist der "Süddeutschen Zeitung" zufolge festgeschrieben, "dass Lieder mit gewaltverherrlichendem oder Bevölkerungsgruppen diskriminierendem Inhalt nicht gespielt werden dürfen".

Absprache gegen Lieder mit diskriminierenden Inhalten

In Würzburg und Schweinfurt gibt es solche Vereinbarungen bislang nicht. Zumindest nicht in schriftlicher Form. Es habe vor zwei Jahren ein Gespräch mit den Bierzeltbetreibern von Frühjahrsvolksfest und Kiliani gegeben, der Firma Hahn Zelt und der Würzburger Hofbräu, sagt der Würzburger Rathaussprecher Christian Weiß. Man sei sich einig gewesen sei, keine Lieder mit gewaltverherrlichenden, sexistischen oder rassistischen Inhalten zu dulden: "Und solche Absprachen gelten wie ein Vertrag."

Mitko Avramov von Hahn Zelt ergänzt: "Unsere Mitarbeiter haben ihre Wurzeln in den verschiedensten Ländern, bei uns hat Sexismus und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz, auch nicht in Liedern. Im Übrigen haben wir schon im Juni 2020 die Petition ,Kein Donaulied mehr auf der Regensburger Dult' unterzeichnet."

In Schweinfurt gibt es laut Sprecherin Kristina Dietz noch keine Absprachen: "Wir würden allenfalls vorsorglich mit Festwirt und Veranstaltern (Bürgervereinen) sprechen und sensibilisieren. Das aber erst, wenn wir absehen können, dass wieder Veranstaltungen stattfinden können."

 
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