
Bürgerinitiative, Räumungsdrohung, Mieterprotest: Ausgerechnet zwei genossenschaftliche Bauprojekte sorgen seit Monaten für Verunsicherung im Würzburger Frauenland. Über ein umstrittenes Abrissprojekt der Frauenlandgenossenschaft wurde zuletzt viel berichtet. Doch auch gegen ein Projekt der Würzburger Wohnungsgenossenschaft regt sich Widerstand.
Eine "energetische Sanierung" hatte die Frauenlandgenossenschaft für das in den 1920er Jahren gebaute Wohnhaus in der Frauenlandstraße im vergangenen Jahr angekündigt und dann beschlossen, das Haus komplett abzureißen. Aus der Hausgemeinschaft gab es Vorwürfe gegen das Vorgehen der Genossenschaft. Doch richtig laut wurde die Kritik erst, als sich herumsprach, dass anstelle des historischen Hauses ein für das Viertel komplett untypischer kastenförmiger Neubau entstehen soll.
"Ich wohne in der Nachbarschaft und habe beobachtet, was in der Frauenlandstraße passiert ist", sagt nun Silke Trost im Gespräch. Die Grünen-Stadträtin hatte das Thema in der vergangenen Woche im Stadtrat eingebracht und sagt: "Ich hoffe, dass dieses Projekt kein Dammbruch ist." Im Viertel gebe es viele ältere Häuser, die nicht denkmalgeschützt, insgesamt jedoch erhaltenswert seien. "Wenn das durchgeht, wie geht es weiter?", so Trost. Die Stadt brauche in solchen Fällen mehr Mitspracherecht.
Würzburger Buchhändlerin berichtet von Zukunftsangst wegen Abriss
Wenige Meter weiter, in der Wittelsbacherstraße 13-17, sind Abrissarbeiten bereits im vollen Gange. Die Würzburger Wohnungsgenossenschaft (WWG) hat dort mit einem im Stadtrat vielgelobten Abriss- und Nachverdichtungsprojekt begonnen. Wohnraum in Würzburg ist knapp und die WWG hatte aus Sicht des Stadtrats den Entwurf für einen architektonisch stimmigen Neubau vorgelegt. Doch auch an diesem Projekt gibt es Kritik.

Dass ihr Lebenswerk vor dem Ende steht, hat Buchhändlerin Andrea Steenpaß laut eigener Aussage vor einem Jahr aus der Zeitung erfahren. "Wohnungsgenossenschaft schafft Wohnraum" berichtete diese Redaktion und informierte über die Abrisspläne der WWG. "Und was wird mit mir?", fragte sich hingegen die 71-jährige Steenpaß, die die Buchhandlung in der Wittelsbacherstraße seit über 20 Jahren betreibt und nun von regelmäßigen Angstzuständen berichtet.
Das Projekt der WWG umfasst drei Abschnitte: Im ersten finden bereits Bauarbeiten statt. Wohnung und Buchhandlung von Andrea Steenpaß befinden sich im angrenzenden zweiten Abschnitt. Die WWG habe ihr mitgeteilt, dass ihr Abschnitt im Jahr 2027 unvermeidbar abgerissen werde, sagt Steenpaß. Sie sei nicht bereit für den Ruhestand und an der Buchhandlung hänge ihre gesamte Existenz. Doch ihr sei klargemacht worden, dass es für den Laden keine Zukunft gebe. "Ich brauche Hilfe, doch an wen soll ich mich wenden?", fragt Steenpaß, die sich einen Aufschub bis zum Jahr 2030 wünscht.
Würzburger Wohnungsgenossenschaft: Wollen einvernehmliche Lösung finden
Ein Datum für Bauarbeiten im zweiten und dritten Abschnitt stehe noch gar nicht fest, schreibt hingegen Jochen Brand, Geschäftsführer der WWG auf Anfrage. Dabei handele es sich um "mittel- bis langfristige geplante Projekte". Ein konkretes Datum sei den Mietern daher noch nicht genannt worden. Und Andrea Steenpaß sei auch noch gar nicht gekündigt worden. Im Gegenteil habe es sogar Gesprächsangebote gegeben, die die Buchhändlerin nicht wahrgenommen habe.

"Ziel der Genossenschaft ist es, mit den Mietern eine einvernehmliche Lösung zu finden", so Brand weiter. Doch wie könnte eine Lösung aus Sicht der Genossenschaft aussehen? Und ist ein Aufschub denkbar? Dazu macht die Genossenschaft keine näheren Angaben.
"Ich habe nicht das Gefühl, dass die Genossenschaft kompromissbereit ist", sagt Kerstin Distler, die im vergangenen Jahr mit Gleichgesinnten eine Bürgerinitiative gegen das Bauvorhaben der WWG ins Leben gerufen hatte. Die Initiative hatte die Veränderung im Viertel kritisiert, Sanierung angeregt, an die Stadt appelliert und rechtliche Schritte gegen die WWG geprüft – jedoch weitgehend erfolglos.
Würzburger Oberbürgermeister Schuchardt will Thema in Städtetag einbringen
Aktuell stünden Anwohner, Betroffene wie Andrea Steenpaß und die Stadt Würzburg etwaigen ungewollten Bauvorhaben machtlos gegenüber, sagt Distler. Sie verstehe, dass es in Würzburg Bedarf an Nachverdichtung gebe. Die beiden genossenschaftlichen Projekte machten jedoch deutlich, dass das öffentliche Bewusstsein geschärft werden müsse. "Hier gibt es Handlungsbedarf", sagt Distler.

Doch welche Schritte sind denkbar? "Ich würde mir wünschen, dass man ein Instrumentarium findet, mit dem Gebäude, die eine Wertigkeit haben, im Bestand gesichert werden können", sagt Oberbürgermeister Christian Schuchardt im Gespräch mit der Redaktion. Er habe Verständnis für alle Bauherren, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht sanieren wollen.
Eine Option seien daher zum Beispiel staatliche Darlehen, um unwirtschaftliche Sanierungen attraktiver zu machen. Die Zuständigkeit liege jedoch beim Bund. Er wolle das Thema daher zeitnah in den Städtetag, der Vereinigung der deutschen Kommunen, zur Diskussion stellen.
Das Projekt der WWG wurde von Anwohnern kritisiert, die nebenan wohnen und weder Baulärm, mehr Verkehr oder weniger grün wollen. Nachvollziehbar, aber inzwischen üblich bei jedwedem Projekt. Not in my backyard ist hier das Schlagwort. Das sind keine betroffenen Mieter der WWG.
Und die Buchhandlung: Aufgabe der WWG ist, Wohnraum bereit zu stellen. Davon gibt es in Würzburg zu wenig und hier wird mehr geschaffen. Den Wunsch der Buchhändlerin, noch bis ins 77. Lebensjahr zu arbeiten finde ich beeindruckend. Aber so kann doch nicht über den Baubeginn verhandelt werden. Sie hat mehrere Jahre Zeit sich vorzubereiten, das finde ich sehr fair.
Dort gibt es einen Bericht des Vorstandes über das vergangene Jahr und einen Ausblick über geplante Projekte.
Für diese Veranstaltung kann man als MieterIn im Vorfeld Anträge stellen oder während der Veranstaltung Fragen stellen.
Leider interessiert das viele Mieter nicht, sie sehen in den Genossenschaften oft nur günstige Vermieter.
Geld , verbilligte Zinsen und Programme für den Altbaubestand gibt es vom Freistaat Bayern seit langem
Hans Sartoris
Das der Denkmalschutz dann auch noch ausgehebelt wird, setzt noch einen spezielles Gipfel obenauf - UND zeigt erst recht, dass nicht die Menschen/Mieter profitieren sollen und können, sondern nur ein paar Großkopferte mit Lust auf mehr Profit.
Ja, da haben Sie vollkommen Recht. Denn schon in der Amtszeit von Christian Baumgart wurde doch schon ein "neuzeitlicher Betonbaustil" kreeirt. Nur den Eigenheimbesitzern hat man Vorgaben zum Fränkischen Baustil , die da alles von Ziegelfarbe, Fenstern, Gauben und gegebenefalls noch die Fassadenfarbe vorschreiben. Da kann man natürlich die Besitzer geißeln aber selbst legt man bei gewissen Genossenschaften oder Unternehmen m.M. nach andere Kriterien zugrunde.
Und um Ihrer Vermutung entgegenzutreten: Ich habe vor neun Jahren in Würzburg eine Wohnung gesucht und verhältnismäßig schnell eine gut bezahlbare gefunden. Dass das jetzt und für Viele anders ist, bestreite ich aber ja gar nicht. Dennoch: Der Begriff „Wohnungsnot“ suggeriert, dass die Menschen auf der Straße leben und wir wie in der Nachkriegszeit kurz davor stehen würden, dass massenhaft Menschen in fremde Häuser und Wohnungen einquartiert werden müssten. Da muss man mal die Kirche im Dorf lassen. Apropos: Es gibt auch im nahen Umland Wohnungen mit guter Infrastruktur - da muss man eben in Kauf nehmen, nicht direkt in Wü zu wohnen.