Eine "energetische Sanierung" hatte die Würzburger Frauenlandgenossenschaft für ihr Wohnobjekt in der Frauenlandstraße 12 angekündigt – und die komplette Hausgemeinschaft rausgeworfen. Nun ist klar: Die Genossenschaft will das Haus doch nicht sanieren, sondern abreißen. Betroffene sind empört. Und auch der Würzburger Stadtheimatpfleger geht auf die Barrikaden.
Wie aus dem Nichts kam im vergangenen Jahr für die Hausgemeinschaft der Frauenlandstraße 12 die Kündigung zum 31. Januar 2024 wegen einer "energetischen Sanierung". Als Affront empfanden die Betroffenen damals die Kommunikation der Genossenschaft: "Vorsorglich möchten wir darauf hinweisen, dass wir uns bei nicht fristgerechter Rückgabe gezwungen sehen, eine Räumungsklage einzureichen", hatte diese gleich zu Anfang festgehalten.
Nun hat es sich die Genossenschaft nochmal ganz anders überlegt. Auf Anfrage bestätigt Geschäftsführer Sebastian Bräunig im Auftrag des Vorstands der Frauenlandgenossenschaft: "Im Rahmen des Planungsprozesses hat sich die umfassende Sanierung unseres Anwesens (...) als unwirtschaftlich dargestellt." Grund dafür seien etwa zusätzliche energetische Anforderungen und nicht vorhandene Barrierefreiheit. Das Gebäude solle daher abgerissen werden.
Unterschiedliche Deutung: Zusätzlicher Wohnraum oder Abzocke in Würzburg?
"Zudem ist beim Neubau geplant, die Wohnfläche des gesamten Objekts nahezu zu verdoppeln, die Anzahl der Wohnungen wird von derzeit 8 auf 20 barrierefreie Wohneinheiten erhöht", so die Stellungnahme des Vorstands. Der zusätzliche Wohnraum werde in Würzburg dringend benötigt. Aus dem Kreis der Hausgemeinschaft heißt es hingegen, die Genossenschaft wolle mit teureren Mieten bei zahlungskräftiger Kundschaft abkassieren.
Um die Bewohner schnellstmöglich zu vergraulen, greife die Frauenlandgenossenschaft zu unlauteren Mitteln, sagt zudem Bewohner Thomas Sachs, der mit seiner Familie bisher in dem Haus lebte. So sei in den vergangenen Monaten mit lautstarken Maßnahmen Stuck an der Fassade des Hauses entfernen worden. Dies habe die psychische Belastung, die durch den unvermittelten Rauswurf entstanden sei, noch vergrößert, sagt Sachs. "Kurzum; die letzte Zeit war die Hölle für uns."
Die Genossenschaft hingegen spricht von Gefahrenabwehr und schreibt: "Im Rahmen der Projektplanung wurden Rissbildungen in den Risaliten festgestellt und daher noch vor dem Winter entfernt, um Abplatzungen durch Frost entgegenzuwirken."
Stadtheimatpfleger der Stadt Würzburg sagt: "Das Haus ist nicht baufällig."
Das will Hans Steidle, Stadtheimatpfleger der Stadt Würzburg nicht gelten lassen. Er sei von Betroffenen auf die Angelegenheit aufmerksam gemacht worden, erklärt er bei einem Ortsbesuch. Er habe das in den 1920er Jahren gebaute und "besonders schützenswerte" Haus begutachtet und komme zu dem Schluss: "Das Haus ist nicht baufällig." Auch der Stuck komme ihm nicht porös vor, er könne die Maßnahme daher nicht nachvollziehen und hoffe auf ein Umdenken der Genossenschaft im Sinne der Bewohner und des Denkmalschutzes.
Steidle freilich ist weder Architekt noch Ingenieur, sondern als Stadtheimatpfleger dem Erhalt des Bestehenden verpflichtet. Er verweist auf das Landesamt für Denkmalpflege, das den Fall von der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Würzburg hat prüfen lassen.
"Dabei stellte sich bedauerlicherweise heraus, dass die Wohnungsbaugesellschaft bereits sämtliche Fassadenputze und Stuckierungen hatte entfernen lassen, wodurch ein wesentlicher Teil des historischen Bestands verloren gegangen war", schreibt das Amt auf Anfrage. "Da infolge dieser baulichen Maßnahmen wesentliche Teile der Aussagekraft als historisches bauliches Zeugnis verloren gegangen war, wurde eine vertiefende Prüfung der Denkmaleigenschaft nicht mehr eingeleitet."
Abrissgenehmigung der Stadt Würzburg liegt Frauenlandgenossenschaft vor
Mit ihrer "Gefahrenabwehr" hat die Genossenschaft also Tatsachen geschaffen, wie auch eine schwammige Stellungnahme des Baureferats zeigt. Man stehe für eine "Umbaukultur", die Bestehendes wertschätzt, heißt es. In Gesprächen versuche man nun, "die Hintergründe der Entscheidungsfindung nachvollziehen" und "darauf positiv einwirken".
Viel sollten sich die Bewohner davon nicht erhoffen, denn laut Genossenschaft liegt inzwischen eine Abrissgenehmigung der Stadt Würzburg vor. Welche Alternativen konnten also für die bisherigen Mieter, deren Umzug nun offenbar feststeht, gefunden werden? Den sechs Mietparteien seien 20 Wohnungsangebote gemacht worden, heißt es weiter in der Stellungnahme der Genossenschaft. Nun werde der Zeitplan für den Abriss intern abgestimmt.
Vater Sachs bestätigt, dass die Familie Angebote erhalten habe. Er sagt jedoch: "Unser Vertrauen in die Genossenschaft ist zerstört." Die Familie habe sich daher eigenständig eine Alternative gesucht. Jetzt gehe es ihm darum, das Geschehene juristisch aufzuarbeiten.
Machn s was, iss es nix - machn s nix, iss es auch nix!
Ein bewohntes Haus zu sanieren ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, und Miete ist nun mal kein Eigentum und irgend wann muss mal richtig saniert oder erneuert werden!
Was ich jedoch von eine guten Wohnungsgesellschaft erwarte, ist frühzeitiger offener Umgang mit den Mietern und Unterstützung bei Wohnungsalternativen innerhalb der Wohnungsgesellschaft (was aber leider aktuell schwierig ist)!
Das Drama im Wohnungsbau ist der Rückzug der Öffentlichen Hand und der Privatisierungswahn öffentlich finanzierter Wohnungen. Auch haben sich die Kirchen und Gewerkschaften sowie die Arbeitgeber (Werkswohnungen) still und heimlich seit Jahrzehnten im Wohnungsangebot zurückgezogen. Bei gleichzeitiger enorm gestiegener Nachfrage am Wohnungsmarkt war ein Kollaps abzusehen.
In Wien z. B. sind 220.000 Wohnungen im direkten Besitz der Stadtverwaltung! So geht Kommune!
Andere Frage: Wann wird der Abriss erfolgen? Das Gebäude grenzt mit der Vorderfront an die Seinsheimstraße. Wird es hier im Zuge der Baustelleneinrichtung eine Fahrbahnverengung geben?
Durch die Sperrung der Brücke Rottendorfer Straße ist die Seinsheimstraße schon jetzt sehr stark frequentiert, eine Fahrbahnverengung würde hier gerade noch fehlen
hm.
Ausdehnung in der Fläche?
(Ordentlich) Aufstocken?
Oder (ca.) halb so große Wohnungen, aber (mind.) zum Preis der vorherigen größeren?
MMn wird es jedenfalls schon lange Zeit für eine Einkommensteuer, die Erträge aus Kapitalanlagen genausohoch belastet wie Einkünfte aus eigener Arbeit.
> Genossenschaft auf kommerzieller Schiene - unmoralisch, aber legal
Den - dem Gemeinwohl verpflichteten Wohnungs(-bau-) - Genossenschaften hat man in einer zurückliegenden Legislaturperiode den Boden zugunsten von "Investoren" entzogen, indem man ihnen steuerliche Privilegien entzogen hat.
Ich verstehe nicht warum auf ihnen in diesem Punkt herumgehackt wird. Ohne diese wäre die
Wohnungssituation noch angespannter und die Mietpreise dürften auch noch höher sein als sie ohnehin sind.
Oder: Welche Motive treiben zu dererlei Einlassungen? Helfen Sie mir auf die Sprünge ...
Ihre Anmerkung zur Stadtbau im Bossiviertel muss ich in zwei Punkten inhaltlich korrigieren :
- Der Erhalt des derzeit im Umbau befindlichen Altbaus war von Anfang an geplant weil die vorhandene Grundsubstanz deutlich besser war als in den benachbarten Schlichtgebäuden.
- Widerstand gab es ebenfalls nicht - weil wir bei allen Stadtbauprojekten sehr frühzeitig mit unserem sozialen Mietermanagement beginnen .
Dies der guten Ordnung halber.
Hans Sartoris
Geschäftsführer
Sehr geehrter Herr Sartoris,
sehen Sie es mir nach wenn meine Ausführungen den Sachverhalt bzgl. des BOSSI-Viertels" nicht vollständig wiedergeben konnten. Das hätter zweier Kommentare bedurft ...
> Der Erhalt des derzeit im Umbau befindlichen Altbaus war von Anfang an geplant
Das habe ich im Verlauf des Prozesses - als Außenstehender - etwas anders wahrgenommen.
Sei's drum.
> Widerstand gab es ebenfalls nicht -
Nicht gegen die Gesamtplanung an sich, Herr Sartoris. Soweit ich mich an die Berichterstattung hier in der MAIN-POST bzw. an die Unterlagen aus den Stadtratvorlagen (AllRIS) erinnere sollten doch - zunächst - alle Alt- durch Neubauten ersetzt werden. Daraufhin gab es insofern Widerstand, daß wenigstens ein Gebäude nur saniert, aber nicht abgerissen werden sollte um Senioren / Seniorinnen nicht aus ihrer gwohnten Umgebung herauszureißen, sondern vor Ort einen Umzug zu ermöglichen.
Bitte widersprechen Sie mir wenn ich hier irre.
Grüße
Jo Schmitt
Wie bereits erläutert : Sie irren noch immer:
Der Erhalt war von Anfang an Planungsgrundlage , das Alt-Gebäude wurde aber erst nach dem Abschluss des Neubaus begonnen um es als Zwischenlösung für unsere Mieter zu nutzen - als Teil unseres sozialen Mietermanagements
Aber egal : im Artikel geht es ja um das aktuelle Genossenschaftsprojekt im Frauenland und die dortigen Problemlagen und Fragestellungen
Hans Sartoris
Geschäftsführer
Daß für einen Neubau Mieter einer "Genossenschaft" aus ihrem (teils jahrzehnte währendem) Domizil aus- bzw. umziehen müssen ist nichts neues. Alternativangebote wurden den Mietern unterbreitet.
Einer Genossenschaft monetäre Interessen für die (Um-) Planung vorzuwerfen halte ich für überzogen bzw. einfach unfair. Das Ziel der Genossenschaften ist, satzungsgemäß festgelegt, möglichst günstigen Wohnraum allen Anteilseignern anbieten zu können.
Zuletzt war das mit Abriß- und Neubau-Maßnahmen bei der Stadtbau, dem "Bossi-Viertel", ein Thema. Da wurde ein großer Komplex aus Gebäuden erneuert. Hier gab es ebenfalls Widerstand, der zum Erhalt eines Gebäudes im Bestand geführt hat.
Die Alternative wäre den sozialen Wohnungsbau per (Bundes-) Gesetz zu fördern.
Dazu könnte die Wiedereinführung der steuerliche Privilegierung für Wohnungsbau-Genossenschaften den erforderlichen Beitrag leisten. Wenn man denn wollte ...
www.wg-frauenland.de/objekte/
> als Gutmenschen tarnenden, Investoren
Stimmt halt nur nicht. Bitte informieren Sie sich bevor Sie "Investoren" schreiben ...
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Wohnungsgenossenschaft_Frauenland_eG
https://www.wg-frauenland.de/genossenschaft/
(Den Link auf die Satzung finde ich gerade nicht ...)
Und den Genossen wird eine Dividende von maximal 4% auf ihre Einlage versprochen. Nicht schlecht. Und was findet sich noch auf der Hompage "Unsere Wohnungsgenossenschaft ist kein Unternehmen, das ausschließlich auf wirtschaftlichen Gewinn aus ist."
"Gemeinützig" ist die Genossenschaft nicht mehr?" Ich formuliere es 'mal so: Die Genossenschaft unterliegt dem Genossenschaftsgesetz. Nach der Abschaffung der (steuerlichen) Privilegien sind (nur noch) die damit verbundenen Pflichten geblieben. Die juristische Person kann dennoch die Ziele der Gemeinnützigkeit verfolgen ...
Also in der mir auf Papier vorliegenden, aktuellen Satzung steht in §2, Abs (1) "Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung". (S. 4 a.a.O.)
> maximal 4% [...] versprochen. Nicht schlecht.
Aus der Satzung: § 41 Gewinnverwertung, Abs (2) "Der Gewinnanteil soll 4% des Geschäftsguthabens nicht übersteigen" (S. 30 a.a.O.)
Allgemein: Die Genossenschaft unterliegt dem Genossenschaftsgesetz, auf das in der Satzung wiederholt Bezug genommen wird.
Wo ist das Problem? Mag da jemand die WoGe FRAUENLAND eG nicht?
wie hier, aus einem laut Experten intaktem Gebäude.
Was ich nicht verstehe ist, wieso die Würzburger Denkmalbehörde nur wegen des abgeschlagenen Stucks nicht prüfen will. Der war doch so simpel, dass man ihn einfach neu auftragen könnte. Bei einer Fassadensanierung wäre das vermutlich eh neu gemacht worden. Ich würde mir grundsätzlich wünschen, genauer hinzusehen bei den Genossenschaften, sonst gibt es bald kaum mehr Altbau in der Stadt.