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Würzburg
Ehepaar verweigert Auszug, Genossenschaft schickt Handwerker: Eskaliert der Mietkonflikt im Würzburger Frauenland?
Die Genossenschaft spricht von "Sicherungsmaßnahmen", ein Rechtsanwalt vermutet "kalte Entmietungsmaßnahmen". Was steckt hinter dem Konflikt im Würzburger Frauenland?
'Sicherungsmaßnahmen'? Nachdem die Eberhardts die Schlüsselübergabe verweigerten, machten sich Bauarbeiter an der Balkonanlage unter ihrer Wohnung (ganz oben) im Würzburger Frauenland zu schaffen.
Foto: Thomas Obermeier | "Sicherungsmaßnahmen"? Nachdem die Eberhardts die Schlüsselübergabe verweigerten, machten sich Bauarbeiter an der Balkonanlage unter ihrer Wohnung (ganz oben) im Würzburger Frauenland zu schaffen.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 12.02.2024 02:48 Uhr

Als Rebellen sehen Marion und Tilman Eberhardt sich eigentlich nicht. Und doch befinden die beiden sich jetzt im offenen Konflikt mit der Würzburger Frauenlandgenossenschaft. Die will das historische Haus an der Ecke zur Seinsheimstraße abreißen, in dem das Ehepaar wohnt, und hatte ihm zum 31. Januar gekündigt. Die Schlüsselübergabe hatten die Eheleute in der vergangenen Woche verweigert. Nur einen Tag später machten sich Bauarbeiter der Genossenschaft an der Balkonanlage unterhalb der Wohnung der Eberhardts zu schaffen.

Die Genossenschaft spricht auf Anfrage von "Sicherungsmaßnahmen" und will sich nicht ausführlich zur Angelegenheit äußern. "Die Genossenschaft macht, was sie will", sagt Marion Eberhardt und berichtet frustriert von dem Konflikt, der seinen Ursprung im Mai vergangenen Jahres genommen hatte. Wegen einer angeblich angedachten "energetischen Sanierung" hatte die Frauenlandgenossenschaft damals unvermittelt der gesamten Hausgemeinschaft des Mehrfamilienhauses gekündigt.

Dann hatte es sich die Genossenschaft nochmal ganz anders überlegt und angekündigt, dass in den 1920er Jahren gebaute Mehrfamilienhaus aus wirtschaftlichen Gründen komplett abzureißen.

Marion Eberhardt aus Würzburg: "Wir waren nie auf Krawall gebürstet"

Zwar habe die Genossenschaft ihr und ihrem Mann im Anschluss Wohnungsangebote gemacht, sagt Marion Eberhardt. Die Wohnungen seien jedoch entweder zu klein oder plötzlich nicht mehr verfügbar gewesen, wenn die Eberhardts Interesse gezeigt hätten. "Wir waren nie auf Krawall gebürstet und waren immer gerne in der Genossenschaft", sagt die 56-Jährige. Wegen des Vorgehens der Genossenschaft hätten sie und ihr Mann sich dann jedoch anwaltliche Unterstützung gesucht.

Als die Würzburger Hausgemeinschaft ihren Rauswurf im vergangenen Jahr öffentlich machte, war die historische Fassade noch intakt. Jetzt soll das Haus abgerissen werden. (Archivbild)
Foto: Heiko Becker | Als die Würzburger Hausgemeinschaft ihren Rauswurf im vergangenen Jahr öffentlich machte, war die historische Fassade noch intakt. Jetzt soll das Haus abgerissen werden. (Archivbild)

"Das Verhalten der Genossenschaft ist sonderbar", sagt der Würzburger Rechtsanwalt Clemens Kessler, der die Eberhardts vertritt. Die von der Genossenschaft ursprünglich ausgesprochene Kündigung sei aus seiner Sicht unwirksam: "Für eine rechtskräftige Kündigung muss der Vermieter mehr darlegen, als nur den Willen zur Sanierung zu bekunden", so Kessler. Doch die angekündigte Sanierung sei inzwischen ja vom Tisch. Der Räumungsanspruch bestehe daher nicht, weswegen seine Mandanten weiterhin rechtmäßig in der Wohnung lebten.

Nachdem die Eheleute ihn beauftragt hatten, hätten an der Fassade unterhalb von deren Wohnung plötzlich lautstarke Bauarbeiten begonnen, berichtet Kessler weiter. Tatsächlich hatte die Genossenschaft dort historischen Stuck entfernen lassen und dies mit "Gefahrenabwehr" begründet.

Würzburger Rechtsanwalt vermutet "kalte Entmietungsmaßnahmen"

"Die Maßnahme wurde nicht rechtzeitig angekündigt", sagt Kessler. Auch die nun erfolgte Maßnahme am Balkon – einen Tag nach der verweigerten Schlüsselübergabe – wurde laut Kessler nicht mit ausreichend Vorlauf angekündigt. "Für mich sieht das stark nach kalten Entmietungsmaßnahmen aus", sagt der Rechtsanwalt.

Die Genossenschaft hingegen schreibt auf Anfrage: "Es handelt sich um Überprüfungsarbeiten, die grundsätzlich nicht angekündigt werden müssen. Im Zuge dessen mussten Sicherungsmaßnahmen am Putz durchgeführt werden." Ein teilweiser Abriss des Balkons, wie von den Eberhardts unterstellt, habe nicht stattgefunden. Doch wie geht es nun weiter?

"Wir werden gerichtlich feststellen lassen, dass das Mietverhältnis weiter besteht", sagt Clemens Kessler. Zudem werde er im Auftrag der Eberhardts eine Unterlassungsklage gegen die aus deren Sicht unzulässige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einreichen. Doch welche Möglichkeiten zur Beilegung gibt es? "Wir stehen der ursprünglich angekündigten Sanierung nicht im Weg", sagt Marion Eberhardt. Die Frauenlandgenossenschaft hingegen will sich zur Frage nicht äußern.

 
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  • Heike Pauline Grauf
    Eine Heilpraktikerin - die sind ja inzwischen auch nicht mehr 'zeitgemäß' - sagte mir vor der Jahrtausendwende mal, dass Würzburg der energetisch dunkelste Ort in Deutschland sei. Was schwarzen Filz, schwarze Rathauspädagogik und den Willen zur Zerstörung alles Schönen betrifft, könnte da was Wahres dran sein. Im Spätsommer war ich in Rothenburg ob der Tauber. Ich bin wie im Zauber umhergeirrt, habe die Steine geküsst und bin in bittere Tränen ausgebrochen über meine verfluchte 'Heimat'stadt. Wann wird man den Stuck in der Residenz abschlagen? Den Würzburger Barbaren ist alles zuzutrauen. Als die Erwachsenen vom Krieg erzählten, habe ich noch in Ruinen gespielt. Doch auch diese wurden zerstört. Unser wahrer Ruin ist das Banausentum des Würzburger Unrathauses. Wann endlich wird die aufgebrachte Bürgerschaft nicht nur im Fasching den Grafeneckart stürmen?
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  • Martin Neuner
    „Eine energetische Sanierung ist bei einem alten und schützenswerten Haus natürlich angesagt.“ Wie viele Häuser aus 1920er Jahren gibt es in Würzburg? Dürfen diese nicht mehr abgerissen werden? Diese Häuser sollen nach den neuen energetischen Vorschriften und dem heutigen Wohnkomfort saniert werden. Das die Mieten steigen ist unvermeidbar, wer sonst soll die enormen Kosten tragen? Soll der Eigentümer sein erspartes aus der Altersvorsorge dafür verwenden? Jeder, der ein altes Haus saniert hat kennt die Kosten. Bei einem Neubau kann mehr Wohnraum geschaffen werden und die Kosten können auf mehr qm Wohnfläche verteilt werden. Die Kosten sind abschätzbar. Es wird weniger Fläche versiegelt. Soll nicht mehr abgerissen und oder neu bebaut werden?
    „Der einzig wahre Grund für eine solche Maßnahme ist Profitmaximierung“. Bauen kostet Geld und bei Verlusten entsteht neuer Wohnraum.
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  • Fabian König
    Das ist doch alles eine Frechheit sondergleichen! Ich frage mich ernsthaft, was mit der Stadt Würzburg eigentlich los ist? Erst geht es um eine energetische Sanierung (nicht um eine solche aus statischen Gründen), dann wird plötzlich behauptet, diese sei unwirtschaftlich - behaupten kann man viel, Zahlen müssen vorgelegt werden! Und nun soll das ganze Ding mit gerade mal 100 Jahren auf dem Buckel abgerissen werden, und man bringt gleich noch „zufällig“ einen Plan für ein wesentlich größeres Gebäude für wesentlich mehr Mietparteien mit? Für wie blöd hält diese Genossenschaft eigentlich ihre Mieter, aber auch die Öffentlichkeit? Und wie bl** oder unwillens ist eigentlich die Stadt Würzburg? Mich würde brennend interessieren, ob sich die Stadt Würzburg eigentlich die Zahlen hat vorlegen lassen, wieviel eine Sanierung und wieviel ein Abbruch mit Neubau gekostet hätte?

    Es wäre wirklich toll, wenn die MP hier noch etwas genauer nachhaken würde. Ansonsten wird das eine Blaupause für Andere.
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  • Klaus B. Fiederling
    ist auch für das Ehepaar irgendwie tragisch, wo schnell eine Wohnung finden, vorallem eine, die dem Geldbeutel entspricht. Denke sie wären schon ausgezogen, wenn sie eine dementsprechende Wohnung gefunden hätten.
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  • Marion Eberhardt
    Da haben Sie absolut recht! Wir waren trotz allem immer zugänglich und haben viele der angebotenen Wohnungen besichtigt, mehrere haben wir auch zugesagt, jedoch von der Genossenschaft nicht zugesprochen bekommen.
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  • Christine Gerhardt
    Einerseits: M.E. ein Versäumnis der Stadt WÜ für das Viertel keine entsprechende Gestaltungssatzung zu haben bzw. traditionell völlig unpassende Entwürfe durchzuwinken, andererseits offenbar ein sehr fragwürdiger Umgang mit den eigenen Mitgliedern durch die Genossenschaft. Der springende Punkt ist hier ja die eigentliche Kooperation der Mieter, denen offenbar aber nicht entgegengenommen wurde. Es sollte in einer Genossenschaft doch möglich sein, die Mieter innerhalb derselben umziehen lassen zu können.
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  • Martin Heberlein
    Eine energetische Sanierung ist bei einem alten und schützenswerten Haus natürlich angesagt. Dass dann die Mieten steigen, ist zwar nicht unvermeidbar, im System aber konsequent.
    Niemals allerdings rechnet sich ein Abriss und Neubau ökologisch. Das veruracht Umweltbelastungen (alleine durch den eigesetzten Beton), die auch durch geringeren Energieverbrauch in Jahrzehnten nicht ausgeglichen werden können.
    Der einzig wahre Grund für eine solche Maßnahme ist Profitmaximierung.
    Da darf man sich schon die Frage stellen, was das für eine "Genossenschaft" ist, die ihren Mietern gegenüber mit Methoden wie der Immobilienhai Vonovia auftritt.
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  • Edgar König
    Wenn sich Mieter wie Eigentümer verhalten, die enteignet werden sollen.
    Anwalts Eldorado ..
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