Den Aufruf des städtischen Kämmers Robert Scheller sich in der aktuellen Krise zurück zuhalten, haben die Fraktionen des Würzburger Stadtrats verstanden: Alle erklären, dass sie 2023 nur das Notwendigste umsetzen wollen. Trotzdem ist die Wunschliste auch dieses Mal wieder lang: Bis Dienstagnachmittag wurden 135 Anträge bei der Stadtverwaltung abgeben.
Ab Donnerstagvormittag entscheiden die Stadtratsmitglieder in der Haushaltsberatung, was im nächsten Jahr verwirklicht werden kann und was nicht. Die Redaktion hat die Fraktionen gefragt, was ihnen besonders wichtig ist.
Bündnis 90/Die Grünen: Geld für städtischen Klimaschutz
"Im dritten Krisenjahr müssen wir die bewährten Strukturen sozialer und kultureller Infrastruktur erhalten und sichern", erklärt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sandra Vorlová. Mit den nötigen Anträgen wolle man die dafür nicht ausreichenden Haushaltsansätze der Kämmerei erhöhen. "Bahnhofsmission, Nothilfefonds und die Ausstattung der Arbeit zur Integration von Flüchtlingen in Würzburg sind Beispiele hierfür." Klimaschutz und Klimaanpassung sind "unsere wichtigsten Zukunftsaufgaben", entsprechend würden Mittel für notwendige Maßnahmen und Angebote benötigt, so Vorlová.
Dazu gehörten die Umsetzung des städtischen Klimaschutzkonzepts, die Programme "stadtlich.grün", klimaneutrales Wohnen und die Taktverdichtung der Straßenbahn. Ebenso müsse die Umgestaltung und Begrünung der Juliuspromenade und der Karmelitenstraße nach Fertigstellung des Bahnhofsparkhauses sichergestellt werden.
CSU: Mittel für energetische Sanierung der Schulen bereitstellen
Besonders in finanziell schwierigen Zeiten sei es wichtig, knappe Mittel effektiv einzusetzen, sagt CSU-Fraktionschef Wolfgang Roth: "Die nachhaltigste Maßnahme für den Klimaschutz ist die energetische Sanierung unserer städtischen Gebäude – so auch der Schulen", deshalb beantrage die CSU wie schon im vergangenen Jahr dafür eine Million Euro.
Daneben sei es wichtig, dass Maßnahmen in den Stadtteilen erhalten bleiben (z. B. Quartiersmanagement Heidingsfeld, Jugendarbeit Lengfeld) und dass neue Maßnahmen angeschoben werden (z. B. Stadtteilbücherei Versbach, weiterer Ausbau der Nürnberger Straße). "Die Pflichtaufgaben der Feuerwehr, notwendige Maßnahmen im Bereich des Brandschutzes und der Inklusion müssen angegangen werden", schreibt Roth weiter. Daneben müssten Spielplätze und schadhafte Straßen schneller und effektiver erneuert werden.
SPD: Straßenbahnlinie zum Hubland nicht aufgeben
Eigentlich hätte die SPD gerne mit den anderen Fraktionen über weitere konkrete Verbesserungen im ÖPNV und beim Radverkehr beraten, schildert der Fraktionsvorsitzende der Würzburger SPD, Alexander Kolbow. "Jetzt geht es aber darum, dass wir den Bau der Straßenbahnlinie zum Hubland retten." Wer jetzt den städtischen Haushalt überspanne, riskiere damit, dass das bedeutendste ökologische Verkehrsprojekt der Gegenwart scheitere.
Deshalb habe sich die SPD-Fraktion auf ein Minimum an Anträgen beschränkt. Im Mittelpunkt stehe in erster Linie das Halten des aktuellen Bestands: Dies gelte sowohl für das Übergangsmanagement an Mittel- und Realschulen als auch beim Defizitausgleich für die Posthalle, damit eine Schließung in 2023 verhindert werden könne. Weitere Anträge behandelten beispielsweise die Förderung des Theaters Chambinzky, das in 2020 und 2021 in eine existenzgefährdende Schieflage geriet, oder die Förderung des Wohnprojekts "Fit for move" sowie die Herstellung von zwei öffentlichen Trinkwasserbrunnen.
Linke: Flüchtlings- und Integrationsberatung sind "unabdingbar"
Der Krieg in der Ukraine führe zum Zuzug vieler Menschen, schreibt Barbara Meyer von den Linken. "Aber auch unabhängig von diesem Krieg hat die Zahl der Geflüchteten wieder einen sehr hohen Stand erreicht." Deshalb sieht es die Fraktion als "unabdingbar", die Flüchtlings- und Integrationsberatung der Diakonie weiterhin mit Mitteln zu unterstützen.
Genauso dringend und wichtig sei ihrer Aussage nach das Quartiersmanagement in Heidingsfeld. Als "Kümmerin" sei hier speziell der Stadtteilladen aktuell bemüht, wenn es um die aktuellen Energiekosten-Explosion und Anstieg der Lebenshaltungskosten gehe. "Es ist uns ein großes Anliegen, dieses Projekt weiter am Leben zu halten", so Meyer. "Darüber hinaus wollen wir den kulturellen Bereich unterstützen." Hier nennt Meyer die Rettung des Theaters Chambinzky und der Kulturstätte Posthalle.
ÖDP: Unterstützung für sozialen Bereich
"Auf Hilfe im Sozialen Bereich wie die Quartiersmanagements, Schulsozialarbeit, Seniorenarbeit, Integrations- und Inklusionsmaßnahmen oder Mittel für Gebärdensprache darf nicht verzichtet werden. Ebenso dürfen Hilfen zur Bewältigung der Energiekrise wie Energiehilfe-Notfonds oder Hilfe für Vereine und Kulturstätten nicht wegfallen," schreibt Fraktionsvorsitzender Raimund Binder. Auch Klimaanpassungsmaßnahmen seien erforderlich wie ein Ringpark-Bewässerungssystem, energetische Schulsanierungen oder ein Park-and-Ride-Parkplatz bei IKEA.
"Wichtige Verkehrsmaßnahmen müssen weiter ebenso getrieben werden." Binders Beispiele: die Fertigstellung der Nürnberger Straße und einzelne Sanierungsmaßnahmen wie die Jägerstraße oder die Wenzelstraße.
FDP/Bürgerforum: Existenzgefährdende Bedrohungen vermeiden
"Ein wesentlicher Punkt für den Haushalt 2023 ist die Absicherung von wichtigen Strukturen und Einrichtungen in allen Bereichen", schreibt Fraktionsvorsitzende Charlotte Schloßareck. "Vor allem im Sozialbereich und in der Kultur müssen wir mithelfen, existenzgefährdende Bedrohungen zu vermeiden. Strukturen, die in diesen Bereichen zum Teil mit sehr viel ehrenamtlichem Engagement über lange Jahre gewachsen sind, brauchen und verdienen unsere Unterstützung."
Darüber hinaus sei es dem Bündnis aus FDP und Bürgerforum wichtig, dass die Verbesserung des ÖPNV bei gleichzeitiger Gewährleistung der Erreichbarkeit der Stadt durch den Individualverkehr vorangetrieben werde. Außerdem schließe die Fraktion Steuererhöhungen aus.
Freie Wähler: Vereine, Bäder und Freizeiteinrichtung unterstützen
Wichtig sei, es die finanziellen Grundlagen für eine handlungsfähige Stadt Würzburg zu erhalten, schreibt Josef Hofmann, Fraktionsvorsitzender der FWG. Dies dürfe aber keinesfalls auf Kosten der bisherigen Leistungsträger geschehen.
Es gelte den Bedarf von neuen Stellen gründlich abzuwägen. Des Weiteren gelte es, in Planung befindliche und ausgeschriebene Projekte zu beschleunigen und zu bearbeiten. Dies sei eine der wenigen Chancen, den Preisspiralen zumindest in kleinen Schritten entgegenzuwirken.
Nicht zuletzt müsse das Wohlbefinden der Menschen in der Stadt im Auge behalten werden. Die Maßnahmen der Corona-Pandemie hätten beträchtliche Spuren hinterlassen. Hier gelte es, wieder verlässliche Möglichkeiten der sozialen Begegnung und der Freizeit-Gestaltung anzubieten. Dazu gehörten die Unterstützung von Vereinen, ebenso wie der Betrieb von Freizeiteinrichtungen und Bädern, so Hofmann.
ZfW: Feuerwehr mit Investitionen stärken
Die Redaktion hat auch die fünf fraktionslosen Stadtratsmitglieder angefragt. Geantwortet hat einzig Wolfgang Baumann (ZfW). Er hält Anschaffungen für die Feuerwehr für dringend erforderlich: "Es geht dabei um die Ersatz-bzw. Neubeschaffung von Arbeitsgeräten und Maschinen und Feuerwehr-Fahrzeugen sowie Notstromaggregaten im Umfang von insgesamt circa einer Million Euro." Damit sei der Brandschutz langfristig sicherzustellen. Der Sicherheit dienten auch die Aufwendungen für eine integrierte Leitstelle von 5,2 Millionen Euro.
Außerdem: "Ganz dringlich sind im Schulbereich die Mittelbereitstellung für die digitale Ausstattung, für die Sanierung von Toiletten und Schulräumen sowie die Anschaffungen von Mobiliar. Unbedingt aufrechterhalten werden müssen veranschlagte Kosten für Kinder-Krippen und Tagespflegeeinrichtungen."