
Er blickt auf 15.000 Veranstaltungen zurück, viele im ausverkauften Olympia-Stadion München oder auf Deutschlands größtem Open-Air-Gelände, dem Hockenheimring. Er hat auf Tina Turners Abschiedstournee den Auftritt im Frankfurter Waldstadion veranstaltet, mit internationalen Stars wie U2, Genesis, David Bowie, Black Sabbath oder Iron Maiden zusammengearbeitet und in Giebelstadt im Landkreis Würzburg quasi vor der Haustüre das Mission-Ready-Festival etabliert: Manfred Hertlein, seit 45 Jahren im Musikgeschäft und Inhaber der nach ihm benannten Konzert-Agentur.
Mit "Rock meets Classic" hat sich der Würzburger Tournee-Veranstalter, der aus Edelfingen bei Bad Mergentheim (Lkr. Main-Tauber) stammt, sein "Baby" geschaffen: Classic-Rock-Weltstars mit Orchester. Ein seit über 30 Jahren gut funktionierendes Tour-Projekt, das am 21. April wieder in Würzburg Station macht: ab 19 Uhr stehen in der tectake-Arena dann Tarja Turunen (Nightwish), John Helliwell und Jesse Siebenberg (Supertramp), Midge Ure (Ultravox), Robert Hart (Manfred Mann's Earth Band), Paul Shortino (Quiet Riot), als Special Guest Russ Ballard sowie der Würzburger Dirigent Mario Gebert auf der Bühne. Die musikalische Leitung hat Peter-Maffay-Keyboarderin Lisa Müller.
Wie bekommt man diese Leute zusammen? Im Interview spricht der 65-Jährige über wilde und rührende Momente mit den Stars und über unerfüllte Träume.
Manfred Hertlein: ... und habe viel erlebt. 1979 hat alles begonnen. Ich hatte das große Glück, über Verbindungen als Tour-Manager mit einer Band auf Tour zu gehen. Ich bin in Edelfingen in den Zug gestiegen. In Frankfurt sind die Band und ich dann in einen Nightliner eingestiegen. Ein Bus mit vier Farbfernsehern, daheim hatten wir nicht mal einen. Und was lief da sechs Stunden lang auf dem Weg zur ersten Tour-Stadt Hamburg: Pornos. Kaum angekommen, ab auf die Reeperbahn, Striplokale. Drogen. So ging es weiter, Stadt für Stadt. Nach knapp einer Woche habe ich dem Band-Leader gesagt, dass das nichts für mich ist. Er hat gesagt: "Akzeptiere das Leben oder steige wieder in den Zug." Zwei Wochen später habe ich meine Agentur angemeldet.
Hertlein: Ja, weil das Geschäft so viele Facetten hat. Ich war weltweit unterwegs, durfte die größten Stars und außergewöhnliche Menschen kennenlernen. Das weiß ich wertzuschätzen. So feierte ich zum Beispiel meinen 50. Geburtstag im Rockpalast in Würzburg mit Künstlern und Freunden. Um halb zehn geht der Vorhang auf, Bobby Kimball, der Originalsänger von Toto, sitzt am Flügel auf der Bühne und singt für mich die Welt-Hits Africa, Rosanna und Hold the Line. Bobby ist extra aus Los Angeles für einen Tag eingeflogen, um mich zu würdigen. Wer erlebt schon so etwas?

Hertlein: Das fragen sich viele. Letztes Jahr habe ich mit der Band in Würzburg zu Abend gegessen. In lustiger Runde habe ich Andy gefragt, ob seine Haare echt sind. Da hat er gesagt, "zieh ruhig dran". Ich habe gezogen: Okay, alles echt.
Hertlein: Als Kind habe ich auf Waschpulver-Papptonnen getrommelt, mit 15 mit Freunden eine Band gegründet. Mit 17 saß ich in einer Mathe-Prüfung zur Mittleren Reife. Ich habe mich umgeschaut und gedacht: Diese Spießer hier, ich habe anderes vor. Dann bin ich rausgegangen. Der Lehrer hat gesagt: "Wenn Sie jetzt gehen, werden Sie ein Verlierer des Lebens." Viele Jahre später, ich habe den Auftritt von Bob Dylan in Bad Mergentheim veranstaltet, sprach mich dort ein älterer Mann an, ob ich der berühmte Manfred Hertlein sei. Es war mein damaliger Mathelehrer, und er verneigte sich vor mir für das, was ich geschaffen hatte. Da wusste ich, dass ich den richtigen Weg gegangen bin. Ich bin jedoch heilfroh, nicht eine Musiker-Karriere eingeschlagen zu haben: Ich wäre kaputtgegangen.
Hertlein: Das Musikgeschäft zu viele tragische Geschichten schreibt. Dabei rede ich nicht von Rammstein und Til Lindemann. Irgendwelche Dark Rooms unter der Bühne brauchte es in den Achtzigern nicht. Die Musiker hatten Lust, die Mädels wollten Spaß, es hat sich ergeben. Ich war einmal auf einer After-Show, da lagen schon am Empfangstisch die Linien Kokain - gratis, zur Begrüßung. Oder wenn ich an einen Interview-Termin mit Lemmy von Motörhead denke. Er hat eine 0,7-Liter-Flasche Jack Daniels in 20 Minuten abgepumpt und ist später aufgetreten. Das war Rock'n'Roll, Lebensgefühl der Achtziger.
Hertlein: Daran arbeite ich tatsächlich gerade. Aber keine Biografie, mich kennt ja niemand. Mein aktueller Arbeitstitel heißt: "Ich war unterwegs im Rock'n'Roll-Zug - einmal hin und zurück."

Hertlein: Das ist mein Baby. Das ist meine Musik. Ich höre ein Leben lang nur Hardrock und Heavy Metal. Anfang der Neunziger gab es die Bachtage in Würzburg, in deren Rahmen das Projekt "Rock meets Classic" mit Gary Brooker von Procol Harum ausverkauft war, ebenso die Zusatzshow. Im Gespräch mit dem Dirigenten entstand die Idee, daraus eine Tour zu machen. 1993 starteten wir die erste offizielle Tournee mit Bobby Kimball von Toto, Dan McCafferty von Nazareth und Gary Brooker. Seit 2010 spielen wir jährlich. Seitdem hatten wir Künstler wie Alice Cooper, Kim Wilde, Gianna Nannini, Doro Pesch, Lou Gramm von Foreigner, Ian Gillan von Deep Purple, Midge Ure von Ultravox, Mick Box und Bernie Shaw von Uriah Heep, Joey Tempest von Europe oder Dee Snider von Twisted Sister.
Hertlein: Natürlich ist das Alter ein Problem. Ich kann keinen mehr aus der Classic-Rock-Zeit mit 80 auf die Bühne stellen. Die Tour dauert ein paar Wochen, es muss verlässlich sein, dass Künstlerinnen und Künstler durchhalten. Einen David Lee Roth von Van Halen hätte ich gerne gehabt, aber der ist durch.

Hertlein: Sie müssen ein Gefühl transportieren können. Das Publikum bekommt Songs aus der Jugendzeit. Da werden Erinnerungen wach an die erste Liebe oder an eine Fußball-Weltmeisterschaft. Manchmal kann auch ein Experiment funktionieren: Wie 2023, als wir mit Dee Snider einen Heavy-Metal-Typen engagiert hatten. Er hat die Halle mitgenommen, für eine überragende Stimmung gesorgt.
Hertlein: Weniger als man glaubt. Beispielsweise Paul Rogers von Free, Bad Company und Queen. Er hatte meiner Meinung nach die falschen Lieder rausgesucht. Als ich ihn damit konfrontierte, legte er mir einen Zettel auf den Tisch und sagte: "Schreib mir die Songs auf, die ich morgen für dich singen soll." Und dann hat er tatsächlich dem Publikum gesagt: "Ich singe heute die Lieder, die sich mein Freund Manfred Hertlein gewünscht hat." Nach der Tour erhielt ich eine Mail von seiner Frau und ihm: Im Anhang war ein Zeitungsausschnitt aus London, mit einem Foto des Sängers und einem verletzten Turnierpferd, für das er die Patenschaft übernommen hat. Im Text: "Das Pferd trägt den Namen Manni als Geste von Raul Rogers an seinen deutschen Freund und Produzenten Manfred Hertlein".

Hertlein: Absolut. Aber einen engen hatte ich: Dan McCafferty von Nazareth. Als er 2019 schon von seiner Lungenkrankheit schwer gezeichnet war, kam er noch im Rollstuhl zum All-Stars-Konzertabend anlässlich meines 60. Geburtstags. Es schien unmöglich, dass er mir meinen Wunsch erfüllen könne, ein Lied für mich zu singen. Ich habe ihm gesagt, dass wir uns wohl erst im Himmel wiedersehen würden. Dann haben wir uns umarmt und auf den Mund geküsst. Und er hat doch "Love hurts" für mich gesungen. Das waren Emotionen pur.