Bei einem Trauerstaatsakt im Würzburger Dom haben am Freitagnachmittag über 1000 Besucherinnen und Besucher Abschied von Barbara Stamm genommen. Die ehemalige bayerische Sozialministerin und Landtagspräsidentin war am 5. Oktober im Alter von 77 Jahren in ihrer Heimatstadt einem Krebsleiden erlegen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) würdigte die Leidenschaft und Hartnäckigkeit, mit der sich Stamm vor allem für die "Schwächsten der Gesellschaft" eingesetzt habe. Auch wenn sie nun fehle, "ihr Vermächtnis wird bleiben", sagte Söder.
800 Bürgerinnen und Bürger beim Defilee am Sarg von Barbara Stamm
Bereits am Freitagmorgen nutzten laut Bistum rund 800 Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, der CSU-Politikerin die letzte Ehre beim Defilee im Dom zu erweisen. Der Sarg im Altarraum war mit einem weiß-blauen Rauten-Banner bedeckt. Die Resonanz zeigte, wie sehr sich viele Würzburgerinnen und Würzburger mit der Politikerin verbunden fühlten. Vor Ort befragt, erinnerten sie an die große Nahbarkeit und Warmherzigkeit Stamms.
Auch in der Politik war die gelernte Erzieherin hochgeschätzt, wie die Anwesenheit zahlreicher Weggefährten im Kiliansdom unterstrich. Unter anderem waren neben fast allen aktuellen bayerischen Ministerinnen und Ministern die früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und Günther Beckstein (beide CSU), der frühere hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (beide CDU) nach Würzburg gekommen.
Bischof Franz Jung überraschte mit einer sehr persönlichen Predigt. Er nannte Barbara Stamm eine "kämpferische Frau" und erinnerte daran, wie sie für die Beibehaltung der Schwangerenkonfliktberatung in der katholischen Kirche gestritten oder sich für Geflüchtete eingesetzt hat.
So sei es ihr gelungen, ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Abschiebungen zu verhindern und die Betroffenen wieder aus dem Flugzeug zu holen, sagte Jung. Um einer gerechten Sache Gehör zu verschaffen, habe sie sich nicht gescheut, "wenn nötig auf den Tisch zu hauen".
Claudia Stamm, die älteste Tochter der Verstorbenen, berichtete in emotionalen Worten, wie ihre Mutter angesichts der eigenen Pflegebedürftigkeit noch am Sterbebett darum gebeten habe, sich weiter darum zu bemühen, der Pflege mehr gesellschaftlichen Stellenwert zu verschaffen. Dass das in Maria Bildhausen (Lkr. Bad Kissingen) geplante "Zentrum für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt" den Namen von Barbara Stamm tragen soll, bedeute der Familie viel.
Ilse Aigner, die bayerische Landtagspräsidentin, nannte ihre Vorgängerin eine "bayerische Löwin" und "Dienerin der Demokratie". Stamm habe sich ein Leben lang nicht unterkriegen lassen. Was ihr in der schwierigen Kindheit zwischen Elternhaus, Pflegefamilie und Heim verwehrt geblieben sei, habe sie geprägt, sagte Aigner. Den Landtag habe sie zu einem Ort der Transparenz und Begegnung gemacht.
Ministerpräsident Söder nennt Stamm die "bayerische Queen der Herzen"
Für Markus Söder war die Verstorbene die "bayerische Queen der Herzen". Mit großer Leidenschaft habe sie in der CSU Sozialpolitik gemacht. Bayerische Leistungen wie das Pflege- und das Familiengeld seien auf ihr Engagement zurückzuführen. Auch in Berlin habe man ihre Stimme über Parteigrenzen hinweg geschätzt.
Söder erinnerte auch an Stamms Einsatz für Unterfranken und Würzburg. Mit ihrer Hartnäckigkeit habe sie mehr erreicht als viele Oberbürgermeister der Stadt. Eine Einschätzung, der sich Rathauschef Christian Schuchardt gerne anschloss. Würzburg habe seiner Ehrenbürgerin neben sozialpolitischen Pilotvorhaben auch den Fortgang von Großprojekten wie dem barrierefreien Ausbau des Hauptbahnhofs oder der Erweiterung von Uni-Campus und Uniklinikum zu verdanken.
Barbara Stamm gehörte 42 Jahre lang dem bayerischen Landtag an. 1987 holte sie Ministerpräsident Franz Josef Strauß als Staatssekretärin für Arbeit und Soziales in sein Kabinett. Unter Ministerpräsidentin Edmund Stoiber wurde sie im Oktober 1994 bayerische Sozialministerin, ab 1998 amtierte sie zudem als stellvertretende Ministerpräsidentin.
Im Januar 2001 musste Stamm in der BSE-Krise dann von ihrem Ministeramt zurücktreten. Ein politisches Comeback feierte sie 2008: Der Bayerische Landtag wählte Barbara Stamm als erste Frau zu seiner Präsidentin - ein Amt, das sie bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Landtag 2018 innehatte.