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Würzburg/Helmstadt
Gefahr für Würzburgs Trinkwasser durch Deponie? Verwaltungsgerichtshof mahnt: Gesundheit steht an oberster Stelle
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kritisiert mit deutlichen Worten die Genehmigung einer Bauschutt-Deponie in Helmstadt. Was er zu den drohenden Gefahren sagt.
Tontagebau in Helmstadt im Landkreis Würzburg: Hier will die Recyclingfirma Beuerlein eine Bauschutt-Deponie der Klasse I errichten, auch wenn der Standort innerhalb des Wassereinzugsgebiets der Zeller Quellen und der Trinkwassergewinnung von Waldbrunn liegt. 
Foto: Johannes Kiefer | Tontagebau in Helmstadt im Landkreis Würzburg: Hier will die Recyclingfirma Beuerlein eine Bauschutt-Deponie der Klasse I errichten, auch wenn der Standort innerhalb des Wassereinzugsgebiets der Zeller Quellen und ...
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 11.03.2024 02:47 Uhr

Wenn das oberste Verwaltungsgericht in Bayern die Entscheidung einer fränkischen Behörde zerlegt, ist die Sache brisant: Mit deutlichen Worten kritisiert der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) die Entscheidung des Bergamtes Nordbayern, in Helmstadt eine Bauschutt-Deponie zu genehmigen, die im Trinkwassereinzugsgebiet der Stadt Würzburg liegt. 

Ist das Trinkwasser und somit die Gesundheit von mehr als 65.000 Menschen im Stadtgebiet Würzburg sowie in der Landkreisgemeinde Waldbrunn in Gefahr? Könnten in zehn Jahren gesundheitsgefährdende Stoffe ins Grund- und damit ins Trinkwasser der Bevölkerung gelangen, wenn die Recyclingfirma Beuerlein aus Volkach (Lkr. Kitzingen) ihre geplante Deponie für toxisch leicht belastete Abfälle in Helmstadt errichtet? Offenbar ist dies nicht ausgeschlossen. Denn so deutlich formuliert es ein Richter des obersten bayerischen Verwaltungsgerichts in einem Beschluss.

Deponie-Streit: Um was es geht

Seit bekannt wurde, dass die geplante Bauschutt-Deponie der Firma Beuerlein im Wassereinzugsgebiet der Gemeinde Waldbrunn und der Zeller Quellstollen, die seit 100 Jahren mehr als die Hälfte der Stadt Würzburg mit sauberem Trinkwasser versorgen, liegt, ist sie umstritten. 

Im September 2023 entschied das zuständige Bergamt Nordbayern der Regierung von Oberfranken: Die sogenannte DKI-Deponie darf an dem umstrittenen Standort gebaut werden - unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Auf ihr dürften demnach Materialien der Schadstoffklasse I entsorgt werden, etwa Bodenaushub, Bauschutt, Gleisschotter und Schlacken.

Klage von Stadt, Stadtwerken und Trinkwasserversorgung Würzburg

Gegen diese Entscheidung reichten die Stadt Würzburg, die Stadtwerke und die Trinkwasserversorgung Würzburg GmbH gemeinsam Klage ein. Das Verwaltungsgericht Würzburg verwies das Verfahren an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof - und dieser wiederum gibt jetzt die Zuständigkeit zurück nach Würzburg. Die Begründung: Der BayVGH sei nur für Deponien für "gefährliche Sonderabfälle" von landesweiter Bedeutung zuständig.

Doch auch wenn das oberste Verwaltungsgericht sich für das Verfahren nicht zuständig sieht, gibt der Richter den Kollegen am Verwaltungsgericht Würzburg auf sechs Seiten detaillierte "verfahrensleitende Hinweise" mit. Hinweise, die es in sich haben.

Verwaltungsgerichtshof: "Jede Art von Schäden" beim Trinkwasser vermeiden

Erstens: Auch wenn das geplante Wasserschutzgebiet für die Zeller Quellen offiziell noch nicht ausgewiesen ist, liege die geplante Deponie doch in einem "faktischen Trinkwasserschutzgebiet". Und auch wenn dort kein "absolutes Verbot" für Deponien bestehe, wolle der Gesetzgeber "grundsätzlich jede Art von Schäden, Gefahren und Risiken für das Trink-, Grund- und Oberflächenwasser" genommen wissen.

Zweitens: Auch Beeinträchtigungen des Wassers, die erst in einigen Jahren auftreten könnten, seien auszuschließen. Das Argument, es gebe keinen ausreichenden Deponie-Raum in Unterfranken und diese Deponie werde dringend gebraucht, befreie nicht von der Pflicht zur "bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge". 

Drittens: Dem Hauptargument, mit dem das Bergamt den Standort Helmstadt gegen alle Kritik und gegen fünf mögliche Alternativen wie in Stadtlauringen (Lkr. Schweinfurt) oder Gaibach (Lkr. Kitzingen) verteidigt hatte, widerspricht der Richter.

Oberstes Verwaltungsgericht in Bayern: "Bestandsschutz" kein Argument für Deponie

In Helmstadt hatte das Bergamt der Recyclingfirma Beuerlein bereits im Jahr 2018 erlaubt, ihre zweite Tongrube mit Z2-Material zu verfüllen: Bei Z2 sind ähnliche Abfallstoffe zugelassen wie bei einer DKI-Deponie, allerdings mit geringeren Grenzwerten. Die Sicherheitsvorkehrungen bei der geplanten Deponie müssten höher sein. Deshalb hatte das Bergamt argumentiert, die DKI-Deponie sei sicherer fürs Grundwasser als die bereits bestehende Genehmigung zur Z2-Verfüllung. Und die sei nicht anzutasten. Sie genieße "Bestandsschutz".

Dem widerspricht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jetzt: Dadurch, dass der Betreiber eine Deponie beantragt habe, erlische der Bestandsschutz früherer Genehmigungen. Kurzum: Das Vorhaben sei völlig neu zu bewerten.

Richter: "Menschliche Gesundheit" wichtiger, alle Risiken müssen ausgeschlossen werden

Viertens: Die Deponie sei nur zu genehmigen, wenn es der Betreiber schaffe, sie "für alle Zeit" abzudichten und das Sickerwasser aus dem Einzugsgebiet der Trinkwassergewinnung auszuleiten. Dies sei aber bei der Deponie - so wie sie aktuell in Helmstadt geplant ist - nicht der Fall. 

In dem Beschluss des Gerichts heißt es wörtlich: "Gemessen am Maßstab praktischer Vernunft" könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die "lediglich 2,5 Millimeter starke Kunststoffschutzfolie" reißt, mit der alles abgedichtet werden soll. Auch die geplante zusätzliche Mineralschicht könne nicht mit Sicherheit auf Dauer verhindern, dass kontaminiertes Sickerwasser ins Grund- und Trinkwasser gelange.

Das Fazit des Verwaltungsgerichtshofs: Anders als der Schutz des Grundwassers stehe die menschliche Gesundheit nicht unter Abwägungsvorbehalt. Könnten Gefahren nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dürfe die Deponie nicht gebaut werden. Der Betreiber müsse seine Pläne nachbessern und die Deponie durch Wasserauffangbecken aus Beton vollständig abschirmen. Andernfalls habe das Vorhaben zu unterbleiben.

Verwaltungsgericht Würzburg: Klage ruht, Mediationsverfahren geplant

Die Würzburger Grünen-Landtagsabgeordneten Kerstin Celina und Patrick Friedl zeigen sich erleichtert. In einer Pressemitteilung sprechen sie sich für das geplante Trinkwasserschutzgebiet aus - und gegen die beiden Großprojekte, die Deponie bei Helmstadt und den Gips-Abbau der Firma Knauf bei Altertheim. "Beide Projekte bergen in der langen Sicht unkalkulierbare Risiken", so Friedl. Der Schutz der Trinkwasserversorgung müsse für alle Zeit sichergestellt sein - und nicht nur für die nächsten 25 Jahre. 

Um den Konflikt um die Deponie zu lösen, empfiehlt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jetzt ein Mediationsverfahren zwischen allen Beteiligten. Auf Nachfrage bestätigt das Verwaltungsgericht in Würzburg, dass sich die Kläger - die Stadt Würzburg, die Stadtwerke und die Trinkwasserversorgung Würzburg - auf ein Mediationsverfahren einlassen und ihre Klage ruhen lassen wollen. Vorerst.

 
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  • Andreas Gerner
    Ohne in der Sache werten zu wollen !

    Die Art und Weise des Vorgangs ist aber besonders und bemerkenswert:

    Das Verwaltungsgerichtshof verweist zurück wegen fehlender Zuständigkeit, beeinflusst das zuständige Verwaltungsgericht aber derart durch die getätigten Äußerungen.

    Zu Deutsch: Es geht uns gar nix an, aber trotzdem sagen wir denen, wie sie zu entscheiden haben...

    Im Sinne des Erfinders ?

    Und dann ein Mainpost Artikel der nicht als Kommentar gekennzeichnet ist, also sich al s Bericht tarnt, schmückt aus mit Begriffen wie "zerlegt".

    PS:
    Ich wiederhole: Ich will in der Sache nicht werten. Ich kann nicht beurteilen, wie sicher und dauerhaft die Art der Abdichtung ist und sein muss. Klar hält die Folie nicht ewig. Aber mit der zusätzlichen Mineralschicht (in dem Fall bestimmt Ton) hat man Erfahrungen. Sowohl mit künstlichen, als auch natürlichen (hunderdtausende Jahre alte) Vergleichsobjekten.
    Und ich kenne auch die Gegebenheiten an den möglichen Alternativstandorten nicht.
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  • Georg Ries
    Der VGH ist die Instanz, die über das erstinstanzielle Urteil entscheidet. Wenn es soweit kommt. Insofern sind Hinweise durchaus legitim. Wenn die auch nur von einem Richter verfasst sind, nicht von einer Kammer. Man wird sehen, wie das VG Würzburg entscheidet. Wenn ich das WSG richtig im Kopf habe, liegt die Deponie am Rand des Schutzgebietes. 100 Meter weiter kräht da kein VGH danach. Spannend wäre, ob das Schutzgebiet wirklich sauber abgegrenzt ist. Das Grundwasser richtet sich anscheinend genau nach Grundstücksgrenzen 🤪
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  • Andrea Angenvoort-Baier
    Der VGH hat die Aufgabe zu überprüfen, ob das Urteil der unteren Instanz richtig zustande kam. Das heißt nicht, dass er in der Sache nicht zuständig ist. Ein Gericht, das nicht zuständig ist, weist wegen Unzuständigkeit von vornherein ab.
    Wenn der VGH zu der Überzeugung kommt, dass das VG das Gesetz nicht richtig angewandt hat, verweist er zurück und macht Vorgaben, damit das VG unter diesen Bedingungen zum richtigen Urteil kommt. Das VG ist für das Urteil zuständig, der VGH für die Überprüfung der Urteilsfindung.
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  • Georg Ries
    Der VGH entscheidet über Urteile und Entscheidungen der Verwaltungsgerichte. Dazu finden sich in der Entscheidungsdatenbank viele Fälle, wo die erste Instanz aufgehoben oder abgeändert wird. Insofern habe ich Zweifel an Ihrer Darstellung.
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