Die forensischen Kliniken in Bayern sind am Limit. Denn die Gerichte schicken immer mehr Straftäterinnen und Straftäter wegen einer Suchterkrankung oder einer psychischen Störung in die Psychiatrie statt ins Gefängnis. Ihre Zahl ist seit 2015 von 2583 Personen auf aktuell rund 3000 gestiegen. Und zwar ohne dass die Zahl der Plätze entsprechend angepasst worden wäre. Weil forensische Kliniken die Verurteilten aufnehmen müssen und nicht abweisen dürfen, sind die bayerischen Forensiken aktuell extrem überbelegt. Dies gilt auch für Unterfranken.
Die aufgrund von Überlastung notwendige Erweiterung der Forensischen Abteilung im Bezirkskrankenhaus in Werneck (Lkr. Schweinfurt) hätte eigentlich schon 2020 starten sollen; sie hat sich laut Bezirkspressesprecher Markus Mauritz aber verzögert. Erst im März 2022 haben die Erdarbeiten für den 35 Millionen Euro teuren Umbau begonnen; die Bauarbeiten dürften laut Pressesprecher mindestens zwei Jahre dauern. Unterdessen stehen für die psychisch kranken und ausschließlich männlichen Straftäter in Werneck laut Pressestelle 59 Planbetten zur Verfügung – doch bei derzeit 77 Insassen reichen diese Betten bei weitem nicht aus. Schon seit 2020 werden laut Forensik-Chefarzt Roland Schaumann deshalb "Zweibettzimmer als Dreibettzimmer genutzt" – in der Pandemie nicht gerade ein idealer Zustand.
Schweregrad der kriminellen Patienten steigt an
Vor allem aber in der Forensik des Bezirkskrankenhauses in Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart) herrscht massive Überbelegung. In dieser Klinik, die für 118 Straftäterinnen und Straftäter ausgelegt ist, leben aktuell 192 Patienten – fast nur Männer. Überbelegung plus Pandemie führen zu einer angespannten Situation. Dazu kommt, dass in der Lohrer Forensik der "Schweregrad der Patienten kontinuierlich ansteigt", wie Chefarzt Professor Dominikus Bönsch auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt. "Im Gegensatz zu früher können besonders schwierige Patienten nirgendwo anders hin verlegt werden."
Jahrzehntelang war es in Bayern üblich, hochgradig gefährliche und psychisch kranke Straftäterinnen und Straftäter in der besonders gut gesicherten Forensik in Straubing (Niederbayern) unterzubringen; dies ist seit einem Beschluss des Bayerischen Sozialministeriums von 2019 nicht mehr möglich. Als Folge dieser Justizentscheidung müssen die 13 anderen bayerischen Forensiken nicht nur "ihre" hochgefährlichen Straftäter aus der Region behalten; sie müssen mittlerweile auch jene besonders gefährlichen Patientinnen und Patienten zurücknehmen, die sie Jahre zuvor nach Straubing überwiesen haben.
Erweiterungsbau in Werneck und bauliche Veränderungen in Lohr bisher noch nicht realisiert
Um diese Personen adäquat betreuen zu können – bei gleichzeitigem Schutz der Pflegekräfte und Mitpatienten – sind dem Lohrer Klinikleiter zufolge bauliche Veränderungen unabdingbar: Gebraucht würden mehr Schleusen und mehr vandalismussichere Einzelzimmer. "Dazu gehören Waschbecken, die man nicht aus der Wand reißen kann. Fenster, die man nicht einschlagen kann. Betten, die nicht verrückt werden können", so Bönsch.
Mittlerweile sind etliche hoch psychotische Straftäter von Straubing nach Lohr zurückverlegt worden; die baulichen Veränderungen, die Bönsch als zwingend notwendig ansah, lassen aber auf sich warten. "Die geplante Erweiterung der Forensik um zwei besser gesicherte Stationen ist bisher nicht realisiert", sagt Bezirkssprecher Mauritz im April 2022 auf Anfrage.
Für die Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte, aber auch für die Betreuten selbst bedeutet dies ein noch höheres Risiko für gewalttätige Konflikte. "Sehr kranke, psychotische und dadurch auch schwierige Patienten benötigen Ruhe, Einzelzimmer, individuelle Zuwendung. Die Unterbringung mehrerer hoch psychotischer und erregter Patienten in kleinen Zimmern mit Stockbetten auf beengten Stationen kann nur zu großen Problemen und Gefährdung führen", erklärt Bönsch auf Nachfrage. An Weihnachten 2019 hat ein junger Straftäter in der Lohrer Forensik einen Mitpatienten ins Koma geprügelt; eine Wiederholung solcher Gewalt-Eskalationen will die Klinik natürlich unter allen Umständen verhindern.
Neben Bayern klagen viele andere Bundesländer über unhaltbare Zustände in der Forensik
Ein Weg aus der Misere ist für die nahe Zukunft nicht sichtbar. Neben Bayern klagen viele andere Bundesländer über unhaltbare Zustände in der Forensik; im vergangenen Jahr etwa tobte in Baden-Württemberg darüber eine hitzige Diskussion, nachdem vier Männer aus der forensischen Klinik in Weinsberg (Lkr. Heilbronn) geflohen waren. Auch in Baden-Württemberg sind innerhalb weniger Jahre die Patientenzahlen in der Forensik stark gestiegen – bei stagnierenden Personalzahlen.
Zu viele Straftäter mit "missbräuchlichem Drogenkonsum" in der Forensik?
Praktiker - sowohl aus Bayern wie auch aus Baden-Württemberg - kritisieren, dass der Forensik seit einigen Jahren zunehmend Patientinnen und Patienten zugewiesen würden, bei denen keine eindeutige Abhängigkeitserkrankung vorliege, sondern eher ein missbräuchlicher Drogenkonsum als Teil eines kriminellen Lebenswandels. Ist es haltbar, dass diese Personen nach Paragraf 64 des Strafgesetzbuches (StGB) in zunehmendem Maß die forensischen Kliniken füllen? Dieses Thema beschäftigt seit Januar 2021 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe - sie soll den Paragrafen reformieren.
Mittlerweile hat diese Arbeitsgruppe ihre Untersuchung abgeschlossen und einen Bericht fürs Bundesjustizministerium abgegeben. Dessen Kernanliegen ist es, eine stärkere Fokussierung der Unterbringung auf wirklich behandlungsbedürftige und behandlungsfähige Straftäterinnen und Straftäter zu erreichen. Das soll Entziehungsanstalten entlasten – zumindest im Sinne eines Abbremsens des langjährigen Anstiegs der Unterbringungszahlen. Erreicht werden soll dies unter anderem, indem die Anordnungsvoraussetzungen nach Paragraf 64 StGB in mehrfacher Hinsicht enger gefasst und der regelmäßige Zeitpunkt einer Reststrafaussetzung an den bei der reinen Strafvollstreckung üblichen Zweidrittelzeitpunkt angepasst werden.
Wenn ihr Bekannter schon seit 8 Monaten in U-Haft sitzt, dann hat er sicher mehr ausgefressen, als nur einen Joint geraucht. Und dann wird er, nachdem er beim Richter war, sicher auch nochmal einsetzen.
Wie der Pleite-Boris eine saftige Geldstrafe bezahlen soll, das wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben. Und selbst wenn er sie bezahlen würde, dann bekäme er ja sofort neuen Ärger, weil er das Geld dafür wohl auch vorm Insolvenzverwalter versteckt hätte.
Ich übersetze mal: die Psychiatrien sind überfüllt, also wollen wir die Straftäter einfach früher wieder raus- und damit auf die Bevölkerung loslassen.
Drogenproblem? Wie wärs denn mit Entzug und dann ab in den Knast?