"Das ist ein schlechter Wind, der keinem Gutes bringt." Sagt Mark Twain. Und ist damit nicht der einzige. Volksmund und Netz kennen jede Menge Sinnsprüche wie "Es gibt nichts Schlechtes, an dem nicht auch etwas Gutes ist". Oder: "Wer weiß, wofür es gut ist?" Oder, um es mit Eugen Roth zu sagen: "Der Mensch bleibt steh’n und schaut zurück und sieht sein Unglück war sein Glück." Das Virus, das seit einem Jahr die Welt lahmlegt, hat für sich genommen bestimmt keine guten Seiten – auf den ersten Blick eindeutig ein schlechter Wind. Und doch gibt es Dinge, die durch Corona besser geworden sind. Besser gesagt: dank der Maßnahmen dagegen und dank des Umgangs der Menschen damit. Hier sind fünf Beobachtungen – subjektiv und garantiert unvollständig.
Mehr Bewegung
Der erste sichtbare Effekt des ersten Lockdowns: Spazierwege und Parks waren plötzlich auch zu Zeiten gut besucht, in denen sonst nur Hundebesitzer unterwegs sind. Es schien, als hätten die Menschen die Auflage, "nur mit triftigem Grund" das Haus zu verlassen, verbunden mit der Konzession, dass "Bewegung an der frischen Luft" in Ordnung sei, als direkten Marschbefehl aufgefasst. Aber auch sonst finden sich immer wieder kreative Ansätze, um nicht auf dem Sofa zu versumpfen. Am Karlstadter Johann-Schöner-Gymnasium zum Beispiel haben die Schüler seit Januar tägliche Sporteinheiten per Video, vorher gab's nur ein- bis zweimal pro Woche Sportunterricht. 580 von 800 Schülern haben sich für die "JSG-Sport-Challenge" angemeldet – freiwillig.
Mehr Umwelt
Auch wenn die langfristigen Klima-Prognosen eher pessimistisch sind, so wirkten sich Homeoffice, gedrosselte Industrieproduktion und ruhender Flugzeugverkehr doch aus: Anfang des Jahres meldete die "Tagesschau", dass Deutschland als Folge der Corona-Krise das Klimaschutz-Ziel für das Jahr 2020 übertroffen habe. Der Treibhausgas-Ausstoß habe 42,3 Prozent unter dem Wert von 1990 gelegen – angestrebt waren nur 40 Prozent weniger. Allerdings: Sobald die Wirtschaft wieder anzieht, werden die Emissionen wieder ansteigen, da macht sich niemand etwas vor. Ein Effekt aber könnte Bestand haben: Viele Menschen haben sich daran gewöhnt, das Auto öfter mal stehenzulassen. Haben gelernt, dass eine E-Mail unter Umständen ganze Konferenzen ersetzen kann. Und, ganz generell gesagt: Dass man mit weit weniger Konsum auskommt, als gedacht. Schlecht für die Wirtschaft – für die Umwelt nicht.
Mehr Miteinander
"Der Ton wird gereizter", heißt es dieser Tage immer wieder. Umso wichtiger, hier ein neues Miteinander zu würdigen, das sich trotz Pandemie-Müdigkeit in vielen Formen bemerkbar macht. Jüngere kaufen für Ältere ein. Gäste kaufen Gutscheine für lokale Gastronomie und Einzelhandel. Ende Januar schenkten Handwerker geschlossenen Frisörsalons ihre Arbeitszeit für dringende Kleinreparaturen. Festivals, Theater und Veranstalter berichten, sehr viele Menschen hätten Karten für ausgefallene Veranstaltungen nicht zurückgegeben - und damit den gezahlten Preis gespendet. Beim Mozartfest 2020 kamen so 75 000 Euro zusammen. Dem Theater Schloss Maßbach half eine Spendenaktion seiner Zuschauer. Und das nicht stattfindende Festival "Keiner kommt nach Schweinfurt – alle machen mit" brachte in Schweinfurt fast 33 000 Euro ein, die an coronageschädigte Künstlerinnen und Künstler ausgeschüttet wurden.
Mehr Kreativität
Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt hat die Krise bei 16 Prozent der Unternehmen zu einem Kreativitätsschub geführt. Nicht alle Ideen sind so öffentlichkeitswirksam wie die eines Konditors in Bad Königshofen: Er brachte erst Nikoläuse und nun Osterhasen mit Mundschutz heraus. Der Shitstorm, den die erste Aktion losgetreten hatte, blieb glücklicherweise bei der zweiten aus.
Vor allem die Kulturszene, sozusagen von Berufs wegen kreativ, hat sich einiges einfallen lassen, um sichtbar zu bleiben. Das Mozartfest erprobte im Juni neue Konzertformate. Brigitte Obermeier, Inhaberin des Theaters Sommerhaus in Winterhausen, bietet ihren sonntäglichen "Lesebrunch" als Lesung im Netz an. Museen laden zu virtuellen Führungen, Musiker streamen vom heimischen Sofa aus. Und der Dachverband Freier Würzburger Kulturträger stellt in seiner Videoserie "Kulturpunkte Hausbesuche" Künstlerinnen und Künstler aus der Region vor.
Mehr Bewusstsein
Zugegeben: Dieser letzte Punkt ist etwas schwammig. Er ist, wenn man so will, die Essenz aller anderen Punkte. Das Motto könnte lauten: mehr Bewusstein. Viele Menschen lernen neu zu schätzen, was sie haben. Ihr Zuhause, ihre Familie, ihre Freundschaften. Sie wünschen einander "Bleib gesund" und meinen es auch so. Sie genießen Entschleunigung und Ruhe. Sie gehen Dinge an, die sonst immer hinten auf den Prioritätenlisten landen. Den Keller ausmisten. Selber Brot backen. Briefe schreiben. Ein neues Hobby beginnen, etwa ein Instrument lernen. E-Gitarren zum Beispiel verkauften sich im Lockdown so gut wie lange nicht mehr. Oder wie wärs mit einen neuen Sport? Hula Hoop ist derzeit der Renner. Es ist, als würde uns endlich bewusst, wie wertvoll Zeit ist. Und wenn es dafür erst eine Pandemie braucht, dann ist das eben so.