
Es ist Anfang Juni, ein Sonnentag, und es wird gearbeitet, gehämmert, gesägt, geschneidert, gebastelt und – wieder geprobt im Maßbacher Theater. Dazu zwitschern munter die Vögel im Park. Man könnte meinen: ein Idyll. Oder zumindest ein Theatertag wie jeder andere. Aber so ist es natürlich nicht. Dass die Stimmung im Hause so gelöst wirkt, hat sicher auch damit zu tun, dass sich die Theaterleute um Intendantin Anne Maar in den vergangenen Wochen und Monaten zusammensetzten und sich, umzingelt von Krise und Verordnungen, entschlossen: „Jetzt erst recht!“ Anne Maar erzählt auf der Terrasse des Hauses, wie die Theaterleute mit den Gegebenheiten umgehen, die auch ihr Berufsleben auf lange Zeit verändern werden. Später gesellt sich die Regisseurin und Schauspielerin Sandra Lava dazu, die eben mit den Proben zum einzigen Sommerstück, „Honig im Kopf“, begonnen hat.
Anne Maar: Wir versuchen, das Beste daraus zu machen und einfach unter den augenblicklichen Bedingungen weiter das zu tun, was wir uns wichtig ist, nämlich Theaterspielen.
Maar: Wir hatten sowieso schon mal den Gedanken, dass wir gemäß dem Prinzip „Arbeiten aus dem Geist der Gemeinschaft“ für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Praktika in verschiedenen Bereich anbieten.
Maar: Genau. Und jetzt haben viele Schauspielende mit Spaß ein Praktikum in der Schneiderei gemacht und Mund-Nase-Masken genäht. Und wir treffen uns einmal in der Woche und reden miteinander. Wir haben theaterwissenschaftliche Vorträge gehört über Rolle, Figur und Geste, über Aufführungspraxen und Theaterlehren. Und wir haben uns während des Berliner Theatertreffens online eine Inszenierung angeschaut und darüber gesprochen.
Maar: Das ist normalerweise nur dann möglich, wenn jemand genügend freie Zeit hat. Aber wir hatten das schon lange vor Corona geplant. Wir hatten auch vor, dass wir einen Schauspiel-Workshop für die Nichtschauspieler machen, um ihnen zu zeigen, wie es so ist, auf der Bühne zu stehen.

Maar: Die absolut Notleidenden gibt’s unter den Freiberuflern. Die, die hier sind, sind alle angestellt. Sie müssen freischaffende Regisseure oder Bühnenbildner fragen, bei denen vieles weggebrochen ist. Aber unsere Mitarbeiter sind erst einmal alle angestellt. Sie verdienen im Vergleich zu anderen Theatern sehr wenig. Deswegen hatten wir uns entschlossen, die Gehälter während der Kurzarbeit auf hundert Prozent aufzustocken, das heißt, sie bekamen im Prinzip das Gleiche wie sonst.
Maar: Das war am Anfang so, als es hieß: Es werden alle Theater geschlossen. Da war ich panisch.
Bis ich das mit der Kurzarbeit rausgefunden hatte, bis wir die erste Soforthilfe bekamen und bis uns alle Zuschussgeber mitteilten, dass sie die Zuschüsse zahlen werden wie bisher. Ich war panisch, bis mir klar wurde, dass wir durch Kurzarbeit und dadurch, dass wir so viele Produktionen absagen mussten, auch sehr viel sparen. Deswegen kommen wir zumindest bis zum Ende des Jahres hin.
Maar: Es gab eine Spendenaktion unserer Zuschauer. Die haben uns sehr großzügig unterstützt. Wir bekommen immer wieder Spenden von Menschen, die uns wohlgesonnen sind. Es war auch sehr herzerwärmend, wie Zuschauer reagierten: „Wir vermissen euch.“
Maar: Da habe ich an sich ganz gute Erfahrungen gemacht. Der Landrat von Bad Kissingen rief an und fragte, ob er was tun und wie er helfen könne. Der Förderverein des Theaters hat ja seinen Sitz im Landratsamt, und der hat jetzt auch noch einmal eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Da haben wir schon Unterstützung erfahren.
Maar: Ich nahm an einem Treffen bayerischer Intendanten teil, auf dem ein Konzept erarbeitet wurde, wie die Theater wieder öffnen könnten. Man hatte schon das Gefühl, dass die Politik das Theater lange Zeit überhaupt nicht wahrnahm. In allen Pressekonferenzen von Herrn Söder ging's anfänglich um Pediküre und Maniküre, um Gastronomie und was weiß ich alles, aber es ging nicht um Theater.
Maar: Es gibt nur die Komödie „Honig im Kopf“, Premiere am 3. Juli. Wir spielen bis Mitte September, wahrscheinlich von Mittwoch bis Sonntag, weil wir durchschnittlich ja nur etwa 70 Zuschauer auf die Freilicht-Tribüne bekommen. Es wird jedesmal anders sein. Das hängt davon ab, wie viele Leute eines Hausstands kommen und wie viele eines befreundeten Hausstands. Alle Karten werden telefonisch vorreserviert und zugeschickt.
Maar: Auf der Tribüne finden eigentlich 313 Zuschauer Platz. Jede zweite Reihe muss aber leerbleiben. Von einem Hausstand – gegebenenfalls mit einem befreundetem Hausstand als Begleitung – zum nächsten Hausstand bleiben drei Plätze frei. Wenn eine Gruppe aus Einzelpersonen kommt, dann heißt es: einer sitzt, drei Plätze frei, einer sitzt, drei Plätze frei und so weiter.
Maar: Wie das Ganze umgesetzt wird, das ist schon aufwändig, das müssen wir mit unserem Einlasspersonal üben. Wir haben einen Arbeitsschutzausschuss mit Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen. Die Einzelheiten müssen noch weiter ausformuliert und die Leute instruiert werden. Das macht natürlich nicht so wahnsinnig viel Spaß. Wir würden uns lieber um andere Dinge kümmern.
Maar: „Cyrano in Chicago“ wird entweder nächsten oder übernächsten Sommer gespielt. Und „Lügen haben junge Beine“ ist auf nächstes Jahr verschoben. Die kommende Spielzeit hätte eigentlich mit „Endspiel“ begonnen. Das muss verlegt werden. Deswegen müssen wir jetzt für die Spielzeiteröffnung ein neues Stück finden, ein Zweipersonenstück. Und die geplante Wiederaufnahme „Schimmelreiter“ wird wegen der geltenden Abstandsregeln aufs Frühjahr verschoben.
Maar: Die Vielfalt ist verloren gegangen. Alle Stücke hätten Geschichten erzählen können, jede Inszenierung auf ihre Weise. Gerade dass das Sommerkinderstück, „Oscar, Rico und die Tieferschatten“ wegfällt, macht mich traurig. Wenn wir es ins Programm bringen, dann erst übernächste Spielzeit. Im Jugendtheater stand eine Uraufführung an, „Was glaubst'n du?“ Die haben wir auf nächste Spielzeit verschoben. Kinder- und Jugendtheater findet bis zum Herbst nicht mehr statt. Damit wird natürlich die ganze kulturelle Teilhabe von jungen Menschen beschnitten.
Maar: Zwanzig.
Maar: Ich kann ja im Gesundheitsamt nachfragen. Wir werden im Oktober eröffnen und die Besucherzahlen gegebenenfalls anpassen.
Maar: Ich wollte die Abos jetzt nicht aussetzen, weil ich Angst habe, dass die Abonnenten dann vielleicht sagen: „Ach, es geht ja auch ohne.“ Wir haben jetzt alle angeschrieben und gefragt, ob sie auch Mittwoch oder Donnerstag in die Vorstellung kommen könnten. Es gibt dann auch nur einen Einheitspreis, weil ja niemand seinen normalen Platz behalten kann.
Sandra Lava: Am Anfang war vieles eher unvorstellbar. Inzwischen finden wir's spannend, inwiefern die Einschränkungen die Inszenierung verändern werden. Wir haben Glück, denn bei „Honig im Kopf“ können wir alles präsent in die Geschichte einbauen.
Lava: Nein, nein. Das machen wir nicht. Wir machen eine Variante, die alles kann (lacht). Umarmungen sind im Moment schwierig. Wir suchen nach kreativen Lösungen, finden die auch und haben Spaß damit, uns Dinge auszudenken. Ansonsten haben wir während der Proben Visiere auf, damit wir nicht non stop an Abstände denken müssen. Außerdem haben wir einen Regieassistenten, der uns darauf aufmerksam macht, wenn sich Schauspieler auf der Bühne zu nahe kommen.
Maar: Wir planen, aber wir wissen es nicht. Haben unsere Zuschauer dann weniger Geld, weil es eine Rezession gibt? Kommen sie noch? Wie werden die Einnahmen nächstes Jahr sein? Wir planen mit allen Produktionen. Aber was wird mit den Zuschüssen? In diesem Jahr kommen wir hin, weil wir sechs Produktionen eingespart haben.
Maar: So ist es.
Von 3. Juli bis Mitte September spielt das Theater Schloss Maßbach auf der Freilichtbühne "Honig im Kopf". Der Kartenvorverkauf beginnt am 15. Juni: Tel. (09735) 235, www.theater-massbach.de. Regie: Sandra Lava; Bühne: Robert Pflanz; Kostüme: Daniela Zepper. Mit Anna Katharina Fleck, Dorothee Höhn, Benjamin Jorns, Marc Marchand, Fritz Peter Schmidle.