Werden die Schüler des Karlstadter Johann-Schöner-Gymnasiums in Coronazeiten sogar sportlicher? Normalerweise haben sie zweimal oder gar nur einmal pro Woche Sportunterricht. Seit Montag, also seit dem ersten Schultag nach den Winterferien, treiben sie täglich um 10 Uhr Sport. Die Teilnahme ist freiwillig bei dem Angebot, das die Lehrkräfte der Fachschaft Sport machen. Doch von den rund 800 Gymnasiasten hatten sich bis Mittwoch beachtliche 578 für die "JSG-Sport-Challenge" angemeldet, also fast drei Viertel.
Die elf Sportlehrkräfte der Schule drehen von sich selbst Videos mit Sportaufgaben. Jeden Tag gibt's eines davon als neue sportliche "Wundertüte". Die Schüler sollen versuchen, das, was ihnen da angeboten wird, selbst zu absolvieren. "Da ist alles dabei: Kraft, Geschicklichkeit, Beweglichkeit, Koordination, Schnelligkeit, mal ist es mit Musik, mal ohne", schildert Sportlehrerin Sonja Hain.
Ihr Kollege Peter Elsesser ergänzt: "Wir bauen verschiedene Schwierigkeitsstufen ein, sodass die Aufgaben herausfordernd, aber immer auch machbar sind." Bestes Beispiel ist sein eigener Beitrag, bei dem er mit dem Fußball jongliert. Der Sportlehrer zeigt zunächst, wie das in Perfektion aussieht. Mit dem Fuß aufnehmen, kicken, kicken, dann mit dem Oberschenkel, dann wieder mit dem Fuß – und so weiter.
Für alle Könnensstufen etwas dabei
Allen, die das noch nie gemacht haben oder damit nicht zurechtkommen, hilft er in einem Tutorial, also einer kurzen Anleitung: 1. mit der Fußsohle den Ball hin- und herrollen. 2. den Ball nach dem Herrollen auflupfen. 3. kicken und einmal aufdotzen lassen. 4. zweimal in Folge kicken. 5. dauerhaft mit Kicks hochhalten.
Das macht Spaß, wenn man's kann, frustriert aber schnell alle, die damit noch nie zu tun hatten. Auch für die gibt's eine Übung: auf einem Fuß stehen und mit dem anderen den Ball auf dem Boden um den Fuß herumspielen. Eine gute Vorübung ist auch das Jonglieren mit einem Luftballon.
Und den Profis zeigt Elsesser die Steigerung: das Aufnehmen des Balles mit beiden Beinen aus dem Lauf, das Kreisen um den Ball nach jedem Kick ("Around the World") und den "Foot Stall", also das Balancieren des ruhenden Balles auf dem angezogenen Fuß.
Als Kontrast dazu hat Sonja Hain ein fast zwölfminütiges Video mit Yoga-Übungen für Hüfte und Wirbelsäule gedreht. Sie zeigt Klassiker. Katzenbuckel und Hohlkreuz im Vierfüßlerstand gehören ebenso dazu wie der "herabschauende Hund". Wirkt sehr professionell – von der Ausführung bis dahin, dass sie die Anweisungen, wann wie zu atmen ist, mit der für solche Videos typischen Sprachmelodie spricht.
"Wir machen aus Pudding Muskeln"
Wieder völlig anders kommt das Video von Jürgen Flettner daher. In seinem Keller benötigt er nur ein Buch als Hilfsmittel. Es geht darum, Liegestütze so tief zu machen, dass die Stirn das Buch berührt. "Wir machen aus Pudding Muskeln", verspricht er. Ob die Schüler nach dem Lockdown wiederzuerkennen sind? Bis zum 17. Januar können sie ihm melden, wie viele Liegestütze sie schaffen.
Auch Schulleiter Walter Fronzcek will eventuell ein Video einstellen. Hain und Elsesser freuen sich schon: "Wir sind gespannt." Seine Fächerverbindung ist Sport/Biologie. Für die Schüler werde es jedenfalls reizvoll sein, auch mal ihren 65-jährigen Schulleiter als ihren "Vorturner" zu sehen.
Videos nicht für die Öffentlichkeit zugänglich
Schließlich können auch Schüler selbst eine Challenge erstellen. Freilich ist Youtube bereits voll mit Sportvideos. "Bei uns ist das aber persönlicher", meint Sonja Hain. Die JSG-Videos sind nicht öffentlich im Internet zugänglich, sondern nur für Zugehörige dieses Gymnasiums. Zur Bildung würden nicht nur Mathe, Englisch und Deutsch gehören, sondern auch ästhetische und künstlerische Fächer. Und die sollen in der Coronazeit nicht vernachlässigt werden. Mindestens bis Ende Januar sind die Schulen dicht. Hain: "Wir fürchten, dass der Sportunterricht als letztes Fach wieder normal stattfinden kann."
Das mit der Zeit täglich um 10 Uhr passe gut in den Tagesablauf beim Homeschooling. Von 8 Uhr an sind nämlich erst einmal die Kernfächer an der Reihe. Und dann sei es gut, mal vom Schreibtisch aufzustehen und sich zu bewegen. Für den Sonntag haben sich die Sportlehrer etwas Besonderes ausgedacht: "Der Sunday ist der Runday." Die Jugendlichen sollen sich fortbewegen, egal ob zu Fuß, auf dem Rad oder mit Inlinern. Die erreichten Kilometer werden gemeldet und von der Schule addiert. Eine Lehrkraft legt dann die zurückgelegte Strecke bei Google Maps ab. So können alle sehen, bis wohin sie sich gemeinsam bewegt haben. Es wird spannend.
Bitte zudem bedenken: nicht alle Familien haben gutes Internet und genug Endgeräte, das ist der Grund. Danke fürs Mitdenken.
Gruß