Der Festival-Kalender 2021 ist gut gefüllt, die Termine stehen, der Vorverkauf läuft: Rock im Park und Umsonst & Draußen im Juni, Mission Ready im Juli, Taubertal-Festival und Summer Breeze im August. Auch die Bands stehen weitestgehend fest, nicht selten wurde das Aufgebot der 2020 abgesagten Festivals mehr oder weniger deckungsgleich ins kommende Jahr verschoben.
Doch was kann davon in welcher Form wird stattfinden? Sichere Aussagen kann in dieses Tagen, in denen in Bayern wieder der Katastrophenfall gilt und täglich neue Corona-Rekordzahlen erreicht werden, noch niemand machen. Dennoch stecken die Veranstalter in der Planungsphase – und spielen verschiedene Szenarien für ihre Festivals durch.
Rock im Park: Hoffnung auf normalen Betrieb unter Auflagen
Das größte Festival Süddeutschlands ist Rock im Park, veranstaltet von der Würzburger Agentur Argo Konzerte. In normalen Sommern kommen zwischen 70 000 und 80 000 Fans auf das Nürnberger Zeppelinfeld. Seit März arbeite man mit 100-prozentigem Einnahmeausfall bei minimaler Bürobesetzung, heißt es auf Anfrage aus der Agentur. Derzeit bekomme man keinerlei staatliche Hilfen, ein Großteil der Mitarbeiter sei in Kurzarbeit.
Momentan fällt es uns – so wie allen anderen auch – schwer, Prognosen abzugeben, wann der reguläre Veranstaltungsbetrieb weitergehen kann", teilt Argo per Mail weiter mit. Wenn man aber die Entwicklungen im Ausland beobachte, etwa in Australien, so sehe man doch sehr deutlich, dass die Infektionszahlen im Frühjahr und Sommer deutlich zurück gehen. "Wir hoffen daher auf einen halbwegs normalen Betrieb ab dem Sommer 2021 bzw. unter Auflagen möglicherweise schon im Frühjahr."
Taubertal-Festival: Zwei denkbare Szenarien
"In die Kugel schauen", nennt Volker Hirsch die Beschäftigung mit 2021. Hirsch ist Geschäftsführer der Konzert-Agentur Rothenburg, die das viertägige Taubertal-Festival veranstaltet. Er und sein Team haben denkbare Szenarien entwickelt. Zwei davon scheinen die wahrscheinlichsten.
Die erste: Ein einigermaßen normales Festival (geplant vom 12. bis 15. August) für alle, die bereits Karten gekauft haben, und das sind 80 Prozent der möglichen Besucher (15 000 in normalen Jahren). Allerdings unter Hygiene-Auflagen. Also vor allem mit Abständen. Volker Hirsch könnte sich vorstellen, mehrere Bühnen aufzubauen, um das Publikum optimal zu verteilen. "Es könnte auf das Konzept bestuhlt mit Bier am Platz hinauslaufen, dann gäbe es immerhin ein echtes Live-Erlebnis. Trinkspiele wie Flunkyball am Campingplatz allerdings wird es sicher nicht geben."
Die zweite Möglichkeit: eine erheblich verkleinerte "Corona-Version", große Abstände, alle Gäste sitzend. "Für diese Version müssten wir aber mit dem Kartenvorverkauf bei Null beginnen", sagt der Geschäftsführer. "Das wäre auch nur ein Angebot an die Fans, die unbedingt kommen wollen. Das eigentliche Festival würden wir dann auf 2022 verlegen." Die unabhängige Agentur ist mit drei Festangestellten und drei Freiberuflern eher klein. "So haben wir niedrigere Fixkosten, müssen die Last allerdings auch alleine tragen. Aber wir haben die letzten Jahre gut gewirtschaftet, wir können noch einen Sommer durchstehen, egal, wie es kommt", sagt Hirsch.
Auch wenn es ihm immer schwerer falle, "Optimismus an den Tag zu legen", so rechnet der Tauertal-Geschäftsführer doch damit, dass sich die Lage im Sommer dank Schnelltests und Impfung entspannt haben wird. "Wir werden unsere Hausaufgaben machen, und wenn es die Situation hergibt, werden wir startbereit sein."
Umsonst & Draußen in Würzburg: Gelände radikal freiräumen
Auch das Team des Würzburger Umsonst & Draußen-Festivals (geplant vom 17. bis 20. Juni) spielt derzeit plausibel erscheinende Szenarien durch. Erste Gedanken, das Gelände auf den Mainwiesen zu vergrößern, hat Geschäftsführer Ralf Duggen verworfen. Zu hohe Zusatzkosten. "Wir werden stattdessen wohl das Gelände radikal freiräumen, um den Platz optimal nutzen zu können."
Die Pläne seien allerdings bislang "bestenfalls sehr vage". Wenn es aber zu Einschränkungen bei den Besucherzahlen komme, werde das Festival, das mit einem Etat zwischen 550 000 und 700 000 Euro immer plus minus Null abschließe, mit Sicherheit ein Minus einfahren. Denn dann trifft es die wichtigste Einnahmequelle: den Getränkeverkauf, der 50 Prozent des Gesamtvolumens erbringt.
Mission Ready in Giebelstadt: Können Bands aus Amerika kommen?
Steffen Rose, Inhaber der Ein-Mann-Agentur Navigator Productions und Co-Veranstalter des 2017 ins Leben gerufenen Punk-, Hardcore- und Ska-Festivals Mission Ready in Giebelstadt (geplant am 3. Juli), ist "positiv für den Sommer eingestellt", sagt er. Dabei beschäftigt ihn auch der Brexit und die Frage, ob und wie Amerika das Virus in den Griff bekommen will. Denn anders als das Taubertal-Festival, das kaum Acts aus Übersee im Programm hat, spielen beim Mission Ready Bands aus den USA und Großbritannien eine wichtige Rolle.
Rose skizziert einen beunruhigenden Domino-Effekt: Viele US-Bands kommen nur nach Europa, wenn sie auf mehreren Festivals in mehreren Ländern spielen können: "Sonst rechnet sich das nicht." Wenn nun Konzerte in Deutschland möglich seien, aber Festivals in Belgien oder Frankreich wegbrechen, wenn dann auch noch bei der Ausreise aus Großbritannien komplizierte Abfertigunsverfahren für Equipment und Tross fällig werden oder langwierige Quarantäne-Auflagen bei der Einreise in die EU, dann platzen seiner Meinung nach ganze Touren. Da könne Giebelstadt noch so perfekt vorbereitet sein.
Für 8500 Besucher ist das Gelände auf dem ehemaligen US-Flugplatz (die Aufschrift auf einem der Hangare gab dem Festival den Namen) ausgelegt. Eine wirtschaftliche Untergrenze für die Auslastung kann Rose nicht benennen: "Das hängt von zu vielen anderen Faktoren ab." Es sei noch völlig unklar, welche weiteren Kosten entstehen, wie viel Security nötig werde und ob diese dann regelmäßig Schnelltests unterzogen werden soll. Offen sei auch, wie stark Einlass und Besucherströme reglementiert werden oder welche Auflagen beim Catering gelten. "Das ist ein enormer Wirtschaftsfaktor."
Rose rechnet mit jeder Menge Auflagen, erwartet aber auch, dass diese dann auch entsprechend klar formuliert werden: "Die Politik hat ein halbes Jahr gebraucht, bis sie gesehen hat, welche Bedeutung die Veranstaltungsbranche hat."
Langfristige Gefahr: Fachpersonal wandert in andere Branchen ab
Doch wie 2021 auch laufen wird, eine langfristige Gefahr sieht Steffen Rose: die Abwanderung von Fachpersonal in andere Branchen. Ein Bekannter, der die sogenannten Nightliner gefahren hatte, also die Nachtbusse, mit denen die Bands von Konzertort zu Konzertort reisen, fahre nun Lkw für Aldi. "Der verdient jetzt zwar weniger, hat aber festgestellt, dass er plötzlich geregelte Arbeitszeiten hat und jeden Abend daheim bei Frau und Kindern ist. Der überlegt sich ernsthaft, ob er wieder ins Business einsteigt."
Ähnliche Erfahrungen machen immer mehr Technik- und Logistikexperten aus der Konzertbranche, erzählt Steffen Rose. "Das sind hochqualifizierte Leute, die finden schon was anderes. Die waren mit großem persönlichem Engagement dabei - für den Rock 'n' Roll. Aber der Rock 'n' Roll füllt im Moment eben nicht den Kühlschrank."