Die christliche Gemeinschaft in Deutschland schrumpft. Im Jahr 2021 war die Zahl der Austritte aus der Katholischen Kirche so hoch wie nie. Aber auch der Blick auf die aktuellen Zahlen der Evangelisch-Lutherischen Kirche zeigt, einen deutlichen negativen Trend.
Von 19.725.000 Protestanten haben laut einer Auswertung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im letzten Jahr 280.000 die Institution verlassen. Damit verzeichnet die EKD rund zweieinhalb Prozent weniger Mitglieder als noch im Jahr 2020, so eine Pressemitteilung.
Neben den Austritten sind 2021 in Deutschland zudem fast 360.000 Mitglieder gestorben. Die Zahl der Neuaufnahmen bleibt mit rund 18.000 auf Vorjahresniveau, während sich die Taufen mit 115.000 gegenüber dem Vorjahr etwas erhöht haben.
In Unterfranken ist die evangelische Kirche traditionell weniger stark vertreten als die katholische. Aktuell zählen die acht Dekanate in der Region 208.944 Mitglieder. Das geht aus Daten des Kirchenkreises Ansbach-Würzburg hervor. Demnach verläuft die Austrittskurve im direkten Vergleich zur katholischen Kirche langfristig zwar flacher, seit vergangenem Jahr ist jedoch die Anzahl der Austritte wieder schlagartig nach oben gegangen.
Fast 3000 Austritte in Unterfranken bei sinkenden Aufnahmen
Im Jahr 2021 sind 2981 (2020: 2143) Menschen aus der evangelischen Kirche in Unterfranken ausgestiegen. Nachdem die Zahl der Wiederaufnahmen bis 2019 zunächst wieder gestiegen war, fiel sie 2020 auf 208 und auf 205 im vergangenen Jahr. Nach oben geht dafür der Trend bei Taufen mit 1624 (2020: 1063), Konfirmationen mit 1704 (2020: 1080) und Trauungen mit 213 (2020: 143). Allerdings ist auch die Anzahl der Bestattungen wieder gestiegen, von 2304 (2020) auf 2397.
Die meisten Austritte in der Region gab es laut Statistik mit 834 im Dekanat Aschaffenburg. In den übrigen sieben Dekanaten ist die Zahl aber ähnlich hoch. Die meisten Aufnahmen gab es mit 50 Personen im Dekanat Schweinfurt. In den kleineren Dekanaten wie Markt Einersheim oder Castell wurden hingegen kaum neue Mitglieder aufgenommen.
Immer weniger Menschen legen Wert auf ein religiöses Selbstverständnis
Laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts (SI) im Auftrag der evangelischen Kirche sind die Gründe für die Austritte vielschichtig. Neben den Missbrauchsskandalen nennt die Studie eine fehlende religiöse Sozialisation der Menschen als Ursache.
Weitere Gründe seien zudem eine empfundene "persönliche Irrelevanz" von Religion und Kirche. Bei den ehemals evangelischen Mitgliedern lässt sich der Studie zufolge der wachsende Bedeutungsverlust eines religiösen Selbstverständnisses über die Generationen hinweg ablesen.
Regionalbischöfin Gisela Bornowski: Kirchenaustritt kein Tabu mehr
"Freilich bin ich traurig, dass die Zahl der Gemeindeglieder abnimmt", kommentiert Regionalbischöfin Gisela Bornowski die akutellen Entwicklungen in einer Pressemitteilung. Ein Kirchenaustritt sei heutzutage kein Tabuthema mehr. Gründe dafür sieht die Regionalbischöfin unter anderem in den zu verurteilenden Missbrauchsfällen in den Volkskirchen, im Verdruss gegenüber der Institution Kirche selbst und in der Möglichkeit, die Kirchensteuer zu sparen.
Interessant findet Bornowski hingegen, dass 2020 die Austrittszahlen kurz stagnierten: "In Notzeiten – wie 2020 in der stärksten Coronakrise – besinnen sich Menschen und fragen nach Antworten für ihr Leben." Zudem habe die Kirche dank digitaler Angebote auch "kirchenferne" Menschen erreicht, und auch das Ehrenamt innerhalb der Kirche sei in den letzten Jahren gewachsen.
Für die Zukunft vertraut die Regionalbischöfin auf die Arbeit der Kirche: "Egal wie die momentane Lage ist, ich glaube, dass Themen wie Flüchtlingsarbeit, soziale Not, Armut und Einsamkeit und auch die Klimadebatte die Menschen wieder neu in der Kirche zusammenrücken lassen", schreibt Bornowski. Die diakonischen Angebote, die auch Nichtmitgliedern offenstehen, hätten in den letzten Jahren zugenommen. "Und Diakonie ist auch Kirche, das dürfen wir nicht vergessen."