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Würzburg/Schweinfurt
Kirchenaustritte: Zahlen steigen weiter – Standesämter bieten Zusatztermine
Immer mehr Menschen verlassen die Kirche. Vor allem im Februar schnellten die Zahlen in die Höhe. Wie die Standesämter in der Region den Ansturm bewältigen.
Immer mehr Menschen in Unterfranken entscheiden sich, aus der Kirche auszutreten. Die Terminanfragen in einigen Standesämtern sind im Februar 2022 erneut explosionsartig gestiegen.
Foto: Ingo Wagner, dpa | Immer mehr Menschen in Unterfranken entscheiden sich, aus der Kirche auszutreten. Die Terminanfragen in einigen Standesämtern sind im Februar 2022 erneut explosionsartig gestiegen.
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:00 Uhr

Die katholische Kirche steckt tief in einer Imagekrise. Missbrauchsskandale, die Position der Frauen innerhalb der Institution und die Weigerung zur Segnung homosexueller Paare – diese und weitere Gründe führen dazu, dass immer mehr Menschen der katholischen Kirche den Rücken kehren. Viele Katholiken scheinen nicht mehr an den Erfolg einer Reformation der Kirche zu glauben.

Für den Jahresanfang 2022 zeichnet sich in der Region ein Höhepunkt des Mitgliederverlusts ab: Aktuelle Meldungen aus verschiedenen Städten Unterfrankens zeigen, für die Monate Januar und Februar einen deutlich Anstieg der Austrittserklärungen.

Stadt Würzburg: Zusätzliche Termin im März wegen hoher Nachfrage

Der Austritt aus der Kirche kann in Deutschland auf zweierlei Wegen erfolgen: Entweder durch eine mündliche Erklärung bei einem Termin im zuständigen Standesamt oder in schriftlicher Form, die notariell beglaubigt sein muss. Letzteres ist häufig mit hohen Notarkosten verbunden. Dennoch würden sich Würzburgerinnen und Würzburger immer häufiger für den schriftlichen Weg zum Ausstieg entscheiden, erklärt Georg Wagenbrenner, Pressesprecher der Stadt. Doch auch die Nachfrage nach Austrittsterminen beim Standesamt ist nach wie vor hoch. "Die aktuelle Wartezeit für einen Termin beträgt zirka vier Wochen", erklärt er.

Aufgrund der hohen Nachfrage hat sich die Stadt Würzburg dazu entschlossen, zusätzliche Termine für den Kirchenaustritt anzubieten. "Ab März wird es 22 zusätzliche Termine geben", so Wagenbrenner. Dieses zusätzliche Angebot sei ein Grund dafür, dass die Zahl der Kirchenaustritte seit Jahresbeginn so drastisch gestiegen ist. Allein im Januar seien 148 Personen (49 davon evangelisch) aus der Kirche ausgetreten, im Februar waren es dann sogar 344 (davon 68 evangelisch). Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum traten im Januar 132 (davon 31 evangelisch) und im Februar lediglich 133 (davon 41 evangelisch) Personen aus der Kirche aus.

Karlstadt: Austritte aus der katholischen Kirche haben sich verfünffacht

Besonders die katholische Kirche hat mit hohen Austrittzahlen zu kämpfen. Dies zeigt sich auch in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart). Während im Januar und Februar 2021 jeweils acht Personen aus der katholischen Kirche austraten, zeichnet sich für das aktuelle Jahr beinahe eine Flucht aus der katholische Kirche ab. Haben im Januar noch zwölf Katholiken ihren Austritt erklärt, waren es im Februar bereits 42 (und vier Protestanten). Das entspricht einer Verfünffachung der Austritte im Vergleich zum Vorjahr.

Aufgrund der hohen Auslastung bei der Terminvergabe liege die aktuelle Wartezeit für Austrittstermine bei rund zwei Wochen, erklärt der Sprecher der Stadtverwaltung Uli Heck. Dabei ist der Austritt aus der Kirche neben dem bürokratischen Aufwand auch mit zusätzlichen Kosten verbunden: Insgesamt 25 Euro müsse jedes Kirchenmitglied im Freistaat bezahlen, wenn es seinen Austritt erklärt, hinzukämen zusätzliche 10 Euro für den schriftlichen Nachweis, so Heck. Dieser werde zur Vorlage, zum Beispiel beim Arbeitgeber und Finanzamt benötigt.

Bad Kissingen und Bad Neustadt: Freie Termine ohne Wartezeit verfügbar

Der Trend, hin zum Kirchenaustritt bestätigt sich auch mit Blick auf die Städte Bad Kissingen und Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). "Seit Beginn des Jahres sind 192 Menschen aus den Kirchen ausgetreten", erklärt etwa Mario Selzer, Pressesprecher der Stadt Bad Kissingen. Im Zeitraum vom 20. Januar bis 22. Februar seien allein 150 Katholiken und zwölf Protestanten aus den Kirchen ausgetreten. Im Vorjahreszeitraum seien es noch deutlich weniger gewesen, wie Selzer erklärt. Lediglich 40 Austritterklärungen, davon elf aus der evangelischen Kirche, habe es im gleichen Zeitraum 2021 gegeben.

Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken.
Foto: Julian Stratenschulte, dpa | Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken.

Das Standesamt Bad Neustadt verzeichnete für die ersten beiden Monate im neuen Jahr insgesamt 192 Kirchenaustritte, 118 davon allein im Februar. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr traten in den ersten beiden Monaten zusammen weniger Menschen aus der Kirche aus, als im Januar 2022 allein – insgesamt 58 Personen. Trotz der gestiegenen Austrittszahlen betont Gabriele Müller, Leiterin des Standesamt Bad Neustadt: "Innerhalb einer Woche erhält jeder einen Termin."

Schweinfurt und Kitzingen: Anzahl der Kirchenaustritte erneut deutlich gestiegen

Zusätzliche Termine zum Ausstieg aus der Kirche bietet die Stadt Kitzingen aktuell nicht an. Allerdings verzeichnet man auch dort eine höhere Terminnachfrage als gewöhnlich. Das bestätigen die Zahlen: Insgesamt 15 Personen (davon fünf evangelisch) sind im Januar und elf Personen (davon vier evangelisch) im Februar 2022 aus den Kirchen ausgetreten. Deutlich weniger waren es noch 2021, mit insgesamt zwei  Austritten im Januar und acht (davon drei evangelisch) im Februar.

In Schweinfurt gäbe es für den April noch ausreichend freie Termine und auch für März stünden noch einzelne Termine zur Verfügung, sagt Stadt-Sprecherin Kristina Dietz. Dennoch mache sich die gestiegene Zahl an Kirchenaustritten bemerkbar. Allein im Februar habe es 109 Austritte (davon 20 evangelisch) gegeben. Im Monat zuvor traten 75 Personen (davon 17 evangelisch) aus der Kirche aus. Das ist deutlich mehr im Vergleich zum Vorjahr 2021. Damals habe es in den Monaten Januar und Februar zusammen so viele Austrittserklärungen gegeben, wie in diesem Februar allein. Insgesamt traten im Vorjahreszeitraum 104 Personen (davon 26 Protestanten) aus der Kirche aus.

 
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Kommentare
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  • Ironic
    Die Zahlen stabil?
    1. Schauen Sie mal nach Brasilien oder auch Argentinien. Freikirchen sind im Aufwind
    2. Es geht auch um Finanzen. Da ist Europa durchaus wichtig. Und da ist die Kirche und der Apparat durchaus empfindlich.
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  • Hoegenbachtal
    Vertuschung und Verharmlosung gehen in einer christlichen Kirche überhaupt nicht. Und wenn man die Bibel und ihre Botschaft kennt, muss man zwangsläufig erkennen, dass sich beide Großkirchen längst davon entfernt haben. Meine Frau und ich waren sehr aktiv in der Evangelischen Kirche, sie in der DDR, ich hier im Westen. Sie hatte deswegen Probleme mit der Staatssicherheit. 1993 sind wir ausgetreten. Es ging einfach nicht mehr. Um Christus und sein Erlösungswerk geht es schon lange nicht mehr, nur noch darum, was gerade "in" ist. Dem Zeitgeist hinterherhecheln nennt man das wohl. Es gibt noch Pfarrer, die den geraden Weg gehen, aber die sind selten und haben oft Probleme mit den "Kirchenoberen". Von der katholischen Kirche rede ich hier nicht, aber wir kennen durchaus Leute darin, die stehen uns glaubensmäßig näher als Evangelische. Jesus ist und war weder evangelisch noch katholisch. Viele vergessen, dass er während seines Erdenlebens ... Jude war.
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    • Antworten
  • lbs
    Man sollte bedenken, dass die überwiegende Mehrheit sehr gute Pfarrer, Kapläne und Priester sind. Mit einem Austritt trifft es diese Menschen und die vielen kirchlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Sozialstationen, Pflegeheime und alle dazugehörenden Personal. Das ist der falsche Weg. Wir brauchen diese Menschen und vor allen die Pflegebereich wird von dieser Steuer bezahlt. Die schwarzen Schafe der Kirche gehören ins Gefängnis und nicht woanders wieder aktiv gemacht.
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  • Lebenhan1965
    @ lbs

    Krankenhäuser und Pflegeheime werden nicht über Kirchensteuern finanziert. Diese Arbeitgeber maßten sich aber an auch über das Privatlebender Mitarbeiter verfügen zu können.

    Da braucht man sich keine Sorgen machen, wenn es weniger Kirchensteuerzahler gibt.

    Die katholische Kirche hat bewusst den öffentlichen Ruf der Kirche über alles,auch über die Gefühle und Verletzungen der betroffenen missbrauchten Kinder, gestellt.

    Eine derartige Scheinheiligkeit, die jetzt demaskiert wurde, gehört bestraft. Also ich finde diese Austrittswelle richtig gut.
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  • Ironic
    Danke an alle die austreten.
    Ihr helft erheblich mit, dass sich die Kirche endlich mal bewegt.
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Leider falsch. Die Kirche wird das gar nicht interessieren...

    Deutschland (und eigentlich ganz Europa) ist nur ein Nebenkriegsschauplatz, denn in anderen Teilen der Welt, z.B. Südamerika, sind die Zahlen stabil.
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  • metzger@maxiklinik.de
    Aber das Austreten und damit der Entzug von finanziellen Mitteln ist der einzige Weg. Auf die Menge der Austritte kommt es an! Und wenn sich etwas bewegt, kann man wiedereintreten.
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