Die Zahl der Christen in Deutschland sinkt weiter: Den Statistiken der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zufolge traten im Corona-Jahr 2020 bundesweit 220.000 Menschen aus der evangelischen Kirche aus, 221.390 Personen verließen die katholische Kirche. Wie gehen die beiden Kirchen mit Ausgetretenen um? Was tun sie in Unterfranken, um Gläubige zu halten? Fragen an Domkapitular Albin Krämer, Leiter der Hauptabteilung Seelsorge der Diözese Würzburg, und an Johannes Minkus, Kirchenrat und Pressesprecher der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.
Wie gehen die Kirchen mit Ausgetretenen um?
"Die Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern möchte denjenigen, die aus der Kirche ausgetreten sind, deutlich machen: Dein Abschied von der Kirche muss nicht für immer gelten. Im Gegenteil. Du bist uns herzlich willkommen, wir nehmen dich gerne wieder auf", sagt Johannes Minkus, Sprecher der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Jeder, der wieder eintreten wolle, könne sich an einen Pfarrer oder eine Pfarrerin vor Ort wenden und das Gespräch suchen.
"Früher sind die Menschen aus der Kirche ausgetreten, weil sie irgendwie mit der Kirche abgeschlossen hatten oder weil sie Kirchensteuer sparen wollten", sagt Domkapitular Albin Krämer. Das habe sich in den letzten Jahren verändert. Heute seien viele zwar mit der Arbeit in ihrer Gemeinde zufrieden, "aber sie sind unzufrieden mit dem Umgang der Kirche mit den Missbrauchsfällen", so Krämer. Die katholische Kirche unterbreite den Ausgetretenen daher ein Gesprächsangebot, meist in Form eines Briefes.
Das heißt, die Ausgetretene bekommen einen (Abschieds)-Brief?
Die Pfarreien treffe die Nachricht über einen Kirchenaustritt fast immer unvorbereitet. "Nur selten gab es vor dem Austritt ein Krisengespräch, in dem man über die Motive hätte reden können", sagt Minkus. "Viele Pfarrerinnen und Pfarrer schreiben daher eine freundlichen Brief. Sie wollen damit erreichen, dass der Ausgetretene eine positive Erinnerung an seine Kirchenmitgliedschaft behält."
Auch die Diözese Würzburg empfiehlt ihren Seelsorgerinnen und Seelsorgern, nochmals schriftlich auf den Ausgetretenen zuzugehen. Es gehe dabei um das "Gehen in Guten", sagt Krämer. "Wir respektieren die Entscheidung des Einzelnen, aber wir signalisieren, dass der Weg zurück immer offen ist."
Was bringt es, auf den Austritt schriftlich zu reagieren?
Die Erfahrung zeige, dass eine Postkarte oder ein Brief häufig nur wenig sichtbare Wirkung zeigt, sagt Minkus. Die Pfarrerin in der Kircheneintrittsstelle in Nürnberg, Elfriede Bezold-Löhr, berichtet, dass sie auf 40 Briefe, die sie Ausgetretenen schickt, eine Antwort erhalte. Die beginne dann meist mit den Worten: "Herzlichen Dank für Ihren Brief, der mich überrascht und gefreut hat." Die Kircheneintrittsstelle Nürnberg ist eine von vier Eintrittsstellen der evangelischen Kirche in Bayern.
Werden Gläubige nach dem Austritt vom Pfarrer oder der Pfarrerin persönlich angerufen?
"In seltenen Fällen kommt es vor. Doch den meisten Seelsorgerinnen und Seelsorgern ist bewusst, dass einige Zeilen, in Ruhe geschrieben, positiver wirken als ein überraschender Anruf aus dem Pfarramt", sagt Johannes Minkus.
"Wir nehmen die Menschen und ihre Motivation auszutreten ernst und rufen daher nicht an", sagt Albin Krämer. Mit dem Austritt signalisierten die Gläubigen ja, dass sie auf Abstand zur Gemeinschaft der Kirche gehen. Grundsätzlich gelte aber: "Nach katholischem Verständnis kann die Taufe und damit die Zugehörigkeit zu Jesus Christus und seiner Kirche weder verloren gehen, noch von irgendeiner Seite aufgekündigt werden."
Werden die Gründe des Austritts erfragt?
Über eine Nennung der Gründe für den Austritt würden sich Pfarrerinnen und Pfarrer freuen, sagt Johannes Minkus: "Als lernende Organisation nehmen wir solche Impulse auf und lassen uns anregen, über nötige Veränderungen nachzudenken." Oft sei der Schlusssatz, der in allen Briefen vorkommt, eine Einladung: "Wenn der Wind des Lebens sich dreht und der Wunsch aufkeimt, wieder Mitglied in der evangelischen Kirche zu sein, dann stehen die Türen offen."
Die Diözese Würzburg versucht immer wieder durch Telefonaktionen wie zuletzt im Februar unter dem Titel "Kirche in der Krise" mit den Gläubigen ins Gespräch zu kommen. Mitglieder der Bistumsleitung und des Domkapitels saßen einen Tag lang für sechs Stunden am Telefon, Gläubige konnten anrufen. Auch in diesen Gesprächen seien vor allem die Themen Missbrauch, Frauen in der Kirche, der Umgang mit Homosexuellen, aber auch die Finanzen angesprochen worden, sagt Krämer: "Viele sagten, dass der Synodale Weg eine enorme Geduld einfordere und wünschten sich, dass dies schneller gehe." Wenig Kritik dagegen habe es an der Arbeit in den Gemeinden vor Ort gegeben.
Entscheiden sich manche doch wieder einzutreten?
Tatsächlich komme es vor, dass jemand den Schritt des Austritts sehr schnell bedauere, sagt Kirchenrat Minkus. Manche stelle nachdenklich fest: "Hätte ich vorher gewusst, wie sich das für mich anfühlt, dann hätte ich diesen Schritt nicht gemacht." Die Möglichkeit eines unkomplizierten Wiedereintritts würden diese Menschen dankbar annehmen.
Dass jemand in Würzburg in die katholische Kirche wieder oder sogar neu eintritt, gebe es immer wieder, so Krämer. Zuletzt wurden in der Osternacht im Dom drei Erwachsene getauft.
Was tun die Kirchen, um attraktiv zu bleiben?
Viele Gläubigen wünschten sich Neues und Überraschendes, das bestätigen die Vertreter beider Kirchen. "Seit der Pandemie sind Gottesdienste im Freien zahlenmäßig deutlich gewachsen. Es sind viele Online-Formate entwickelt worden. Bei vielen Pfarrerinnen und Pfarrern hat die Bereitschaft, für eine Taufe an einen See zu gehen oder eine Trauung in einem Garten zu halten, zugenommen. Vieles ist möglich – den Anfang dazu macht das Gespräch", sagt Minkus.
Auch Domkapitular Albin Krämer beobachtet das Interesse der Gläubigen an Neuem: "Gottesdienste im Freien kommen durchweg gut an. Denn da traut sich auch mal jemand kommen, der noch keinen festen Platz in der Kirche hat." Auch dass ein katholischer Pfarrer, wie unlängst zu Ostern im niederbayerischen Regen, zusammen mit seinen Ministrantinnen und Ministranten eine Tanzeinlage einstudiert, kann sich Krämer öfter vorstellen. "Wir ermutigen sowohl Seelsorgerinnen und Seelsorger als auch Ehrenamtlich zu Engagement und unterstützen sie auch dabei", sagt der Domkapitular.
Wie versuchen die Kirchen, neue Wege zu gehen?
In der evangelischen Kirche werde intensiv darüber nachgedacht, wo Menschen - zusätzlich zum normalen Gottesdienst - ein Segen gut tue: "Wer seine erste Arbeitsstelle antritt, wer in eine Führungsposition geht, wer mit einer Entlassung zurechtkommen muss, wer vor dem Ruhestand steht – wenn jemand in diesen Momenten den Segen Gottes zugesprochen haben möchte, dann will die evangelische Kirche für diese Menschen da sein", sagt der Pressesprecher. Und es gebe auch eine wachsende Zahl von spontanen Formen von Kirche: Kirche im Kaffee, Bibel und Bier, Jugendangebote in der Kletterhalle, Popup-Gottesdienste und mehr.
In vielen Gemeinden würden Pfarrerinnen und Pfarrer sowie die Ehrenamtlichen in ihren Kirchenvorständen beraten, wie die Kirchen in Zukunft "offene, einladende, von Freundlichkeit und ermutigender Ausstrahlung geprägte Orte" sein können.
Die Diözese Würzburg will Telefonaktionen zum festen Bestandteil der Kirchenarbeit machen. "So sind wir direkt mit den Gläubigen im Gespräch und hören, wo der Schuh drückt", sagt Krämer.
Aber vielleicht würde sich etwas ändern, wenn die Kirche ihre Sonderstellung in Arbeitsrecht und ähnlichem aufgeben würde, ordentliche Tarifverträge hätte, nicht nach der Religion bei Einstellungen gucken würde und ein anderes Gebaren als Arbeitgeber zeigen würde?!
Wie begründen Sie ihren Anspruch auf kirchliche Feiertage?
Als Beispiel Weihnachten, Dreikönigstag, Karfreitag, Oster- und Pfingstmontag, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam, Maria Himmelfahrt und Allerheiligen.
Müssten für alle die aus der Kirche ausgetreten sind normale Arbeitstage sein wenn diese auf einen Wochentag fallen.
Warum?
Die Feiertage werden aus Glauben begangen nicht weil man Mitglied einer Kirche ist.
Und an Ostern feiern mache die Geburt eines Hasen ... 🤣🤣🤣 In diesem Sinne erscheinen mir die "Gläubigen" manchmal als Sammeltopf der Ahnungslosen...
Die Gründe für unseren Austritt sind vielseitig. U.a. spielt da auch der Umgang mit wiederverheirateten ein Rolle. Aber auch ganz wichtig ist der Zustand in den Pfarreien. Wenn meine Angehörigen von einem Priester beerdigt werden der kaum deutsch spricht finde ich das würdelos. Und all die anderen Skandale werden auch nicht weniger.
Bibel, Katechismus und Kanonischem Recht dank anderer Argumente, Glaubenssätze und humanistischer Lebensgrundsätze durchschaut haben, die sich an den Menschenrechte und der liberalen Demokratie orientieren. Dennoch darf man hoffen, dass diese "Heimkehrer" im Schoße ihrer Kirche Gehör finden für berechtigte Kritik am Zölibat, an priesterlicher Männer- und Misswirtschaft, an Machtmissbrauch, an Gängelei und am kirchlichen Arbeitsrecht, um nur einige Baustellen der Kirchen zu nennen.
es geht aber auch anders: in unserer nachbargemeinde wird seid einem halben jahr ausprobiert:
wie heisst Ihre Nachbargemeinde?
Danke für Info, im voraus.
Anmerkung am Rande: Unter diesen Aspekten ist es nur verständlich, wenn die muslimischen Einrichtungen (Moschee Vereine etc.) unbedingt den christlichen gleichgestellt werden wollen - es geht um nichts anderes als Geld, Geld, Geld!!
Darüberhinaus sollte man wissen, dass jeder in Deutschland Steuerzahlende zur Finanzierung der beiden Relegionsgemeinschaften (ev./kath.) beiträgt - egal welcher Glaubensrichtung er angehört oder ob er überhaupt einer angehört. Der Staat wird hier zum Büttel der Kirchen, indem er die Steuer direkt eintreibt und (nach Abzug der Kosten) weitergibt. In dieser Form einmalig auf der Welt.
Darüberhinaus zahlen ...
Etwas, daß man als "moderne Glaubensgemeinschaft" bezeichnen könnte ist sie nicht, will sie auch gar nicht sein.
Sie klebt versessen an der Vergangenheit, nimmt die Menschen - vor allem die jungen - nicht mehr mit.
DIe Missbrauchs- und Finanzskandale tragen ihr Übriges dazu bei, sind aus meiner Sicht aber nicht der (alleinige) Grund für die Kirchenmüdigkeit der Bürger.
Reformen täten dringend Not.
Aber ich denke nicht, daß die (katholische) Kirche reformfähig oder auch nur reformwillig ist.
Solange der bloße Zweifel als Affront verstanden wird, wird sich nichts ändern.
Mein Austritt liegt nun 31 Jahre zurück. Und das ist gut so.