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Würzburg/Schweinfurt
E-Autos als Prämie: Wie Kliniken in Unterfranken um Pflegekräfte kämpfen
Das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau bietet Pflegenden künftig ein kostenloses E-Auto. Ist das eine skurrile Ausnahme – oder sind solche Prämien in der Region üblich?
Bundesweit werden Pflegekräfte nach wie vor dringend gesucht und von den Kliniken teilweise heftig umworben (Symbolbild).
Foto: Robert Michael, dpa | Bundesweit werden Pflegekräfte nach wie vor dringend gesucht und von den Kliniken teilweise heftig umworben (Symbolbild).
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:16 Uhr

Der Notstand in der Pflege ist längst nicht vorbei. Auch in Unterfrankens Krankenhäusern bleiben Stellen teilweise unbesetzt, gut ausgebildetes Pflegepersonal ist begehrt und wird kräftig umworben. Ein Versprechen des Klinikums Aschaffenburg-Alzenau hat da bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Pflegende bekommen am Untermain künftig kostenlos ein E-Auto zur Verfügung gestellt. Bringt das was? Sind solche Prämien auch in anderen Kliniken der Region üblich – und notwendig?

In Aschaffenburg ist man davon überzeugt. Alle Bediensteten in der Pflege sollen dort für die nächsten zwei Jahre kostenlos ein Elektroauto nutzen können. Dafür werden 600 Fahrzeuge geleast. "Die Reaktion im Klinikum war überwältigend", sagt Sprecherin Annika Hollmann. Schon am ersten Tag seien mehr als 100 Fahrzeuge bestellt worden. Und kurz nach der Ankündigung hätten Mitarbeiter, die zu einer Zeitarbeitsfirma wechseln wollten, ihre Kündigung zurückgezogen. Andere hätten ihr Arbeitspensum aufgestockt und es seien bereits neue Bewerbungen eingegangen.

Andere Krankenhäuser in der Region sehen Prämien skeptisch

"Sicherlich hätten auch Mitarbeiter aus anderen Bereichen gern ein E-Auto erhalten", sagt Hollmann. Es gebe jedoch "überwiegend Verständnis dafür", dass die Prämie nur für Pflegekräfte gedacht sei.  Schließlich habe man in der Pflege "einen besonders herausfordernden Job" – gleichzeitig herrsche dort der größte Personalmangel.

Das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau. 
Foto: Pascal Höfig | Das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau. 

Tatsächlich ist das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau kein Einzelfall. Bundesweit ist der Arbeitsmarkt für Pflegepersonal umkämpft. Immer wieder versuchen Häuser durch teils kostspielige Aktionen Personal zu halten oder Nachwuchs zu gewinnen.

In Unterfrankens Krankenhäusern allerdings werden solche Prämien und Präsente eher skeptisch betrachtet, wie eine stichprobenartige Nachfrage dieser Redaktion ergab. Gleichwohl wird überall versucht, die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden zu erhöhen.

Angesichts der aktuellen Krise stecken viele Kliniken in finanziellen Schwierigkeiten

Im Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt etwa sieht man einen Bonus für eine einzelne Berufsgruppe "durchaus kritisch" – vor allem mit Blick auf die anderen Mitarbeitenden, sagt Sprecher Veit Oertel. Ungleichbehandlungen wolle man vermeiden. Sinnvoller sei es, die Arbeit in der Pflege "langfristig attraktiv zu gestalten und substantiell zu verbessern", etwa durch mehr Dienstplansicherheit.

Auch am Leopoldina-Krankenhaus ist der Pflegemangel spürbar. Insgesamt arbeiten laut Oertel dort derzeit 1230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflege- und Funktionsbereich. Personal fehle vor allem auf der "Kinderintensivstation und in Überwachungsbereichen". Trotzdem würden "keine Prämien oder sonstige Gratifikationen für neue Mitarbeiter" gezahlt.

Allerdings biete man seit dem Frühjahr allen Mitarbeitenden Leasing-Dienstfahrräder an, sagt Oertel. Und das Schweinfurter Klinikum bezuschusse ÖPNV-Tickets sowie die Mitgliedschaft im eigenen Fitnessstudio. Doch als Arbeitgeber sei man nicht allein in der Region, so der Kliniksprecher. Mit Prämien oder Bonuszahlungen würde man "in einen fragwürdigen Überbietungswettbewerb mit anderen Kliniken einsteigen, bei dem am Ende niemand gewinnt". Erst recht nicht angesichts der aktuell schwierigen finanziellen Lage vieler Krankenhäuser.

Das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau wirbt mit kostenlos zur Verfügung gestellten E-Autos um Pflegekräfte (Symbolbild).
Foto: Johannes Kiefer | Das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau wirbt mit kostenlos zur Verfügung gestellten E-Autos um Pflegekräfte (Symbolbild).

Ähnlich sieht man diese am Uniklinikum Würzburg. E-Autos für Pflegende seien nur ein "kurzfristiger Anreiz", zudem stelle sich die Frage nach der Finanzierung, sagt Sprecher Stefan Dreising. Wichtiger sei es, die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft zu sichern – etwa mit einer angemessenen Vergütung und vernünftigen Arbeitsbedingungen.

So zählte das Würzburger Uniklinikum Ende 2021 insgesamt 1325 Vollkräfte in der Pflege. Die Zahl der unbesetzten Stellen schwanke, sagt Dreising. Prämien oder Geschenke gebe es jedoch keine. Stattdessen hält man auch am Uniklinikum verlässliche Dienstpläne für "nachhaltiger als punktuelle monetäre Anreize". Berufseinsteigern würden zudem günstige Wohnheimplätze, bei Bedarf eine Kita-Betreuung für die Kinder, ein vergünstigtes Job-Ticket sowie Fort- und Weiterbildungen angeboten.

Auch am Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt gibt es keine Prämien, Boni oder Geschenke, sagt Direktor Norbert Jäger – weder für neue noch für langjährige Kolleginnen und Kollegen. Dafür würden die Mitarbeitenden eine Reihe von "Zusatzleistungen" erhalten, wie etwa einen Kinderbonus, Plätze in der Kita, ein Zeitwertkonto, Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder ein Job-Rad. Insgesamt sind laut Jäger derzeit rund 400 Pflegekräfte am Krankenhaus St. Josef beschäftigt. 13 Stellen für Pflegefachkräfte, Hebammen und Medizinische Fachangestellte seien ausgeschrieben.

In der Industrie sind Prämien vielerorts üblich

Vergleichbar hoch ist der Anteil der unbesetzten Stellen am Klinikum Main-Spessart in Lohr. Dort arbeiten laut Sprecherin Anja Hildenbrand 350 Mitarbeiter in der Pflege – derzeit seien weniger als zehn Positionen offen. Mitarbeitende, die Freunde und Bekannte werben, könnten dafür einen Bonus erhalten. Zudem würden neue, examinierte Pflegekräfte nach Bestehen der Probezeit eine Starterprämie von 3000 Euro erhalten und Azubis bekämen zum Start der Ausbildung ein iPhone und iPad geschenkt, sagt Hildenbrand. Für alle Beschäftigten bestehe die Möglichkeit, ein Job-Fahrrad über das Klinikum zu beziehen.

Anreize wie das E-Auto in Aschaffenburg seien in der Industrie "ein weit verbreitetes Vorgehen", sagt Hildenbrand. Für Kliniken sei das neu, aber "durchaus interessant". Ob solche Prämien künftig am Klinikum Main-Spessart "vorstellbar und finanzierbar" wären, werde man "intern besprechen".

 
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  • kontakt@frankzagel.de
    Ein Leasing-Dienstfahrrad wäre für mich definitiv der Anreiz, im Leopoldina-Krankenhaus zu beginnen.
    Wir lächerlich!
    Pflegekräften wird auch 2022 keine ausreichende Wertschätzung entgegengebracht.
    Da helfen keine Fahrräder, bessere Dienstzeiten (wie denn?) oder Gutscheine fürs auch noch firmeneigene Fitnessstudio.
    NUR durch ein deutlich höheres Gehalt ist dem entgegenzuwirken.
    Herr Lauterbach, setzen, Note 6!
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