Alexander Bogs (33) aus Würzburg hat zehn Jahre in der Krankenpflege gearbeitet, auch noch zu Corona-Zeiten. Jetzt hat er den Beruf gewechselt und arbeitet im Außendienst einer Firma für Medizinprodukte. Nicht wegen Corona, sondern weil die ständigen Schichtdienste nachts und am Wochenende das Privatleben einfach zu stark beeinträchtigen würden.
Die Corona-Krise habe seinen erlernten Beruf nur sehr kurzfristig aufgewertet. Heute sei nichts mehr davon zu spüren. "Natürlich weiß man, dass in der Krankenpflege Schichtdienste auch nachts und am Wochenende zum Beruf gehören." Wenn aber ein mit ihm befreundeter Baggerfahrer fürs Arbeiten am Wochenende einen Zuschlag von 120 Prozent erhalte, ärgere ihn schon, wenn er die vergleichsweise geringen Zuschläge der Pflegeberufe sehe. Dies mache den Beruf auf Dauer unattraktiv, findet Bogs. Und jetzt bekämen Krankenpfleger nicht einmal den Corona-Bonus ausgezahlt.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte den Pflegeberufen 1000 Euro Bonus versprochen, den die Länder oder Arbeitgeber steuerfrei um weitere 500 Euro aufstocken können. Klar geregelt sind die 1000 Euro Corona-Prämie aber nur für die Altenpflege. Wenigstens in Bayern werden die 500 Euro allen Pflegeberufen gezahlt.
Schmerzensgeld statt Wertschätzung
Dass nur die Beschäftigten in der Altenpflege die 1000 Euro bekommen, könne sie überhaupt nicht verstehen, sagt Sandra Zimmer, Gewerkschaftssekretärin für Gesundheit und soziale Dienste bei Ver.di in Würzburg. Die Begründung, dass in der Altenpflege am wenigsten bezahlt würde, mache den Bonus eher zu einem Schmerzensgeld, statt zu einem Zeichen der Wertschätzung. Wenigstens bekommen ihn in der Altenpflege auch Kollegen in hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.
Der Abgeordneten Sabine Dittmar (Bad Kissingen), Sprecherin der SPD im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages ist wichtig, dass die 1000 Euro nicht aus Steuergeldern finanziert würden, sondern lediglich steuerfrei seien. Finanziert würden sie in der Altenpflege durch die Pflegeversicherung. Aber auch jede Klinik könne die 1000 Euro Bonus an ihre Pflegekräfte bezahlen und sie über die "Pflege am Bett" bei den Krankenkassen auch abrechnen.
Der Bonus ist ein "halbgares Geschenk"
Letztlich hätten die Boni auch zu Unmut geführt und das Personal gespalten, weil sie in den Kliniken nur die Pflegekräfte bekommen, sagt Christian Huß, Vorsitzender des Personalrats am Universitätsklinikum Würzburg. Was ist beispielsweise mit den Ärzten oder Reinigungskräften, die demselben Ansteckungsrisiko ausgesetzt waren, was mit der Verwaltung, die gerade bei der Beschaffung von Schutzausrüstung extrem gefordert war? Der selbstständige Pflegeberater Markus Oppel (Buchbrunn, Lkr. Kitzingen) fasst die Boni so zusammen: "Das ist ein halbgares Geschenk, mit dem man möglichst wenigen Leuten Gutes tun wollte, damit es nach viel aussieht."
Gleichzeitige Aussetzung der Personaluntergrenze
Der Bonus sei das falsche Mittel, der Pflege Danke zu sagen, so der Pflegedirektor der Universitätsklinik Würzburg, Günter Leimberger. Natürlich sei ein steuerfreier Bonus erst einmal schön. Aber er ändere nichts an der grundsätzlichen Situation. Er war eine rein politische Aktivität und wurde durch die gleichzeitige Aussetzung der Personaluntergrenze konterkariert, was Anerkennung und Wertschätzung der Pflegekräfte betreffe. Grundsätzlich seien Personaluntergrenzen jedoch kein probates Mittel. Auch außerhalb von Coronarzeiten gebe es Patienten mit sehr unterschiedlichen Pflegebedürfnissen. Da müsse eine Pflegeleitung flexibel reagieren, um Patienten und Mitarbeitern gerecht zu werden.
Die Systemrelevanz der Pflegeberufe interessiere schon jetzt niemanden mehr, sagt Christian Huß. Während der Corona-Zeit gab es einen starken Zusammenhalt innerhalb der Klinik. Inzwischen herrsche wieder Alltag. Dabei habe "dieser ganze Heldenquatsch mich schon immer genervt", so Huß. Pflegekräfte seien Profis und keine Helden. Deshalb bräuchten sie vernünftige Rahmen- und Arbeitsbedingungen, um vernünftig pflegen zu können.
Mehr Gehalt, vernünftige Schichtmodelle, mehr Arbeitsschutz und geeignete Hilfsmittel, fordert in diesem Zusammenhang Markus Oppelt. Deutschland habe in Europa einen ganz schlechten Schnitt, was das Verhältnis von Pflegenden und ihrem Klientel betreffe. Ein Nachtdienst für bis zu 160 Leute in großen Pflegeheimen sei nicht hinzunehmen, aber das gebe es durchaus - auch in Bayern.
Die attestierte Systemrelevanz sei folgenlos gewesen
"Ob sich die gesellschaftliche Sichtweise auf die Pflege verändert, muss man abwarten. Bisher ist die attestierte Systemrelevanz folgenlos geblieben," sagt Ulrike Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha bei der Arbeiterwohlfahrt in Unterfranken. Von den 13000 zusätzlichen Stellen aus dem Sofortprogramm von Gesundheitsminister Jens Spahn zur Stärkung der Pflege, seien bisher lediglich 2600 besetzt worden, weil die dafür notwendigen Mitarbeiter entweder nicht vorhanden seien, oder aber der damit verbundene bürokratische Aufwand für die Beantragung abschrecke.
Die Pflege leide vor allem an einer hohen Reglementierung seitens der Aufsichtsbehörden und der Kassen. In der Corona Krise habe man sich hier teilweise wesentlich mehr Unterstützung gewünscht. Hier fühlten sich viele Träger alleine gelassen. Beispielsweise verlange man von den Heimen Hygiene-Konzepte, ohne verbindliche Vorgaben festzulegen: "Den Unmut der Angehörigen und Bewohner über die Maßnahmen müssen die Mitarbeiter aushalten," sagt Hahn.
Uniklinik Würzburg kann alle Ausbildungsplätze besetzen
Immerhin seien Pflegekräfte und ihre Bedeutung durch die Corona-Pandemie stärker und positiv ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, meint Pflegedirektor Günter Leimberger. So habe man alle Pflege-Ausbildungsplätze für die im September beginnende Ausbildungszeit besetzen können. Da habe es im Juni noch einmal einen richtigen Schwung an Bewerbern gegeben. Ob dies mit Corona oder der starken Werbung in sozialen Medien zusammenhänge, könne er nicht sagen. Jedoch sei die Bereitschaft von Abiturienten, ein soziales Jahr in einem Krankenhaus zu absolvieren, deutlich gestiegen.
Dennoch fürchtet Leimberger eine Unterversorgung mit Pflegekräften, die sich zunächst in der Langzeit-, sprich Altenpflege zeigen wird. Die Kliniken wird es als nächstes treffen, jedoch tendieren ausländische Pflegekräfte, die sehr gut ausgebildet seien, eher dazu, in Kliniken zu gehen. Pflegeberater Markus Oppelt glaubt nicht mehr an die Wende: "Wir werden den Pflegeberuf nicht mehr so attraktiv bekommen, dass wir ausreichend Nachwuchs erhalten. Wir können nur noch Schadensbegrenzung betreiben."
Angehörige werden wieder mehr gefordert
Alexander Bogs hat für sich die Konsequenz gezogen und seinem erlernten Beruf den Rücken gekehrt. Für Bogs ist klar, wenn die Wende nicht doch noch gelingt, seien die Angehören wieder mehr gefordert. Im Ausland gebe es das schon: "Krankenhäuser verlieren ihren Hotelcharakter mit Rundum-Service. Den müssen die Angehörigen liefern."
gibt es in dieser schönen Welt des real existierenden Kapitalismus nur für Sachen, die man in Euro (und Cent) ausdrücken kann.
Menschliche Nähe? Mag in der Krise unbezahlbar sein, in Geld aber "nix wert".
Ist so ähnlich wie mit Rücksichtnahme, Aufrichtigkeit, Höflichkeit, Engagement - kriegen Sie keinen müden Cent dafür, alles so Sachen von anno dunnemals.
Meine Güte.
Wahrscheinlich kommt noch der Tag, wo sich nur noch die Leute mit dem dicksten Geldbeutel Pflegekräfte leisten können. Wenn überhaupt noch jemand den Job machen will.
Hab mal irgendwo gelesen, eigentlich gab und gibt es immer genug Nahrungsmittel auf der Welt für alle. Das Problem ist die Verteilung, und mit dem Geld scheints ähnlich zu sein... verd###, dies ist eins der reichsten Länder der Welt und bricht in lautes Barmen aus/ die Welt geht unter, wenn es um eine angemessene Finanzierung für eine menschenwürdige Pflege geht??!!
Wieder einmal stellt sich in diesem Land die Frage, wo wir sinnvollerweise die Prioritäten setzen. Ministerialbeamte, Verwaltungen usw. befassen sich intensiv mit und werden teuer bezahlt für die Umsetzung des grünen Wahns, die Sprache in unserem Land und damit auch im Verwaltungsdeutsch vermeintlich gendergerecht umzukrempeln. Am Ende werden riesige Beträge für diesen Unsinn ausgegeben worden sein.
Ich bin mir sicher, dass es den Pflegekräften völlig gleichgültig ist, ob sie zukünftig als „Krankenpflegende“ bezeichnet werden oder ob sie beispielsweise weiterhin mit „Krankenschwester“ angesprochen werden. Viel wichtiger ist doch die Wertschätzung ihres Tuns durch eine dem menschlichen Einsatz und der Professionalität entsprechende Entlohnung.
Die würdigen nur,was sie wollen.
20€ Mindestlohn für alle Medizinischen Berufe, rückwirkend ab Corona 2020.
Geht in die Gewerkschaft und dann Streik!
Die 1500 Euro soll der Bezahlen, der sie versprochen hat.