Bei uns im Klinikum Würzburg Mitte ist die Zahl der Corona-Fälle in den vergangenen Tagen deutlich gestiegen. Insgesamt haben wir am Dienstag 32 Covid-Patientinnen und -Patienten behandelt, sieben davon auf der Intensivstation.
Angesichts dieser angespannten Lage beschäftigt uns natürlich die neue Virusvariante Omikron. Wie gefährlich sie ist, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Bekannt ist, dass die Variante Veränderungen am Spike-Protein zeigt – und das könnte die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinflussen. Dass sie jedoch gegen Omikron völlig wirkungslos sind, halte ich persönlich für unwahrscheinlich.
Noch kein Omikron-Fall im Klinikum
Hinzu kommt: Anders als zu Beginn der Pandemie kennt man die Biologie des Coronavirus mittlerweile gut. Es geht nun darum, kleine Veränderungen nachzuvollziehen und die Impfstoffe gegebenenfalls anzupassen. Das ist etwas ganz anderes, als in der Impfstoffentwicklung bei Null anzufangen. Deshalb sollte man Omikron ernst nehmen, aber ich sehe keinen Grund, in Panik zu verfallen. Bei uns im Klinikum gab es bislang auch noch keinen Omikron-Fall.
Was mich allerdings an diesem Montag morgens bei der Visite auf der Corona-Normalstation sehr berührt hat, ist die Geschichte einer jungen Patientin, noch keine 30 Jahre alt. Sie ist zum elften Mal schwanger, hat ein gesundes Kind und erlitt bereits neun Fehlgeburten. Aus Sorge vor Komplikationen in der Schwangerschaft hat sie sich nicht impfen lassen. Jetzt wird sie bei uns auf der Station mit einer Covid-19-Lungenentzündung behandelt. Das ist ein Schicksal, das einen sehr mitfühlen lässt. Und das traurig macht.
Ehemalige Intensivpflegekräfte kommen zurück
Auch auf der Intensivstation haben wir momentan eine Corona-Patientin, die zusätzlich an Diabetes mellitus leidet und sich aus Angst vor einer Schwächung ihres Immunsystems nicht impfen ließ. Tatsächlich hat sie aber bereits durch den Diabetes eine Immunschwäche und damit ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf. Das ist extrem unglücklich und treibt mich wirklich um.
Denn immer wieder habe ich in den vergangenen Tagen in persönlichen Gesprächen mit Ungeimpften oder ihren Angehörigen erfahren, wie fatal die Folgen von falschen, verkürzten oder unvollständigen Informationen zur Impfung sind. Und ich muss ehrlich sagen: Es belastet mich, wenn ich sehe, wie Menschen dadurch in Gefahr geraten.
Ein anderes Beispiel dafür ist ein Mann, den wir im Zuge des Lastenausgleichs aus Oberbayern übernommen haben und der schon länger bei uns mit schwerem Covid-Verlauf beatmet werden muss. Er hatte im Frühjahr einen Abszess, deshalb wurde ihm geraten, sich erstmal nicht impfen zu lassen. Nun liegt er seit Wochen im Krankenhaus - und am Wochenende kam es zur Eskalation: Er hat einen schweren septischen Schock entwickelt, das ganze Team hat um ihn gekämpft. Jetzt ist sein Zustand wieder etwas besser, darüber sind wir froh. Als seine Frau und Tochter zu Besuch kamen, haben sie sich sehr emotional bedankt. Ihre Worte haben dem ganzen Team gutgetan.
Ein anderer, positiver Höhepunkt: Wir sehen momentan einige Intensivpflegekräfte, die bereits früher bei uns im Klinikum gearbeitet haben und zurückkommen wollen. Das sind jüngere Menschen, die sich dem Team wieder anschließen möchten. Das ist wichtig und freut mich sehr.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (51) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. In seinem Tagebuch gibt er in den kommenden Wochen regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch