Kurz vor Ende des Jahres behandeln wir im Klinikum Würzburg Mitte 16 Covid-Erkrankte, davon drei auf den Intensivstationen. Das heißt, wir haben keinerlei Kapazitätsprobleme.
Nichtsdestotrotz beschäftigt uns die Frage, wie wir mit der erwarteten Omikron-Welle umgehen. Dabei geht es einerseits um möglicherweise deutlich mehr Corona-Patientinnen und -Patienten. Andererseits um die Gefahr, dass Personal aufgrund von Kontakten zu Omikron-Infizierten in Quarantäne geschickt werden könnte – obwohl geimpft oder genesen. Das macht uns und allen Kliniken Sorgen.
Quarantäne-Regeln mit Blick auf Omikron anpassen
In anderen Ländern ist die Quarantäne-Zeit für Geboosterte deshalb bereits angepasst worden und wir glauben, dass das auch in Deutschland nötig wird. Natürlich ist es ein schmaler Grat zwischen der nötigen Einschränkung der Omikron-Ausbreitung und unnötigen Personal-Ausfällen. Für diesen Konflikt braucht es eine pragmatische Lösung, damit man nicht die Gesundheitseinrichtungen lähmt.
Was ich mir generell für die Zukunft wünsche: Wenn im Gesundheitssystem Strukturen verändert werden, muss man vorher die Voraussetzungen dafür schaffen. Ein Beispiel ist die Tendenz zur Ambulantisierung. Das heißt, der stationäre Krankenhausbetrieb konzentriert sich immer mehr auf schwerkranke Patienten, leichtere Fälle werden meist ambulant versorgt. Nur: An der Schwelle zwischen den Bereichen kann es schnell zu Problemen kommen.
Berührende Schicksale: Vor einem Jahr noch Intensivpatient, heute zurück im Leben
Bei einem komplexen endoskopischen Eingriff im Krankenhaus etwa, muss der Eingriff eigentlich vom durchführenden Mediziner vorbereitet werden. Er entscheidet über die Technik, über die Notwendigkeit von Narkose und Beatmung – das kann der ambulante Kollege nicht leisten. Allerdings sind Kliniken heute dazu gezwungen, solche Eingriffe bereits am Tag der Aufnahme durchzuführen. Für eine verantwortungsvolle Vorbereitung jedoch muss ein Untersucher selbst den Patienten vorab kennenlernen.
Blickt man auf 2021 zurück, gibt es natürlich Schicksale, die einen besonders berührt haben. Ich erinnere mich etwa an zwei Covid-Patienten, die vor genau einem Jahr noch auf der Intensivstation lagen. Wir haben damals im Team hart diskutiert, wie wir die Therapie fortsetzen können und ob sie eine Chance haben, zu überleben.
Diese beiden Patienten waren im November zur Nachkontrolle bei uns. Sie sind zu Fuß in die Klinik gekommen und ganz normal leistungsfähig. Folgeschäden sind ausgeblieben. Das hat Mut gemacht und uns für die Patienten enorm gefreut. Der Besuch hat jeden im Team bewegt, eben weil es viele Zweifel gab – und jetzt hat man gesehen: Es hat sich gelohnt.
Genau das ist ein wichtiger Punkt, der im Alltag in der Intensivmedizin oft zu kurz kommt. Denn sobald es Intensivpatienten besser geht, werden sie auf die Normalstation verlegt und gehen irgendwann nach Hause. Das sieht das Intensivpflegeteam nicht, das positive Feedback fehlt. Aber das dürfen wir nicht vergessen. Deshalb versuchen wir, Patienten bei Nachkontrollen mit auf die Intensivstation zu nehmen und zu sagen: Schaut, das ist aus den Menschen geworden – danke, dass ihr so gekämpft habt!
Ich wünsche nun allen Leserinnen und Lesern einen guten Rutsch und ein gesundes neues Jahr! Und ich freue mich auf eine Urlaubswoche. Das Tagebuch erscheint dann im Anschluss wieder im gewohnten Rhythmus.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (51) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. In seinem Tagebuch gibt er regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch