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Würzburg
Dr. Helds Corona-Tagebuch: Erste Worte nach 36 Tagen Beatmung
Sprunghafte Anstiege der Infektionen, ungewöhnliche Erscheinungsformen – und bewegende Momente: Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte, berichtet.
Ärztlicher Direktor Matthias Held in seinem Büro in der Missio-Klinik (seit 2017 zusammen mit dem Juliusspital unter dem Dach des Klinikums Würzburg Mitte). 
Foto: Fabian Gebert | Ärztlicher Direktor Matthias Held in seinem Büro in der Missio-Klinik (seit 2017 zusammen mit dem Juliusspital unter dem Dach des Klinikums Würzburg Mitte). 
Bearbeitet von Christine Jeske
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:42 Uhr

Wir haben am Freitag im Juliusspital und in der Missio-Klinik 27 Patienten in der Corona-Isolation versorgt. Vier Patienten befinden sich auf der Intensivstation. Zu Wochenbeginn hatten wir 16 Patienten. Es gab also eine deutliche Zunahme. Wir verfolgen auch die Ausbrüche in anderen Kliniken, die andernorts sogar zu einem Aufnahmestopp geführt haben. Die Lage ist also nach wie vor keineswegs stabil.

Ein Kollege an der Missio-Klinik, der Infektiologe Professor August Stich, ist Mitglied im ständigen Arbeitskreis der Kompetenz- und Behand­lungs­zentren für Krankheiten durch hoch­patho­gene Erreger (STAKOP). Von dort kommt das Signal, dass es noch keine Lockerungen geben sollte. Es kann immer wieder zu einem deutlichen Rückschlag kommen.

Wir diskutieren auch mit Kollegen außerhalb des Klinikums über mögliche Ursachen für den sprunghaften Anstieg. Liegt das an Escape-Mutanten, also Viren mit einer schwachen Immunantwort? Oder ist der Grund eine nachlassende Anspannung und damit verbunden eine nachlassende Sorgfalt? Diese ist aber nötig, um die Übertragungskontrolle zu behalten. Deshalb müssen wir im Klinikum alle daran erinnern und motivieren, auch bereits geimpftes Personal, dass konsequent die Schutz- und Hygienemaßnahmen beachtet werden. Es ist jedoch nachvollziehbar, dass Menschen, die sich täglich mit dem Thema "Corona" befassen müssen, auch gewissen Ermüdungserscheinungen zeigen.

Am Donnerstag haben wir im Krisenstab Erfahrungsberichte diskutiert. Fest steht, dass die Coronaviren zwar über die Atemwege in den Körper gelangen. Sie können jedoch auch andere Organe betreffen. Die Folge sind völlig verschiedene Symptome und ungewöhnliche Erscheinungsformen: etwa eine Sehstörung in Folge eines embolischen Ereignisses. Man konnte sie auf eine Coronainfektion zurückzuführen, obwohl der Patient keine Atemweg-Symptome hatte. Mit anderen Worten: Eine Covid-19-Erkrankung kann auch bei anderen Organen durchaus schwerwiegende Einschränkungen nach sich ziehen, obwohl ein Patient etwa keine Atemwegssymptome aufweist und somit länger ohne Symptome ist.

Persönlich war für mich die Visite auf der Intensivstation sehr bewegend. Dort behandeln wir einen Patienten, der seit 36 Tagen beatmet wird. Am Freitag hat er einen Sprechansatz in seine Trachialkanüle bekommen und konnte das erste Mal wieder sprechen – mit seiner Ehefrau.

Ein anderer Patient, der den 79. Tag auf der Station ist und sehr lange beatmet war, wurde heute von seinem Bruder und seiner Tochter aus Polen besucht. Zuletzt waren sie im Dezember da und hatten nicht mehr damit gerechnet, dass sie ihren Angehörigen wiedersehen. Es war ein sehr schöner Moment, die drei glücklich vereint zu sehen und ihre große Dankbarkeit zu spüren.

Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er seit vielen Wochen regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag: www.mainpost.de/corona-tagebuch

 
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  • zech.ch@gmx.de
    Was möchten sie denn genau wissen? Es wirkt sich doch ganz deutlich aus. Es werden aktuell jede Menge Operationen und Behandlungen verschoben, um freie Kapazitäten für Covid Patienten und andere Notfälle zu erhalten. Das gilt für Intensivstationen wie normale Bettenstationen. Die Anzahl der Intensivbetten ist vor allem durch fehlendes, qualifiziertes Personal limitiert, weniger durch apperative Ausstattung wie Beatmungsgeräte.
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