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Würzburg
Das ist der aktuelle Stand der Grundsteuerreform in Bayern: Was tun, wenn es im Einzelfall extrem viel teurer wird?
90 Prozent der Grundstücke und Immobilien in Bayern sind neu bewertet. Jetzt müssen die Kommunen die Hebesätze neu festlegen. Sie könnten auch auf Ansprüche verzichten.
Die Grundsteuerreform steht unmittelbar bevor. Jetzt sind die Kommunen in Bayern am Zug: Sie müssen im Herbst ihre künftigen Hebesätze bekannt geben.  
Foto: Getty Images | Die Grundsteuerreform steht unmittelbar bevor. Jetzt sind die Kommunen in Bayern am Zug: Sie müssen im Herbst ihre künftigen Hebesätze bekannt geben.  
Folker Quack
 |  aktualisiert: 23.08.2024 02:40 Uhr

Die Reform der Grundsteuer geht in die Abschlussphase. Haben Immobilienbesitzer jetzt noch keine Grundsteuererklärung abgegeben, erhalten sie eine Schätzung und müssen mit Versäumniszuschlägen rechnen. 2025 tritt die neue Grundsteuer dann in Kraft. Was bis dahin zu beachten ist und was der Würzburger Steuerberater Frank Rumpel bei den Hebesätzen erwartet.

Wie ist der aktuelle Stand der Grundsteuer in Bayern?

In Bayern müssen rund 6,4 Millionen Einheiten neu bewertet werden. Nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Steuern (LfSt) sind 6,4 Millionen Grundsteuererklärungen eingegangen. Doch es gebe Mehrfachübermittlungen, einige Erklärungen fehlen also.

Bis Ende Juli 2024 sind laut Landesamt 5,7 Millionen Hauptfeststellungen durchgeführt und die Bescheide versendet worden. Damit seien rund 90 Prozent aller Fälle erledigt, die Einspruchquote liege bei 10,8 Prozent.

Wo Grundsteuererklärung fehlen, haben die Finanzämter Schätzverfahren eingeleitet, teilt der Bayerische Gemeindetag mit. Nach der Sommerpause würden den Kommunen von den Finanzämtern die Messbeträge mitgeteilt, mit deren Hilfe sie ihre Hebesätze anpassen können.

Die bisherigen Hebesätze verlieren zum 1. Januar 2025 ihre Gültigkeit. Die Gemeinden müssen davor einen neuen Hebesatz beschließen.  

Wie werden die Kommunen ihre Hebesätze anpassen?

Der Würzburger Steuerberater Frank Rumpel, Leiter der Kanzlei ECOVIS, geht davon aus, dass die Gemeinden die Hebesätze zum Teil deutlich nach unten anpassen müssen, damit die Reform wie zugesagt aufkommensneutral bleibt. 

Im Einzelfall könne es aber selbst dann noch zu Mehrbelastungen kommen, so Rumpels Einschätzung: "Da eine Neubewertung auch Ziel der Grundsteuerreform war, ist eine Mehrbelastung in bestimmten Fällen unumgänglich und durchaus gewollt."

Der Bayerische Gemeindetag hat in einem Rundschreiben an alle Kommunen indes mitgeteilt, dass es "keine gesetzliche Pflicht zur Aufkommensneutralität" gebe.  

Frank Rumpel, Leiter der Steuerberaterkanzlei ECOVIS in Würzburg
Foto: BRUCHHAUS | Frank Rumpel, Leiter der Steuerberaterkanzlei ECOVIS in Würzburg

Was bedeutet das Urteil des Bundesfinanzhofes?

Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat Ende Mai in einem Grundsatzurteil mehr Rechte für Immobilien- und Grundstücksbesitzer gefordert. Bei steigenden Hebesätzen sollten Eigentümer nachweisen dürfen, dass der tatsächliche Wert ihres Grundstücks nicht so hoch ist wie vom Finanzamt festgestellt.

Auf Nachfrage teilt das Landesamt für Steuern dazu mit, dass Bayern ein transparentes und wertunabhängiges Flächenmodell für die Grundsteuer gewählt habe. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs beträfe ausschließlich Feststellungen des Grundsteuerwerts nach dem Bundesmodell. 

Kann es in Bayern für einzelne Immobilienbesitzer deutlich teurer werden?

Beim bayerischen Modell entscheidet künftig allein die Größe von Grundstück, Wohnfläche und, wo vorhanden, Nutzfläche. Verlierer der Reform werden die Eigentümer großer Grundstücke und großer Gebäude sein, prognostiziert Steuerexperte Frank Rumpel. Der Redaktion sind Fälle aus Unterfranken bekannt, in denen bei nicht mehr genutzten landwirtschaftlichen Anwesen die Grundsteuer auf bis zum 15-Fachen steigen kann. Gerade auf dem Land gibt es häufiger Steigerungen von 20 Prozent bis hin zum 10-Fachen.

Das ist der aktuelle Stand der Grundsteuerreform in Bayern: Was tun, wenn es im Einzelfall extrem viel teurer wird?

Kleinere Stadthäuser hingegen werden zum Teil sogar günstiger, da Alter und Wert eines Gebäudes künftig keine Rolle mehr spielen, sagt Rumpel: "Da es in Bayern künftig im Wesentlichen nur auf die Flächen ankommt, ist der Äquivalenzwert bei gleich großen Grundstücken im ländlichen und im städtischen Raum zunächst identisch." Alles stehe und falle mit den Hebesätzen der Gemeinden.

Können Kommunen unterschiedliche Hebesätze anwenden?

Die Kommunen können auch abweichende Hebesätze festlegen, der bayerische Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur Reduzierung des Hebesatzes und zu einem erweiterten Erlass für bestimmte Fallgruppen geschaffen. Die kommunalen Spitzenverbände haben dies allerdings klar abgelehnt, heißt es in einem Rundschreiben des Gemeindetags.

Abweichende Hebesätze könne es laut Grundsteuergesetz zum Beispiel für Betriebsleiterwohnungen, Baudenkmäler, sozialen Wohnungsbau oder Vermietungsgenossenschaften geben, erklärt Rumpel. 

Können Kommunen Ungerechtigkeiten ausgleichen?

Das Bayerische Grundsteuergesetz enthalte in Artikel 8 eine "schwammige" Regelung, nach der Ansprüche aus der Grundsteuerschuld erlassen werden könnten, sagt der Würzburger Steuerberater Frank Rumpel. Dann nämlich, wenn durch die Grundsteuerreform eine unangemessen hohe Steuerbelastung eintrete. Ob und in welcher Höhe die Grundsteuer erlassen wird, liege im Ermessen der jeweiligen Gemeinde. 

Ein Antrag auf Erlass von Grundsteuer nach Art. 8 BayGrStG ist erst nach Bekanntgabe der ab 2025 geltenden Hebesätze möglich, sagt Rumpel. Also erst dann, wenn im Einzelfall die tatsächliche Höhe der neuen Grundsteuer feststeht. Was als "unangemessen hohe Steuerbelastung" angesehen werden wird und wie die einzelnen Gemeinden mit Anträgen umgehen, bleibe abzuwarten.

 
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  • Hiltrud Erhard
    Leidtragende werden alle alten Hofstätten in den Dörfern sein. Die Gebäude auf einem Hof sind in der Regel sehr alt und groß.
    Was wird die Konsequenz sein?
    Abriss? Leerstand? Bauruinen? Wegzug?
    Ja, einen Anspruch auf Neutralität gibt es nicht, aber es wurde so kommuniziert und suggeriert!
    Hier muss dringend nachgesteuert werden!
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  • Friedel Heckenlauer
    Lieber Herr Zwirlein, lieber Herr Grünewald,
    die Aufkommensneutralität wurde bisher nur von Bundes- oder Landspolitikern "in Aussicht gestellt". Also von denen, die in den Gemeinden (Städte und Märkte) keine Verantwortung tragen. Wenn aber z.B. Baukosten, Energiekosten oder Personalkosten erheblich steigern, kommen die Verantwortlichen nicht umhin, die notwendigen Mittel zu generieren. Im Übrigen ist das das Wesen einer Steuer (im Gegensatz zu Beiträgen oder Gebühren).
    Es ist zwar richtig, dass ein Eigentümer bei gleicher Wohngrundstücksgröße und gleicher Wohnfläche überall in Bayern den gleich hohen Grundsteuermessbescheid erhält. Die zu bezahlende Grundsteuer ergibt sich aber erst aus dem Messbetrag multipliziert mit dem Grundsteuerhebesatz. Nach meiner Einschätzung werden eher im Süden Bayerns die Grundsteuerhebesätze erheblich steigen.
    Abschließend: alle Ausgaben der öffentlichen Hand müssen von den Bürgern bezahlt werden.
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  • Robert Grünewald
    Lieber Herr Heckenlauer, vielen Dank für Ihre Hinweise. Bitte erlauben Sie mir dazu ein paar Anmerkungen:

    1. Es ist richtig, dass die Aufkommensneutralität nur ins Schaufenster gestellt wurde und sich daraus kein Rechtsanspruch im einzelnen Fall ableiten lässt. Allerdings wäre es vielleicht besser gewesen, über das Thema deutlicher und transparenter zu sprechen und nicht etwas zu äußern, was am Ende nicht einzuhalten ist.
    2. Das Argument mit den Hebesätzen ist natürlich richtig, aber die Hebesätze müssten schon sehr unterschiedlich sein, um vom Grundsteuermessbetrag zu einer sachgerechte unterschiedlichen Steuerhöhe zu gelangen. Die Steuer soll ja gleichmäßig aber auch leistungsgerecht erhoben werden, was in diesem Modell nur mit drastisch unterschiedlichen Hebesätzen möglich wäre.
    3. Das BVerfG monierte seinerzeit ja die Einheitswerte, die keinen objektiven Wert liefern. Der objektive Wert wird auch jetzt außer Acht gelassen, da nur die Fläche zählt und nicht die Lage etc.
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  • Gerhard Zwierlein
    Leider habe ich keine "Einschätzung" zugrunde gelegt, sondern ich kenne die aktuellen Werte unserer Gemeinde. Da kommt es beim Grundvermögen (Grundsteuer B) fast zu einer Verdreifachung und bei der Landwirtschaft beträgt die Steigerung die Hälfte. Das hat auch nichts mehr mit Erhöhung oder Anpassung schon gar nichts mit Kostenneutralität zu tun. Das ist ein Wert, den sich die Kommunalpolitik niemals in einem Schritt zu erhöhen getraut hätte. Heute ist man da schon abgebrühter. Obwohl solche Zahlen bekannt sind, empfiehlt der bayer.Gemeindetag das alles erst mal so zu belassen! Nicht vergessen. Fast Verdreifachung ist das MITTEL: ...und wer ein altes Häuschen hat, zahlt mal leicht das Vierfache und der mit dem neuen die Hälfte. Liegt der Grundsteuerwert 40 Prozent über dem tatsächlichen Wert der Immobilie, kann mal lt. BFH dagegen vorgehen. Frage: wer nach dem Wertverhältnis mehr als 40% zuviel Grundsteuer bezahlt auch? "Oma ihr alts Häuschen" muss die Gemeinde nicht retten!
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  • Gerhard Zwierlein
    Lieber Herr Heckenlauer, ein Widerspruch/Hinweis sei erlaubt: " Es ist nicht das Wesen einer Steuer notwendige Mittel zu generieren". Wir leben in einer freien demokratischen sozialen Marktwirtschaft in der das Grundgesetz den Rahmen vorgibt. Insoweit hat der Gesetzgeber die Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu sichern und die Angemessenheit durch Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit herzustellen. Das hat Bayern aber nicht getan! Prof. Kirchhoff fordert daher die Allgemeinäquivalenz als vorzugswürdiger Belastungsgrund für die Grundsteuer Flächenmodell–und spricht der bayerischen Grundsteuer eine zulässige verfassungskonforme Typisierung zu. Sprich: er stellt nicht die Leistungsfähigkeit des Grundstücks, sondern Grundsteuer als einen allgemeinen Ausgleich für die Möglichkeit, die von der Gemeinde angebotenen Leistungen anzunehmen ins Zentrum. Vergißt aber dabei, dass selbst hier nach der Lage/Ortsteil innerhalb einer Gemeinde zu differenzieren ist. "Non olet"?
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  • Hiltrud Erhard
    Sehr geehrter Herr Heckenlauer. Aus ihrer Sicht als kommunaler Mandatsträger mag das gerne als eine vorgezogene Legitimation einer Grundsteuererhöhung gewertet werden. Allerdings wurde immer eine gewisse Aufkommens Neutralität zu niert.
    Ich muss hier den anderen Kommentatoren Recht geben, dass allein bei bestehenden Hebesatz, vor allem die Grundstücke in den Alt Otten (auch die in ihrer Gemeinde) eine erheblichen mehr Belastung ausgesetzt sein werden. Die fränkischen Arzt Kerne sind geprägt von kleinbäuerlichen Gehöften, Die mit Scheunen und Gartenanteile gerade auch ältere Menschen der App belasten, dass diesen die Lebensgrundlage entzogen werden könnte. Dieses Risiko mit dieser Struktur würden Sie Nicht ernst nehmen wollen? so kann man doch nicht mit den Bürgern umgehen!
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  • Wolfgang Wehner
    Die Gemeinden benötigen alle mehr Einnahmen, von daher werden die Hebesätze um etliche Prozente angehoben werden und wir müssen zukünftig durch diese Reform tiefer in die Tasche greifen. Folge daraus, uns dem Mittelstand, steht immer weniger Geldmittel zur Verfügung um das in die Wirtschaft zu investieren. Die Folgen können wir bereits alle schon spüren.
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  • Gerhard Zwierlein
    Bei gleichen Hebesätzen ergibt sich bei der Grundsteuer B ein Mehrfaches der bisherigen Steuer. Der Bayerische Gemeindetag spricht doppelzüngig von Aufkommensneutralität des Steueraufkommens und betont andererseits: "Haushalte sind auszugleichen Gemeinden müssen auf wegbrechende Einnahmen und Einnahmemöglichkeiten auch durch Erhöhung der Grundsteuerhebesätze für das Jahr 2025 bei Bedarf reagieren können! " (Mayer Geschäftsführendes Präsidialmitglied Bayerischer Gemeindetag Juni 2024 unter https://www.bay-gemeindetag.de/) . Die Grundsteuer B wird sich mehr als verdoppeln! Wäre das nicht schlimm genug, so trifft es den ländlichen Raum besonders, weil bei der bisherigen Bewertung die ortsübliche Miete ein wertbestimmender Faktor war, in den kleinen Ortsteilen noch was mehr! Noch schlimmer aber wirds für die "Oma ihr alt Häuschen", denn die alte Grundsteuer berücksichtigte auch Alter und Bauweise. Jetzt ist alles gleich. Gleiches Niveau und Steuer ob Alt oder Neubau! Ungerecht !
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  • Robert Grünewald
    Das Problem des bayerischen Modells ist meiner Ansicht nach, dass es vollkommen egal ist, wo das Grundstück liegt. Bei gleicher Größe zahlt jemand für sein Haus in Kützberg, Sennfeld, Madenhausen oder Schweinfurt ebensoviel wie ein jemand, dessen Haus in München oder Nürnberg steht. Hierin sehe ich zumindest einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz.

    Das bayerische Modell ist, zugegeben, recht einfach, aber im Steuerrecht ist einfach eben oft nicht gerecht. Die bayerische Grundsteuerreform ist nach meinem Dafürhalten nicht gerecht. Es würde mich auch in keiner Weise wundern, wenn sie in Karlsruhe scheitert.
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