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Würzburg
Grundsteuerreform: Gerade auf dem Land wird das bayerische Flächenmodell zu Ungerechtigkeit und Mehrkosten führen
Weil ein altes Haus in Rottendorf genauso viel kostet wie ein Neubau in München, kritisieren viele  Unterfranken den bayerischen Sonderweg bei der Grundsteuer.
Viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer in Unterfranken fürchten eine deutlichen Anstieg ihrer Grundsteuer ab 2025.
Foto: Julien Becker | Viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer in Unterfranken fürchten eine deutlichen Anstieg ihrer Grundsteuer ab 2025.
Folker Quack
 |  aktualisiert: 12.09.2023 02:47 Uhr

Die Reform der Grundsteuer soll dem Freistaat Bayern keine Mehreinnahmen bringen. Trotzdem wird es nach derzeitigem Stand viele Verliererinnen und Verlierer und große Ungerechtigkeiten geben. Denn der bayerische Sonderweg wird gerade in ländlichen Gebieten wie Unterfranken für Überraschungen sorgen.

Fast 70 Leserinnen und Leser haben dieser Redaktion nach einem Aufruf ihre geänderten Grundsteuermessbeträge zur Verfügung gestellt – unter der Voraussetzung, dass wir über die Daten anonymisiert berichten.

In nur zwei dieser Fälle könnte die Grundsteuer künftig deutlich günstiger werden, wenn die Gemeinde  ihren Hebesatz nicht verändert. Eine 2019 fertig gestellte Eigentumswohnung in Haßfurt bliebe ungefähr gleich. In allen anderen Fällen würden die Messbeträge ansteigen: von 20 Prozent bis hin zum zehnfachen der bisherigen Grundsteuer.

Expertinnen und Experten rechnen teils mit drastischen Steigerungen bei Grundsteuer

Die Messzahlen, die mit dem Hebesatz der jeweiligen Gemeinde multipliziert die neue Grundsteuer ergeben, zeigen, dass es große Unterschiede geben wird. Der neue Grundsteuermessbetrag in Bayern errechnet sich aus der Größe des Wohnraums, einer eventuell vorhandenen Nutzfläche und der Größe des Grundstücks. Er bildet die Grundlage aller Grundsteuerbescheide ab 2025.

Expertinnen und Experten rechnen mit teils explosionsartigen Preissteigerungen, die die Kommunen selbst mit drastischen Senkungen ihrer Hebesätze nicht ausgleichen können. Dies belegen die Beispiel aus ganz Unterfranken, die uns die rund 70 Immobilienbesitzerinnen und -besitzer zur Verfügung gestellt haben.

Wenn die Grundsteuer in Bayern um das 30-Fache steigen soll

So bei einem ehemaligen Bauernhof im Landkreis Würzburg, der nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird, sondern als Wohnraum und Nutzfläche abgerechnet werden muss. Dieses 1903 erbaute Gehöft hat bislang gerade einmal 31,18 Euro Grundsteuer pro Jahr gekostet. Nach der neuen Berechnung wären bei gleichem Hebesatz (340 Prozent) 1019 Euro im Jahr zu bezahlen.

Und das nicht etwa, weil der Eigentümer oder das Finanzamt bei der Grundsteuererklärung beziehungsweise beim Grundsteuer-Bescheid einen Fehler gemacht haben. Der Bescheid, der dieser Redaktion vorliegt, wurde von einem Steuerberater mehrfach überprüft. Konkret sind es vor allem ein alter Kuhstall und eine Scheune, die den Preis in die Höhe schießen lassen.

Steuerberater aus Würzburg: Unterschiede zwischen Stadt und Land sinken bei neuer Grundsteuer

Nach dem bisherigen Modell des Einheitswertes hat bei der Grundsteuer der Wert eines Gebäudes, einer Lagerhalle oder eines Grundstückes durchaus eine Rolle gespielt. Im neuen Flächenmodell des Freistaats Bayern spielt dieser Wert jedoch überhaupt keine Rolle mehr.

Frank Rumpel, Leiter der Steuerberaterkanzlei Ecovis in Würzburg.
Foto: Bruchhaus | Frank Rumpel, Leiter der Steuerberaterkanzlei Ecovis in Würzburg.

Allerdings hätten die Kommunen bei unangemessen hoher Steuerbelastung einen Ermessensspielraum nach Artikel 8 des Bayerischen Grundsteuergesetzes, so Frank Rumpel, Leiter der Steuerberaterkanzlei Ecovis in Würzburg. Allerdings handele es sich hier um eine "schwammige" Regelung. Man dürfe gespannt sein, wie diese ab 2025 umgesetzt werde.

Aber woher kommen die großen Unterschiede zwischen Häusern in der Stadt und in den Landkreisgemeinden? Ein Grund für die Abweichungen sei sicher, dass die Lage eines Grundstücks sowie das Alter im bisherigen Recht berücksichtigt worden seien, sagt Steuerberater Rumpel. "Dies führt im alten Recht dazu, dass ältere Häuser im Landkreis meist deutlich günstiger sind als neuere Gebäude in der Stadt." Bei den neuen Flächenregelung gebe es diese Unterschiede bei der Grundsteuer nicht mehr.

So wird ein 2012 erbautes Reihenendhaus im Würzburger Stadtteil Zellerau künftig statt bislang fast 400 Euro künftig 292 Euro im Jahr kosten. Ein 2019 am Würzburger Hubland erbautes Haus fällt gar von aktuell 549,20 Euro auf dann 296,30 Euro bei der Grundsteuer. Immer vorausgesetzt, der Hebesatz von aktuell 475 Prozent in der Stadt Würzburg wird nicht verändert.

Bei der Höhe der Grundsteuer rücken Stadt und Land in Bayern zusammen

Ein von der Größe her ungefähr vergleichbares Haus im Ortskern von Rottenbauer, das 1910 erbaut und 2019 generalsaniert wurde, hat den umgekehrten Effekt. Bei einem gleichbleibenden Hebesatz von 275 Prozent steigt diese Immobilie bei der Grundsteuer von jetzt 36,93 Euro nach der Reform auf 216,76 Euro. Das ist mehr als das fünffache.

Ein 1954 im nördlichen Landkreis Würzburg erbautes Wohnhaus, ebenfalls von Wohnfläche und Grundstücksgröße her vergleichbar mit den Würzburger Stadthäusern, steigt von bislang 80 auf 238 Euro an, wenn der Hebesatz bei 340 Prozent bleibt.

Wie viele Unterfranken sieht der Eigentümer hier ein Gerechtigkeitsproblem in dem bayerischen Sonderweg. Warum müsse er in seinem Dorf genau so viel Streuern bezahlen, wie der Eigentümer eines identischen Hauses in Würzburg oder gar München, fragt er.

Grundsteuerreform: Gerade auf dem Land wird das bayerische Flächenmodell zu Ungerechtigkeit und Mehrkosten führen

Bei der alten Grundsteuer hat in Bayern das Alter einer Immobilie eine Rolle gespielt

Das Alter der Gebäude, die Größe der Gemeinde habe im alten Recht eine Rolle gespielt. Das dürfte der Grund sein, dass diese 1910 und 1954 erbauten Häuser jetzt deutlich teurer werden, sagt Steuerberater Rumpel.

Ein zweiter Grund seien vom Finanzamt festgesetzte Jahresmieten, die im alten Recht für die Wertermittlung herangezogen worden seien. Diese sogenannten Jahresrohmieten (Miete ohne Nebenkosten) seien heute nur noch schwer nachvollziehbar, da die herangezogenen Vergleichsmieten des Finanzamts nicht bekannt sind.

Selbst wenn ein 1910 erbautes Haus im Jahr 2019 generalsaniert worden sei, könne es durchaus möglich und rechtens sein, dass es im alten Verfahren nach wie vor wie ein 1910 erbautes Haus berücksichtigt worden sei, so Rumpel. Es habe im alten Recht keine Anzeigepflicht für die Hausbesitzer gegeben.

Baugrundstücke werden in Bayern bei der Grundsteuer künftig teurer

Auch Gewerbeimmobilien sind von der Reform der Grundsteuer betroffen. So berichtet der Besitzer eines Betriebs im Landkreis Haßberge unserer Redaktion, dass er bei gleichbleibendem Hebesatz für seine teilweise aus der Vorkriegszeit stammenden Gewerbeimmobilie statt bislang 1500 jetzt 6000 Euro im Jahr bezahlen müsse.

Oftmals sind es große Gartengrundstücke und wenig brauchbare Nutzflächen, die die Grundsteuer nach oben treiben. Auch wenn Bayern keine erhöhte Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke erhebt, dürften diese in den meisten Fällen teurer werden.

Ein Leser aus Ebenhausen (Lkr. Bad Kissingen) berichtet von seinem 1200 Quadratmeter großen Baugrundstück, dass einen fast fünfmal höheren Messbetrag als vor der Reform bekommen habe. Fast viermal teurer wird ein entsprechend kleineres Baugrundstück in Gaukönigshofen (Lkr. Würzburg).

Noch ist offen, wie die Kommunen im nächsten Jahr aufgrund der dann bekannten Messzahlen in ihrem Gemeindegebiet die Hebesätze anpassen. Und, wie sie mit Härtefällen umgehen.

 
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  • Bernd Schuhmann
    Das Gesetz ist handwerklich schlecht gemacht und verstößt gegen den GRUNDSATZ der GLEICHBEHANDLUNG.
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  • Herbert Stapff
    @schuhmann: Eben kein Verstoß, denn ein m² ist ein m², egal wo er sich befindet und wird überall mit dem gleichen Betrag belastet. Gerechter geht es nicht. Denn der Verkehrswert spielt nun definitiv keine Rolle mehr.

    Man darf aber dann nicht die sehr unterschiedlichen Hebesätze der Gemeinden miteinander vergleichen wollen. Der Erlös der Grundsteuer fließt der Gemeinde zu. Nur hier kann der Hebel beim Hebesatz angesetzt werden.
    Genau das Einberechnen des Verkehrswertes führte zu den lange bemängelten Ungerechtig- und Streitigkeiten. Nun ist dieser Streitpunkt weg und es ist wieder nicht recht.

    @hock: Jetzt stellt sich heraus, dass die Grundsteuer bei diesem alten Hof seinerzeit falsch berechnet war. Jetzt wird sie berichtigt, aber es ist wieder nicht recht. Man will wieder die falsche Berechnung.
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  • Klaus Kiesel
    Herr Stapff: Die Aussage: Ein m2 ist ein m2 ist sicher richtig. Wenn aber ein m2 vermieteter Wohnraum in München 25€ Monatsmiete einbringt und ein m2 in Hintertupfing 3€, dann sollte die Grundsteuer in München oder Nürnberg oder Ingolstadt oder Augsburg halt auch höher sein. Aber dort hat ja die "hautevolee " mit ihrer Lobby, auch die Polit-Hautevolee ihr Eigentum, nicht in Hintertupfing. Und das ist das Ungerechte.
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  • Thilo Endrich
    Dieser Ausgleich kommt durch unterschiedliche Hebesätze der Kommunen - in München oder Sonstwo ergibt sich dann im Ergebnis auch bei gleichem Messebetrag eine unterschiedliche Grundsteuer
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  • Guntram Barthelmes
    Die Einnahmen aus der Grundsteuer stehen den Gemeinden und nicht dem Freistaat zu!

    Die Vergleiche angenommener Belastungen in unterschiedlichen Gemeinden in Bayern sind auch deshalb einfach Blödsinn! Dies gilt genauso für einzelne Berechnungen mit alten Hebesätzen.

    Die Leistungsfähigkeit der Gemeinden ist unterschiedlich und resultiert aus den sonstigen Einnahmen plus Grundsteuer. Dementsprechend sind auch die Leistungen für die Bürger unterschiedlich. Entscheidend ist also nur der Vergleich der Belastungen innerhalb der Gemeinde.
    Bisher steht nur fest, dass in Bayern die Eigentümer einfacher Anwesen im Vergleich innerhalb der Gemeinde künftig höher belastet werden.

    Der bisherige Stand mit den neuen Messzahlen lässt Hochrechnungen seriöser Weise nicht zu.
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  • Alfred Holler
    Diesen Beitrag lege ich im Fach "Wahlk(r)ampf" ab und schmeiß das Fach in den Müll
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  • Thilo Endrich
    Ungerechtigkeit ist wohl relativ und unterschiedlich, ob der Betroffene seinen eigenen Fall betrachtet oder viele Fälle nebeneinander. Letzteres haben die Gerichte getan und deswegen ist es zum neuen Recht gekommen. Ob die neuen oder die alten Werte "gerechter" sind obliegt der gleichen Betrachtung. Jedenfalls wird die bayerische Lösung in der Fachwelt (z.B. Professor Kirchhoff) dabei bisher deutlich positiver beurteilt als das komplizierte Bundesgesetz.
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  • Lydia Hock
    "So bei einem ehemaligen Bauernhof im Landkreis Würzburg, der nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird, sondern als Wohnraum und Nutzfläche abgerechnet werden muss. Dieses 1903 erbaute Gehöft hat bislang gerade einmal 31,18 Euro Grundsteuer pro Jahr gekostet. Nach der neuen Berechnung wären bei gleichem Hebesatz (340 Prozent) 1019 Euro im Jahr zu bezahlen."

    Ich gebe zu bedenken, dass 31,18 € im Jahr doch etwas sehr wenig und gegenüber Besitzern von kleinen Doppelhaushälften etwas ungerecht sind !
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  • Walter Seubert
    Ich hoffe doch das jemand bis in die letzte Instanz klagt und der "bayerische Sonderweg" dann abgeschafft werden muss.
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  • Thilo Endrich
    Da würde ich zunächst einen Blick auf die Regelungen und Ergebnisse in anderen Bundesländern und beim Bundesgesetz empfehlen - es gibt weit größere Verwerfungen und mehr Bürokratie aber "gerechtere" Lösungen sind nicht erkennbar.
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