
Joe Cocker in Würzburg: Drei Jahre nach seinem internationalen Durchbruch beim legendären Woodstock-Festival sollte der Weltstar auch in Würzburg seine Fans in Ekstase versetzen. "Für uns junge Menschen war es natürlich ein absolutes Highlight, eine richtige Sensation", erinnert sich Karl-Georg Rötter. Am Ende sind vor allem seine ekstatische Performance und die Begleitumstände des Hippie-Events den Anwesenden bis heute im Gedächtnis geblieben.
Um zu verstehen, was sich vor genau 50 Jahren am 8. und 9. Juli 1972 in Würzburg abspielte, muss man den Kontext der Zeit beachten: Erst seit wenigen Jahren verbreitete sich die Hippiekultur von Kalifornien aus und ihr Anhänger experimentierten mit freier Liebe und Drogen – für die bürgerliche Gesellschaft ein Affront.
Sie haben 1972 das Festival hautnah miterlebt
"Menschen, die es mit der progressiven Kultur schwer haben, werden immer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen", beschreibt das Jeff Beer heute. Er stand als Mitglied der Progressive-Rock-Formation 'Odin' selbst auf der Bühne. Vor der Bühne stand der damalige Schüler Karl-Georg Rötter. "Wer behauptet, sich zu erinnern, war nicht dabei", sagt der langjährige Main-Post-Redakteur – und er ist nicht der einzige Teilnehmer, der diesen Satz heute noch bestätigt – "aber an manches kann ich mich dann doch noch erinnern".
Auch Heinz Saueracker und Karl-Heinz Wolf waren damals live dabei. Ersterer hatte als leidenschaftlicher Amateurfunker tagsüber Zugang zum Gelände und hat seitdem viel Wissen über das Festival gesammelt. Karl-Heinz Wolf dagegen war eher zufällig Teil des Geschehens: Sein Haus war das einzige direkt am Festivalgelände und wurde daher kurzerhand zur Organisationszentrale umfunktioniert.
Die Stadt Würzburg organisiert widerwillig die nötigste Infrastruktur
Doch von vorne: Nicht weniger als das Ende der gesitteten Welt erwartete der konservative Teil der Würzburger Stadtgesellschaft als sich 1972 das "Würzburg Giant Pop-Festival" ankündigte. Stattfinden sollte es am 8. und 9. Juli, "ausgerechnet am Kiliani-Sonntag", wie sich Karl Hatzold, damaliger CSU-Vorsitzender im Stadtrat, über den unchristlichen Zeitpunkt empörte.
Wie die Main-Post im Vorfeld berichtete, hatte der Stadtrat nur widerwillig und erst nach Drohungen der Veranstalter – "Wenn Sie verbieten, dann kommen wir trotzdem!" – das Event überhaupt erlaubt. Stattfinden konnte es jedoch nicht wie angekündigt im Stadion der Kickers, sondern bei den "sieben Eichen". Die inzwischen verwilderte Fläche ist heute noch unbebaut und befindet sich in der Nähe des Waldfriedhofs im Würzburger Steinbachtal.

Das Problem: Damals wie heute gibt es dort keine Infrastruktur. Die Stadtwerke hatten daher notdürftig für Strom sorgen müssen, Fernmelder des Katastrophenschutzes bauten eigens für die Organisation ein Kommunikationsnetz auf.
"Da eindeutig eine Notlage vorliege", wie sich der damalige Würzburger Sicherheitsreferent zitierten ließ, wurde auch das Bayerische Innenministerium in die Planung miteinbezogen. Ein Großaufgebot der Polizei sollte den befürchteten "Einfall der Hippies" unter Kontrolle bringen, beschreibt Karl-Georg Rötter die Stimmung in der Stadt. "Für die Konservativen war es sicherlich Sodom und Gomorrha."
Von Sodom und Gomorrha keine Spur
In diesem Ton beschrieb auch das Würzburger Katholische Sonntagsblatt anlässlich des Events in Würzburg die aufkommenden Pop-Festivals: "Wie eine Seuche breiten sich diese Massen-Orgien aus, in denen Zehntausende von jungen Leuten zu hysterischen Rauschzuständen halb sexueller, halb manischer Natur systematisch aufgeputscht werden."

"Damals gab es die klassischen Sorgen, dass die Langhaarigen und Drogen in die Stadt kommen und Chaos ausbricht", erinnert sich Jeff Beer, "aber am Ende ging alles völlig friedlich vonstatten". Friedlich blieb es, da waren sich im Nachgang alle einig, aber ein Chaos muss es allen Schilderungen zufolge dennoch gewesen sein. "Total miserable äußere Umstände und eine Festival-Infrastruktur, wie man sie heute erwartet, war nicht ansatzweise vorhanden. Eine Bühne auf einer großen Wiese – das war's im Wesentlichen", erzählt Rötter.
Die Versorgungslage auf dem Gelände war eine Katastrophe
Von der Stadt wurden die Veranstalter zumindest verpflichtet, Toiletten aufzubauen. Bereits am Freitag berichtete die Main-Post von den ersten Angereisten, die sich "unter primitivsten Verhältnissen" mit ihren Zelten auf das Wochenende vorbereiteten.
Primitiv beschreibt auch die Versorgungslage auf dem Gelände treffend. "Es war schwer an Essen und Getränke zu kommen", berichtet Redakteur Rötter, "und irgendwann hat die Feuerwehr dann einfach mit ihren Schläuchen Wasser über das Publikum gespritzt, um in der Hitze für Abkühlung zu sorgen".
Organisiert wurde das Festival im Haus von Karl-Heinz Wolf, der noch heute direkt am damaligen Konzertgelände wohnt. "Gegen kleines Geld", hatten die Veranstalter ihr Büro in den Räumen des heute 86-Jährigen eingerichtet. Joe Cocker nutzte zudem Haus und Garten als improvisierten Backstage-Bereich für sich uns seine schillernde Entourage. Was genau in diesen Räumen vor sich ging, darüber möchte der damalige Taxi-Unternehmer aus Respekt vor dem verstorbenen Künstler lieber schweigen.
Chaotische Zustände auch auf der Bühne
Das bunte Treiben lässt sich aber erahnen, wenn man hört, wie der Woodstock-erprobte Künstler Anderen im Gedächtnis geblieben ist. "Es war ein legendärer Auftritt von Joe Cocker. Damals war er eine absolute Attraktion, aber er war mindestens sturzbetrunken und ist zwischendurch fast von der Bühne gefallen", erinnert sich der 67-jährige Rötter noch heute an ein unvergessliches Konzerterlebnis. "Aber musikalisch gesehen war das einfach kein gutes Konzert."

Dem damals 17-Jährigen ist auch der Auftritt der Gruppe Odin in Erinnerung geblieben. Wie deren Organist Jeff Beer bestätigt, hatte sich das internationale Ensemble mit Würzburger Basis in der Mittagshitze geradezu in Extase gespielt. "Unser Schlagzeuger Steward Fordham ist spontan beim großen Finale des Songs '21st Century Schizoid Man' torkelnd auf die Bühnenkante zugelaufen und mit Becken in der Hand einfach von der Kante gerollt. Wie er da unten lag, haben wir intuitiv begriffen: Das ist der Abschluss unseres Auftritts."
An den beiden Festivaltagen standen noch zehn weitere Musik-Acts auf der Bühne. "Mit 19 oder 20 Jahren internationale Stars direkt an der Bühne zu erleben war ein fantastisches Gefühl", schwärmt Jeff Beer noch heute von diesem "für die Würzburger Jugend prägenden Ereignis".
Die halbe Stadt war zum Zuhören gezwungen
Er berichtet auch, dass die Bands damals ohne die obligatorische Verpflegung auskommen mussten. Es habe zwar doch ein Catering gegeben, aber nur für den Stargast Joe Cocker. "Spontan hat ein Tennisverein 100 Brötchen belegt und in den Keller vom Karl-Heinz Wolf gepackt", erzählt Heinz Saueracker. Das nächtliche Festivalgeschehen hatte er nur akustisch verfolgt: von seinem Mansardenzimmer in Heidingsfeld.

Dass die Konzerte in der halben Stadt zu hören waren, sorgte dann auch für ein abruptes Ende. Allein aus der Sanderau gingen über 100 Lärmbeschwerden bei der Polizei ein, die daraufhin die fragile Stromversorgung des Festivals zu ihren Gunsten nutzte. Noch während Joe Cocker auf der Bühne stand, wie Heinz Saueracker noch weiß, schaltete sie gegen ein Uhr das Notstromaggregat der Stadtwerke aus – und zog damit dem gesamten Gelände den Stecker.
Die Main-Post berichtete, dass es sich manch ein Würzburger es nicht hat nehmen lassen, zum Festival-Gelände zu gehen, nur um die Feiernden zu beleidigen. Dokumentiert ist etwa ein Spaziergänger mit seinem Ausruf: "Artillerie müßte her und die Feuerwehr den Rest wegschwemmen."
Tatsächlich standen sogar einige Militärfahrzeuge auf dem Festival-Gelände. Doch nicht, um zu schießen. Denn unter den offiziell 15.000 Besucherinnen und Besuchern, und Tausenden, die keinen Eintritt zahlten, feierten auch einige hundert GI's der US-Army mit den Hippies. Nach Werbung über ihren Radiosender AFN sind sie nicht nur aus den Würzburger Kasernen in ihren Armee-Trucks angereist, um ein Stück heimischer Popkultur mitzuerleben.
Bilanzen von Polizei, Stadt und Land
Besonders die Furcht vor ausuferndem Drogenkonsum führte zu weitreichenden Polizeieinsätzen. Dem Historiker Johannes Schellakowsky zufolge verzeichnete die Würzburger Polizei rund um das Wochenende 131 Festnahmen, bei denen unter anderem 7,1 Kilogramm Haschisch gefunden wurden. Ein 22-Jähriger, der wegen 400 Gramm desselben festgenommen wurde, hatte sich sogar in seiner Zelle erhängt.
Karl-Heinz Wolf kann sich noch heute daran erinnern, dass die Aufräumarbeiten auf dem Feld vor seiner Tür fünf Tage dauerten, die Stadt ging davon aus, dass "die Beseitigung der Festival-Spuren kaum über 10.000 DM kosten wird". Schellakowskys Recherchen zu Folge führte das Pop-Experiment auf Landesebene sogar noch zu einem Nachspiel: Die Bayerische Regierung verbot Festivals grundsätzlich und "bis auf Weiteres".
Gerüchte unter Zeitzeugen besagen zudem, dass sich einer der Veranstalter nach dem Wochenende mit den Einnahmen abgesetzt habe. Was da wirklich dran ist, ist heute schwer zu überprüfen. Laut damaliger Main-Post hatte er beim Geldzählen noch ein vermeintliches Verlustgeschäft von 50.000 DM kommentiert: "Scheiße!"
Volksfest O.k. , Weindorf und kleine Feste auch noch O.k. aber dann langt es. Bloß keine großen Konzerte wo 10 000-30000 Leute kommen könnten, machen ja nur Lärm, Dreck und Ärger. So wie Fußballfans auch, schön das die Kickers wieder in der Regionalliga sind, so kommt wenigstens kein Gästepöbel mehr und bitte keine Multifunktionsarena kostet viel Geld und dann ständig Events. Ne danke bitte alles so lassen wie es ist.
Auch Mainfranken muss in die Zukunft investieren, sonst hängt uns die Region Frankfurt und Nürnberg noch mehr ab.
Es ist Platz für alle jeder findet einen Platz für seine Interessen in Würzburg. Würzburg und die Region kann mehr bieten als Landschaft, Wein und Kultur.
Konzerte an den Main Wiesen oder im Stadion wir es über kurz oder lang wegen Anwohnern sicher nicht geben.
ob der Mann als Veranstalter " richtig " Geld zählen konnte weiss ich nicht. Er (oder besser ge sagt Einer ) übernachtete in einen Hotel am Main und parkte seinen grossen Pkw auf den Mainparkplatz davor. Am nächsten Morgen sagte er auch wieder "Scheisse" und gab an, die gesamten Einnahmen von" 30 Tsd -Mark " die er im Handschuhfach aufbewahrt habe, seien
nicht mehr auffindbar. Das war viel Geld und wenn man sich gleich um 20 Tsd D-Mark ver-
zählt, liegt der Verdacht nahe, *man.n konnte nicht richtig zählen. Warum auch immer .....
Wie es weiterging weiss ich nicht ....... !!!
vor allem Neuen war in Würzburg und Unterfranken schon immer etwas größer als sonst in der Republik, das kann man aus diesem Artikel auch wieder deutlich entnehmen.
Zum Glück ist allerdings der Einfluss der katholischen Kirche nicht mehr so groß wie vor 50 Jahren. Damals durfte am Sonntag erst wieder Musik gemacht werden als der Festgottesdienst zu Kiliani vorbei war.
Ich war damals auf dem Festival und ich habe die Stimmung außerhalb des Zauns sehr wohl mitbekommen. Die Feindseligkeit gegenüber den jungen Gästen war sehr deutlich zu spüren und die war auch der Hetze der katholischen Kirche zu verdanken.
Auch die Auflage, dass am Sonntag erst ab 11 h wieder Musik gespielt werden durfte, stammte ja von bischöflichen Ordinariat. Die Katholiken hängen halt schon viel länger am Vergangenen, das ist jetzt keine neue Erscheinung. Es wird nur so viel akzeptiert, wie man unbedingt muss. Lieber aber blockiert man alles Neue, und wenn es auch nur Musik ist.
Die bayrische Polizei hatte damals die weit verbreitete Tendenz weg zu schauen, wenn es Gewalt gegen junge und langhaarige Menschen gab.
In Bad Neustart gab es Ende der 60er eine Tagung der NPD mit dem damaligen Bundesvorsitzenden Adolf von Tadden in der Stadthalle und eine kleine Demonstration von Schülern und Gewerkschaftern vor der Halle gegen diese Nazis.
Der bestimmt nicht zufällig Adolf heißende Vorsitzende rief seine Jungen Nationaldemokraten auf die Demonstranten zu verjagen und diese organisierten Schläger gingen auch mit ihren Fahnenstangen auf uns los. Die Polizei, die in der Nähe die stand, unternahm nichts, um die Schläger aufzuhalten.
In den 60ern und 70ern war die katholische Kirche noch viel radikaler in Ihrer Wortwahl gegen alles Neue und Moderne als heutzutage.
Es gab ja auch den als "Maschinengewehr Gottes" berühmten Pater Leppich, der in seiner Wortwahl, wie sein Spitzname schon aussagte, nicht gerade kleinlich war. Nein, dieser sogenannte Gottesmann säte regelrecht Hass auf alle modernen Strömungen, sei es die Selbstbestimmung von Frauen oder auch nur wahre Demokratie.
Die katholische Kirche hatte in jener Zeit auch noch eine eigene Zeitung im Stil der BLÖD, die bildpost,die wöchentlich am Kirchenausgang verkauft wurde. Grobe Schlagzeilen und Hetze gegen alles Neue war deren Auftrag scheinbar.
Es hat sich einiges geändert seitdem. Die Jesuiten z.B. sind heutzutage ja in der Erkenntnis so weit, dass sie ihren Schwerpunkt in den Entwicklungsländern auf die Ausbildung von Frauen und Mädchen legen. Damals war das unvorstellbar.
Ja die Anneliese Michel ist auch ein Opfer der Verkrustung in der Vergangenheit, die die katholische Kirche Unterfrankens in jenen Jahren noch festhielt.
Diese breite Dominanz des Katholischen in Unterfranken brachte massive Fehlentwicklungen in der Gesellschaft.
Anderswo wäre so etwas wie der Exorzismus mit Todesfolge angesichts der wissenschaftlichen Fortschritte nicht mehr so leicht möglich gewesen. Da brauchte es eben ein breites gesellschaftliches Verharren in Denkstrukturen, denen das Zeitalter der Aufklärung einfach noch fremd war.