Aktuell beklagen Lehrerverbände den Bildungsnotstand. "Es brennt lichterloh in den Grund- und Mittelschulen", sagt etwa Tomi Neckov, der aus Schweinfurt stammende Vizepräsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). Aber nicht nur in Grund- und Mittelschulen, sondern auch in Realschulen, Gymnasien, Förderschulen oder Berufsschulen steht im ehemaligen Bildungs-Vorzeigeland Bayern nicht alles zum Besten. Woran liegt das? Hier sind fünf Ursachen des aktuellen Bildungsnotstands.
1. Viele Flüchtlingskinder
Durch Russlands Krieg gegen die Ukraine sind Hunderttausende von Flüchtlingen nach Deutschland gekommen. Bayern hat bisher rund 27.000 schulpflichtige Kinder aufgenommen und rechnet zum Schuljahr 2022/23 mit einem Schülerzuwachs von bis zu 38.000 Schülerinnen und Schülern. Dies berichtet eine Sprecherin des Kultusministeriums. Die Zahl von 38.000 entspricht der Größe eines Abiturjahrgangs.
Laut Ministerium sollen die schulpflichtigen Grundschulkinder aus der Ukraine im Schuljahr 2022/23 "am Regelunterricht" teilnehmen. Sie besuchen also die normalen Grundschulklassen und bekommen laut Ministerium "Angebote zur Sprachförderung". Diese Verpflichtung bindet zahlreiche Kräfte, die dann für andere Angebote nicht nur Verfügung stehen.
Zudem werden laut Ministerium für ukrainische Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen sogenannte Brückenklassen eingerichtet. Das Ziel: schnell Deutsch lernen. Auch wenn in zahlreichen Schulen für diese Brückenklassen ukrainische Lehrkräfte eingesetzt werden, binden doch auch diese Klassen Personal und Räume.
2. Corona und die Folgen
Nach wie vor stecken sich an Bayerns Schulen Schüler und Lehrkräfte mit Corona an. Zum Schuljahresende an diesem Freitag, 29. Juli, hat Bayern mit einem Wert von 786 die dritthöchste Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland. Relativ hohe Fallzahlen bedeuten, dass sich immer wieder neben den Schülerinnen und Schülern auch Lehrkräfte mit Corona infizieren und dann für den Unterricht ausfallen. Dass Corona-Ausfälle im Herbst weitergehen oder sogar zunehmen, gilt als wahrscheinlich.
Zudem gilt nach wie vor in Bayern wegen Corona für schwangere Lehrerinnen ein Beschäftigungsverbot. Aktuell sind laut Ministerium rund 3000 Pädagoginnen schwanger; sie fallen zumindest für den Präsenzunterricht aus.
3. Ungleiche Bezahlung der Lehrkräfte
Bayerns verbeamtete Lehrkräfte starten noch immer auf unterschiedlichen Eingangsbesoldungsstufen. Während Realschul- und Gymnasiallehrkräfte direkt nach dem Referendariat die Eingangsbesoldungsstufe A13 bekommen, starten Bayerns Grund- und Mittelschullehrer mit der Eingangsbesoldungsstufe A12. Dies ist insofern ironisch, als Lehramtsstudierende fürs Grundschullehramt in Bayern zumeist ein deutlich besseres Abitur brauchen als junge Leute, die sich fürs Lehramt an Realschulen und Gymnasien entscheiden. Denn an vielen bayerischen Unis gibt es fürs Förderschullehramt und fürs Grundschullehramt einen Numerus Clausus (NC), fürs Lehramt an anderen Schularten jedoch nicht.
Dass das Einstiegsgehalt der Grund- und Mittelschullehrer dem der Realschul- und Gymnasiallehrer angeglichen wird, ist deshalb eine langjährige Forderung der beiden Lehrerverbände BLLV und GEW. Gerade für Mittelschulen, an denen in Bayern aktuell Lehrkräfte in ganz besonderem Maß Mangelware sind, könnten dadurch vielleicht Lehramtsstudierende motiviert werden, so die Verbände. In manchen anderen Bundesländern wie Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg oder Sachsen bekommen Grundschul- und Mittelschullehrer schon zum Karrierestart A13.
4. Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte
Das sogenannte Piazolo-Paket aus dem Jahr 2020 sah und sieht für den Freistaat vor, dass Grundschullehrkräfte eine Wochenarbeitsstunde länger arbeiten als bisher, dass sie kein Sabbatjahr nehmen dürfen und nicht vor dem 65. Geburtstag in Pension gehen. Diese Arbeitsbedingungen stoßen den Lehrkräften sauer auf und dürften dazu beigetragen haben, den Lehrerberuf unattraktiver zu machen.
Aber auch andere Pädagoginnen und Pädagogen fühlen sich aktuell in Bayern durch die Staatsregierung nicht genügend gewürdigt. So verlangen etwa die rund 2600 heilpädagogischen Förderlehrkräfte in Bayern eine Aufwertung ihres Berufs. Sie haben eine entsprechende Petition gestartet, in der eine Überarbeitung ihrer Tätigkeitsmerkmale gefordert wird. Diese pädagogischen Kräfte, die etwa in schulvorbereitenden Einrichtungen, Förderschulen oder beim Mobilen Sonderpädagogischen Dienst arbeiten, erhoffen sich dadurch langfristig auch eine bessere Bezahlung.
Auch die Fachlehrkräfte für Ernährung und Gestaltung, die vorwiegend an den Mittelschulen arbeiten, klagen seit langem über schlechte Arbeitsbedingungen. So haben sie oft im praktischen Fachunterricht deutlich über 23 Schülerinnen und Schüler und eine längere Wochenarbeitszeit als andere Lehrkräfte.
5. Schwierige Lehrerbedarfsplanung
Ein Lehramtsstudium dauert in der Regel vier bis fünf Jahre. Rechnet man noch ein Auslandssemester und den zweijährigen Vorbereitungsdienst (Referendariat) dazu, dann dauert es rund sieben Jahre, bis aus einem Abiturienten ein Junglehrer geworden ist. Bei einer Lehrerbedarfsplanung sieben Jahre im Voraus, passieren aber Fehler – auch deshalb, weil gewisse Ereignisse wie der große Zustrom von Asylbewerbern im Jahr 2015/16 oder etwa die Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine seit März 2022 nicht vorhergesehen werden können.
Die Junglehrerinnen und -lehrer, die jetzt zum Schuljahresbeginn 2022/23 gebraucht würden, hätte Bayerns Kultusministerium also schon 2015 quasi vorbestellen oder zumindest zum Studium ermutigen müssen. Dies hat es allerdings nicht getan. In der Lehrerbedarfsprognose 2015 etwa steht nicht, dass mehr Grundschullehrer gebraucht würden, sondern nur, dass "ihre Zahl nicht zurückgehen" sollte.
Dass im Jahr 2022 mehr Mittelschullehrer gebraucht würden, war allerdings schon 2015 klar: "Die Anzahl der Studienanfänger sollte weiter ansteigen", heißt es in der Lehrerbedarfsprognose 2015. Aus aktueller Sicht grundfalsch war die Aussage, dass die Zahl der Realschullehrer und Gymnasiallehrer zurückgehen sollte. Mittlerweile ist klar: "Der Mangel an Lehrkräften wird auch an Gymnasien und Fachoberschulen immer deutlicher spürbar", wie aktuell der Bayerische Philologenverband warnt.
Denn sie kann es ja nicht auf die Regierung schieben, weil sie ist es ja die an der Regierung ist.
Die können die Klappe nur aufreissen wenn sie in der Opposition sind.
Unser Schulsystem ist in seiner Gesamtheit dringend reformbedürftig – und vielleicht ist ja auch genau das mit einer der Gründe, die zum aktuellen Lehrermangel beitragen.
Punkt 5 ist für mich der Knaller schlechthin. Es gibt wenig, was sich über Jahre im Voraus so gut abschätzen lässt, wie der Bedarf an Lehrern.
Punkt 2 ist für mich ebenfalls schwer zu ertragen. Corona (und insbesondere der damit verbundene Unterrichtsausfall) wird immer und immer wieder als wesentlicher Faktor für unsere Bildungsmisere genannt. Aber wenn es darum geht, irgendwelche zielführenden Gegenmaßnahmen zu ergreifen, dann zeigt sich die Politik in einem höchst beeindruckenden Maße handlungsunfähig.
Das Einzige, wozu man sich im Stande sieht: Sklavische Unterwerfung gegenüber dem Präsenzunterricht (scheint ja über allem zu stehen) ...
Inkompetente Reformverweigerer sind das ...
Und wenn man dann doch ein paar Lehrer mehr hat - ist das sicherlich ein überschaubarer Schaden, denn etwas kleinere Klassen haben noch keinem Schüler geschadet.