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Würzburg
"Keiner weiß mehr, wie es weitergehen soll": Reichen Bayerns Lehrer fürs nächste Schuljahr?
Der BLLV warnt, die Schulen könnten im neuen Schuljahr kaum differenzierte Lerngruppen oder individuelle Förderung anbieten. Die Situation sei alarmierend.
'Alles ist viel schlimmer als gedacht!' So beschreibt der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband die Situation an Bayerns Schulen. Der BLLV versteht sich als Sprachrohr vor allem der Grund-, Mittel- und Förderschulen. 
Foto: Armin Weigel, dpa | "Alles ist viel schlimmer als gedacht!" So beschreibt der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband die Situation an Bayerns Schulen.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:12 Uhr

Normalerweise erfährt der langjährige Würzburger Mittelschulrektor Winfried Gintschel im Juni vom Kultusministerium, über wie viele Lehrer er zum nächsten Schuljahr verfügen kann. Gelegentlich kommt diese Lehrerstundenzuweisung erst im Juli. Dass er aber nicht einmal am Tag vor der Zeugnisvergabe über die Lehrerstunden des nächsten Schuljahrs informiert worden ist – das findet der Rektor der Mittelschule Heuchelhof alarmierend.

Das zeige, wie es um die Lehrer im Freistaat bestellt sei. Gintschel sagt: "Der Lehrermangel in Bayern war noch nie so schlimm."

Lehrerverband: "An Bayerns Grund- und Mittelschulen brennt es lichterloh"

Den bayerischen Lehrermangel beklagen seit Jahren die bayerischen Lehrerverbände besonders intensiv am Schuljahresende – stets verbunden mit der Forderung nach mehr Lehrkräften, besserer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen. In diesem Jahr aber klagen die Verbände nicht mehr – sie schreien: "An Bayerns Grund- und Mittelschulen brennt es lichterloh und keiner weiß mehr, wie es im nächsten Schuljahr weitergehen soll", sagt Tomi Neckov, der aus Schweinfurt stammende Vizepräsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands.

Neckov rechnet damit, dass wegen der schlechten Personalsituation gerade an den Grund-, Mittel- und Förderschulen die Klassen größer als bisher werden müssen und dass Förderangebote, differenzierte Lerngruppen und Arbeitsgemeinschaften nicht oder kaum mehr angeboten werden können.

Kultusministerium: "Durch straffere Einsatzplanung das bestmögliche Bildungsangebot bieten"

Das Kultusministerium habe zum nächsten Schuljahr alle Schulen aufgefordert, "minimal zu planen, also nur noch das anzubieten, was unbedingt notwendig ist", schreibt
Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, in einem Brandbrief.

Die Frage, ob das zutreffe, hat das Kultusministerium am Donnerstag zwar verneint, gleichzeitig aber erklärt, dass die Schulaufsichtsbehörden im Bedarfsfall entsprechende Maßnahmen ergreifen würden, "um z.B durch eine straffere Einsatzplanung das jeweils bestmögliche Bildungsangebot zu bieten".

Schon im vergangenen Jahr sind Lehrerstundenzuweisungen gesenkt worden

Rektor Winfried Gintschel jedenfalls hält die Aussagen des BLLV nicht für übertrieben. Als Rektor der "letzten gebundenen Mittelschul-Ganztagsschule in Würzburg" musste er akzeptieren, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Lehrerstundenzuweisungen für Ganztagsstunden von wöchentlich zwölf auf neun abgesenkt worden ist. "Aber Ganztag haben wir ja trotzdem. Das heißt, ich brauche externes Personal für die drei fehlenden Stunden. Sehr schwierig zu finden", sagt er.

Zudem fällt laut Gintschel zum neuen Schuljahr die sogenannte "Migrationsteilung" weg, also die Vorgabe, dass bei einer Quote von mehr als 50 Prozent ausländischer Schülerinnen und Schülern eine Klasse mit mehr als 25 Kindern geteilt werden muss. Schulleiter aus Unterfranken betonen, dass für Lehrkräfte der Unterricht von sehr vielen Kindern mit sehr schlechten Deutschkenntnissen eine große Herausforderung bedeute. Zumal zusätzlicher differenzierter Unterricht für Kinder etwa mit Lern- oder Sprachproblemen eben möglicherweise nicht in dem Maß stattfinden kann wie erhofft. "Differenzierungsstunden zu kriegen, wird schwierig", sagt etwa Rektor Heribert Jäger von der Mittelschule Hofheim (Lkr. Haßberge).

BLLV fordert: "Bildung muss endlich Chefsache werden"

BLLV-Vize Tomi Neckov ärgert sich besonders darüber, dass Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) das Ausmaß der bayerischen Bildungsmisere nicht kommuniziere, niemals offen benenne. Stattdessen überlasse er es den einzelnen Schulen, zu erklären, warum etwa in Klassen Lehrkräfte unterrichteten, die eigentlich keine Lehrkräfte seien. Wo die Förderangebote geblieben seien und warum Musik oder Sport wegfielen.

"Bildung muss endlich Chefsache werden", fordert deshalb Neckov mit Blick auf Bayerns Ministerpräsidenten.

 
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  • micsch19092606
    Im der Schule sind bundesweit alle gleich nichts wert.
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  • jebusara@web.de
    Führt endlich Homeschooling ein. Klappt in vielen Ländern ganz ausgezeichnet. Spart den Kindern die oftmals weiten Wege in überfüllten Bussen und ganz nebenbei lernen sie auch noch selbstständiges Arbeiten. Was man sich selbst erarbeitet hat das kann man, das sitzt. Ödes Pauken ist oft schon vergessen wenn die Stunde zu Ende ist.
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  • tabima
    Da in einigen Schulen (allen voran auch Förderschulen) noch immer kaum Corona Schutz praktiziert wird, ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Lehrkräfte aufgeben. Nun sollen die Klassen noch voller werden, gleichzeitig fehlen noch immer Luftfilter und ob es möglich ist so zu heizen wie im letzten Jahr, bleibt fraglich. Somit haben Lehrkräfte die Aussicht auf volle Klassen in eisiger Kälte ohne jegliche Schutzmaßnahmen.
    Und dafür, dass sich die verbliebenen Lehrkräfte all das gefallen lassen, werden sie von Eltern auch noch oft angegriffen....Jetzt droht das System Schule völlig zu kollabieren....Dank geht an das KM - es hat von vorne bis hinten versagt
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  • fheilgenthal@t-online.de
    Das ist - wieder mal - ein Offenbarungseid. Schon bei Corona hat die Bildungspolitik im so auf den Föderalismus bedachten Bayern versagt und der Lehrermangel begleitet uns seit Jahrzehnten, obwohl zwischendurch manche LehrerInnen als Angestellte zeitweise nur Zeitverträge erhielten. Warum eigentlich? Problem für den "Chef": Dummerweise kann man das Riesenproblem diesmal auch nicht nur ansatzweise dem Bund zuschieben. "Bayern ist ein Bildungsland". Ich lach mich kaputt.
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  • Frasie
    Kultusministerium: "Durch straffere Einsatzplanung das bestmögliche Bildungsangebot bieten". Für diese Aussage würde ich mich in Grund und Boden schämen. Hier wird an die Wand gefahren was noch möglich ist. Bitte alle Entscheidungsträger für ein halbes Jahr an einer Grundschule oder Mittelschule einsetzen. Ach ne, brauchts net ... diese werden wegen absoluter Erschrockenheit was im realen Leben da abgeht, nach spätestens einer Woche das Handtuch werfen .. . Auf Praktiker hört man einfach nicht!!!
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  • nkestler@aol.com
    Das hat noch nie funktioniert. Es waren entweder "angeblich" zu viele oder zu wenige Lehrer.
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  • mainpost@wegner.email
    Werter meefisch,
    6 Jahre in die Zukunft planen? Das klappt in der Politik nicht, weil damit jede Landes- und die Bundesebene über eine Phase Wahlk(r)ampf hinausplanen müsste! Und die da vorherrschende Frage lautet: Wer weiß was nach der Wahl ist? Bin ich dann noch im Parlament? Welche besonders wichtige Funktion könnte ich bis dahin erreichen, sodass mich Bildungspolitik nicht mehr tangiert?

    Au weia, das waren jetzt zu viele spekulative Unterstellungen von mir. Ich hör jetzt besser auf...

    Schönes Wochenende
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  • attheendoftheday
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • info@softrie.de
    Diese gesamte Schulpolitik ist doch noch absurder als das, was wir jahrelang bei Stromberg sahen. Wie kann man einen solchen Teil der Gesellschaft ins Elend gehen lassen, während andere Bereiche in Saus und Braus leben?
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  • daniel.englbauer@churchsol.de
    Mit den Kindern lässt man nicht einen Teil ins Elend gehen, sondern die ganze Zukunft.
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  • Petsch06120702
    Ist doch alles Pille Balle solange "Sport macht Schule" von unserer hochgeschätzten Staatsekretärin ins Leben gerufen wurde. Wer braucht da noch zusätzliche Lehrer?
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