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Würzburg
Lehramt in Bayern: Warum Studierenden das Staatsexamen stinkt
Sie hetzen durchs Studium, um die Regelstudienzeit zu schaffen. Und dann stellt das Staatsexamen alles auf den Kopf? Studierende fordern eine Reform, per Petition im Landtag.
Noch vor dem Corona-Lockdown: Studierende in der Neuen Universität am Sanderring in Würzburg.
Foto: Patty Varasano | Noch vor dem Corona-Lockdown: Studierende in der Neuen Universität am Sanderring in Würzburg.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 09.02.2024 20:12 Uhr

Wer in Bayern Lehrerin oder Lehrer werden möchte, muss einen Prüfungsmarathon bewältigen: 40 bis 60 Einzelprüfungen im Studium, dann das Erste Staatsexamen, gefolgt vom zweijährigen Referendariat in der Schule mit Lehrproben und dem Zweiten Staatsexamen. Für höchst reformbedürftig halten Studierende im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) dieses System: Die Online-Petition "Stexit", die sie formuliert haben, ist bereits über 5000 Mal unterzeichnet worden und soll an diesem Donnerstag im Landtag übergeben werden.

Hohe Abbrecherquote wegen Staatsexamen?

Die Kritik der Studierenden zielt auf das zentral gestellte Erste Staatsexamen: Es sei demotivierend, ungerecht – und mitverantwortlich für eine hohe Abbrecherquote. Laut BLLV kommen 40 Prozent der Studienanfänger nicht im Lehramt an. Eine Zahl, die das Kultusministerium bezweifelt. Für eine belastbare Abbrecherquote, so ein Sprecher, brauche es eine "Studienverlaufstatistik". Diese sei zwar 2017 vom Wissenschaftsministerium angelegt worden, liefere aber noch keine Daten. In Würzburg  bleiben nach Angaben der Universität im Laufe des Lehramtsstudiums um die 30 Prozent auf der Strecke – dazu zählen allerdings Wechsler in eine andere Schulart oder in den Fachstudiengang ohne Lehramt.

Die BLLV-Studierenden ärgert, dass die Abschlussprüfungen für das Erste Staatsexamen mit 60 Prozent gewichtet werden, die Prüfungsergebnisse aus dem jahrelangen Studium zuvor jedoch nur mit 40 Prozent. Inhaltlich werde im Examen zu viel Fachwissen abgefragt, das Auswendiglernen stärker belohnt als der für den Lehrberuf wichtige Wissenstransfer. Bei den Korrekturen fehle es an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Und schließlich sei die Vorbereitung auf die zentralen Prüfungen an den bayerischen Unis sehr unterschiedlich. Statt Vergleichbarkeit führe dies zu Verzerrung und Benachteiligung.

Vorbereitungskurse werden nicht überall angeboten

"Die Vorlesungen und Seminare an der Uni bereiten nicht ausreichend auf das Staatsexamen vor", bemängelte Christin Gleiß bei einem Pressegespräch des BLLV. Gleiß hat in Würzburg Gymnasiallehramt für Biologie und Englisch studiert und gerade ihr Staatsexamen geschrieben. Zur Vorbereitung, sagt sie, habe sie Kursangebote an der Uni genutzt. Das habe ihr geholfen.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Tatsächlich haben Studierende an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) eine relativ gute Auswahl an Vorbereitungskursen. Andernorts bleiben Studierende auf sich allein gestellt. "Das darf bei einer zentralen Abschlussprüfung nicht sein", findet Gleiß. Im Kultusministerium verweist man auf die Lehramtsprüfungsordnung. Sie gebe Inhalte vor, die Umsetzung sei Sache der Universitäten. Man könne ihnen Vorbereitungskurse nicht verpflichtend vorschreiben.

Mit Disziplin und Ehrgeiz hatte sich Christin Gleiß das letzte halbe Jahr der Regelstudienzeit freigeschaufelt, um auf das Staatsexamen lernen zu können. Zu schaffen war das nur, indem sie sich keine "Fehltritte" bei den Klausuren geleistet und Kurse vorgezogen hat. Die Folge: 60-Stunden-Wochen.

Christin Gleiß hat in Würzburg Gymnasiallehramt für die Fächer Biologie und Englisch studiert und gerade ihr Staatsexamen geschrieben. Warum sie es für reformbedürftig hält, erklärte sie bei einer digitalen Pressekonferenz des BLLV .
Foto: Screenshot A. Jungbauer | Christin Gleiß hat in Würzburg Gymnasiallehramt für die Fächer Biologie und Englisch studiert und gerade ihr Staatsexamen geschrieben.

Sieben Semester sind für das Lehramt an Grund-, Mittel- und Realschule veranschlagt, neun Semester fürs Gymnasiallehramt. Dass die mehrmonatige Vorbereitung auf das Staatsexamen keinerlei Berücksichtigung in der Regelstudienzeit – wichtig für den Bafög-Bezug – findet, stößt nicht nur den BLLV-Studierenden sauer auf. Thomas Trefzger, Direktor der Professional School of Education (PSE) als zentrale Anlaufstelle für alle Belange des Lehramtsstudiums in Würzburg, weiß um den Zeitdruck: "Man braucht ein halbes Jahr zur Vorbereitung auf das Staatsexamen. Innerhalb der Regelstudienzeit ist das kaum zu schaffen."

Der Professor für Physik-Didaktik spricht sich deshalb für eine Verlängerung auf acht beziehungsweise zehn Semester aus.  Auch die starke Gewichtung der Abschlussprüfungen für das Erste Staatsexamen sieht Trefzger kritisch. Doch die Aufgaben würden "normalerweise von den Fachkollegen der verschiedenen Unis vorab diskutiert." So soll etwa vermieden werden, dass reines Nischenwissen abgefragt wird.

Immerhin, eine Forderung der BLLV-Studierenden ist in Würzburg schon erfüllt. Die Uni bietet einen "Lehramtsbachelor" für Studierende an, die sich im Laufe des Studiums vom Berufsziel Lehrer verabschieden, aber nicht mehr in den regulären Bachelor- oder Masterstudiengang wechseln können. Mit dem "Lehramtsbachelor" verlassen sie die Uni nicht komplett ohne Abschluss.

Die Durchfallquote beim Ersten Staatsexamen liegt in Würzburg laut Trefzger bei zehn bis 15 Prozent, durch die  Wiederholungsprüfung sinkt sie auf weniger als drei Prozent. Bayernweit sind nur an der Ludwig-Maximilian-Universität München mehr Lehramtsstudierende eingeschrieben als in Würzburg. Mit rund 6000 stellen sie hier fast ein Viertel aller Studierenden.

 
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Kommentare
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  • Doedi.wue
    Jammern ist der Lehrer Lust- Nachwuchs von Lehrern bekommen gleich nach ihrer Geburt einen schweren Stein auf den Bauch gelegt,um frühzeitig wenigstens das Jammern mit Erfolg zu erlernen!
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  • Einwohner
    Es kann sich doch jeder informieren was in Studium und Beruf auf ihn oder sie zukommt. Dann mittendrin das Gejammere ist schon seltsam.
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