Wo geht fast jeder Würzburger – rein statistisch – zweimal im Jahr hin? Ins Bürgerbüro des Rathauses. Dieses verzeichnet jährlich rund 240 000 Kontakte mit Bürgern, die von der Ausgabe von Gelben Säcken bis zur Zulassung eines neuen Elektroautos reichen. Vor zehn Jahren, im Frühjahr 2008, wurde das Bürgerbüro im sogenannten "Langgassen-Flügel" des Rathauses eröffnet– als zentrale Anlaufstelle für unzählige Dienstleitungen, die den Würzburgern seitdem umständliche Behördengänge quer durchs Rathaus ersparen. Das "Zehnjährige" war für Kommunalreferent Wolfgang Kleiner Anlass, jüngst vor den Stadträten Bilanz zu ziehen - und diese fällt positiv aus. Optimierungsbedarf besteht trotzdem.
Das Fazit des Rathauses: "Das Bürgerbüro funktioniert, trotz knapper Personalbesetzung und verbesserungsbedürftiger Raumsituation." Die unterschiedlichsten Anliegen würden an zentraler Stelle "serviceorientiert" und "relativ zeitnah" bearbeitet. Den Rückmeldungen nach sähen die Bürger das ähnlich. Eine nicht repräsentative Umfrage der Redaktion bestätigt das.
Holpriger Start mit einem teuer gefloppten Modellprojekt
Das klingt nach einer Erfolgsbilanz, die ursprünglich allerdings noch viel größer ausfallen sollte. Denn mit dem Bürgerbüro ging auch das Projekt "Würzburg integriert" an den Start, was nicht weniger als eine technische Revolution sein sollte und in Deutschland einzigartig. Das versprachen seinerzeit Oberbürgermeisterin Pia Beckmann und die Verantwortlichen des Bertelsmann-Dienstleisters Arvato zum Start des öffentlich-privatwirtschaftlichen Partnerschaftsprojektes (Public Private Partnership).
Das Erfolgsgeheimnis sollte eine zentrale elektronische Datenplattform sein, über die alle Verwaltungsabläufe gesteuert werden. Die angekündigten Vorteile: mehr Service für die Bürger (auch durch Behördengänge per Internet) und gleichzeitig eine Kostenersparnis von 27 Millionen Euro – möglich durch den Wegfall von 75 Stellen im Rathaus, die durch das vereinfachte Verfahren mittelfristig überflüssig sein sollten.
Doch bereits nach zweieinhalb Jahren war Schluss mit dem ambitionierten Projekt, das vor allem an seiner technischen Komplexität gescheitert sein soll. Entgegen der einstigen Ankündigung von OB Beckmann, die Stadt trage bei dem Projekt keinerlei finanzielles Risiko, kostete der Flop Würzburg letztlich über 1,3 Millionen Euro – und brachte Würzburg bundesweite Aufmerksamkeit: im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler.
Der Behördengang vom heimischen Computer aus
"Trotzdem war die Konzeption richtungsweisend", heißt es in der Bilanz des Kommunalreferates, denn sie war Wegbereiter für wichtige elektronische Servicedienste: Nach dem gescheiterten "Würzburg integriert"-Projekt ging Anfang 2012 das Bürgerservice-Portal ans Netz. Über dieses kann der Bürger verschiedene Dienstleistungen wie die Anforderung von polizeilichen Führungszeugnissen, die Außerbetriebsetzung von Kraftfahrzeugen oder das Einholen von Meldebestätigungen auch ohne Besuch im Bürgerbüro abwickeln. Für diese "Heimarbeit" ist allerdings ein "elektronischer" Personalausweis und ein Lesegerätes erforderlich. Die Angebote, von zuhause aus Dienstleistungen über das Bürgerservice-Portal zu erledigen, sollen noch erweitert werden.
Bei großem Andrang relativ lange Wartezeiten
Der Behördengang vom heimischen Computer aus erspart Wartezeit. Das gilt auch für den Besuch im Bürgerbüro, wenn man zuvor online einen Termin vereinbart. Ohne Termin zieht man dort eine Nummer und es kann dauern, bis man drankommt. Die Wartezeiten sind ein wesentliches Thema und trüben etwas die positive Gesamtbilanz. 16 Schalter stehen für den direkten Bürgerkontakt zur Verfügung - bei 47 Vollzeitstellen. Doch selbst bei Vollbesetzung der Schalter konnte bei großem Andrang "oftmals eine zeitnahe Bearbeitung der Anliegen bei vertretbaren Wartezeiten nicht gewährleistet werden", heißt es in der Bilanz des Rathauses.
Durchschnittlich 40 Minuten mussten die Würzburger dieses Jahr warten, vergangenes Jahr waren es noch zehn Minuten länger. Die Bearbeitungszeit pro Bürgeranliegen liegt im Schnitt bei elf Minuten.
Sonderschalter und längere Öffnungszeiten
Der Andrang ist vor allem zwischen März und Oktober besonders hoch. Die Gründe: Neuanmeldung von Studierenden zum Semesterbeginn, die verstärkte Zulassung von Autos oder Motorrädern im Frühjahr sowie die erhöhte Nachfrage nach Pass- und Reisedokumenten zu Ferienzeiten. Mit diversen Maßnahmen versucht das Rathaus, die Wartezeiten zu verkürzen. So gab's zum Semesterbeginn einen Sonderschalter. Zudem hat das Bürgerbüro seit Sommer drei Stunden länger in der Woche geöffnet. Geplant ist 2019 außerdem die Anschaffung eines modifizierten und moderneren Aufrufsystems, bei dem der Bürger unter anderem noch genauer als bislang seine Wartezeit über das Smartphone erfährt und noch etwas anderes erledigen kann, bevor er an der Reihe ist.
Am positiven Zehn-Jahres-Resümee zum Bürgerbüro haben nicht zuletzt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein großen Anteil. Im städtischen Bilanzbericht wird ausdrücklich deren "persönlicher und engagierter Einsatz" gewürdigt. Damit trügen sie "maßgebend zu einer positiven Wahrnehmung des Bürgerbüros in der Bevölkerung bei".