Über eine halbe Million Euro, exakt 535 000 Euro, zahlt die Stadt, wie sie kürzlich bestätigt hat, für das gefloppte Datenprojekt „Würzburg integriert!“ an den privaten Partner, den Bertelsmann-Dienstleister Arvato. Doch der Schaden für die Stadt ist nach Main-Post-Recherchen weitaus höher: Nach dem außergerichtlichen Vergleich bleibt man zusätzlich auf über 815 000 Euro Projektkosten sitzen. Das hat das Rathaus jetzt auf Nachfrage eingeräumt.
Der Großteil der Stadtratsfraktionen, dazu um eine Stellungnahme gebeten, hüllt sich indes in Schweigen. Derweilen will der Steuerzahlerbund vom Rathaus wissen, ob öffentliche Mittel möglicherweise nicht sachgerecht verwendet wurden.
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Somit summiert sich das Minus bei „Würzburg integriert!“ auf 1,35 Millionen Euro. Dabei hatte die damalige Oberbürgermeisterin Pia Beckmann (CSU) beim Start des Pilotprojektes vor sechs Jahren verkündet: Das finanzielle Risiko trage allein Arvato – und übernehme auch die Entwicklungskosten. Diese waren auf neun Millionen Euro taxiert.
Und zehn Millionen Euro sollte und wollte die Stadt sparen durch die neue hochgelobte Datenautobahn. Diese ging in enger Verbindung zum neuen Bürgerbüro an den Start. Eine zentrale Datenplattform für alle Verwaltungsvorgänge und Bürgeranliegen sollte einfacheres und schnelleres Bearbeiten sowie Behördengänge vom Computer zuhause ermöglichen – und dadurch Kosten sparen. Die Kalkulation: mittel- und langfristig der Wegfall von 75 Arbeitsplätzen.
Die Rechnung ging in die Hose, bis heute ist keine einzige Stelle eingespart. Im Gegenteil. Die über 815 000 Euro, der an der Stadt nun hängen bleiben, sind laut Rathaussprecher Georg Wagenbrenner „im Wesentlichen Mitwirkungsleistungen städtischer Mitarbeiter“ und schlagen – obwohl niemand zusätzlich eingestellt wurde – als zusätzliche Personalkosten zu Buche.
Deftige Rechnung
Statt diesen Entwicklungsaufwand der Stadt zu ersetzen, präsentierte Arvato dem Rathaus eine deftige Rechnung: Erst kündigten die Gütersloher Ende 2010 vorzeitig den Zehnjahresvertrag, dann schickten sie eine Schadensersatzforderung von über 4,5 Millionen Euro. Begründung: Am mangelnden Projektfortschritt sei die Stadt schuld und solle für erbrachte Leistungen zahlen. Seitdem stritten Stadt und der private Dienstleister unter dem Einsatz von Anwälten und eines Schlichters um die Kostenverteilung. „Es gab unterschiedliche Auffassungen zum Inhalt und den Erfolg des Projektes ,Würzburg integriert!'“, erklärt die Stadt.
Warum man auf den Gang vor Gericht verzichtet? Aufgrund der komplexen Thematik habe „eine langwierige, aufwendige und kostenintensive juristische Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang“ gedroht, begründet das Rathaus, weshalb man sich auf einen 535 000 Euro teuren Kompromiss bei gleichzeitigem Verzicht auf alle Forderungen eingelassen hat. Das Geld an Arvato wird mit Mehreinnahmen bei der Grundsteuer B und Gastschulbeiträgen finanziert.
Während Georg Rosenthal (SPD), bis vor Kurzem OB, das Scheitern darauf zurückführt, „Würzburg integriert!“ sei „technisch zu komplex“ und „zu ambitioniert“ gewesen, ist sein Vorgängerin Pia Beckmann noch heute davon überzeugt, dass es funktioniert und man Kosten gespart hätte. Nur: Ihr Nachfolger habe sich schon im Wahlkampf von dem Projekt distanziert. „Dann wurde das Paket Stück für Stück aufgeschnürt, bis dahin, dass es sinnvoll nicht mehr zu realisieren war“, kritisiert Beckmann.
Hat der millionenschwere Arvato-Flop personelle Folgen? Rathaussprecher Wagenbrenner: „Die Beendigung des Projektes ,Würzburg integriert!' ist nicht durch ein Fehlverhalten von Mitarbeitern der Stadt Würzburg bedingt, dementsprechend gibt es auch keine personellen Konsequenzen.“
Antworten erwartet
Derweil möchte der Bund der Steuerzahler Antworten aus dem Rathaus – wie schon vor zwei Jahren. Damals lehnte die Stadt eine Stellungnahme ab. Trotzdem und noch ohne Kenntnis von Zahlen nahm der Steuerzahlerbund „Würzburg integriert!“ in sein Schwarzbuch auf.
Damals schwieg die Stadt mit Billigung der Regierung von Unterfranken als Aufsichtsbehörde. Diesmal hat sich der Steuerzahlerbund gleich an die Regierung gewandt. Und diese hat die Stadt aufgefordert, dem Steuerzahlerbund Auskunft zu geben. Die Antwort steht noch aus.