
Gute Stimmung beim Aktionsbündnis "Bunter Heuchelhof": Die Wochen, die hinter den Initiatoren und ihren Mitstreitern liegen, waren voller Anstrengung - aber die hat sich gelohnt. Die sechs Samstage vor der Europawahl hatte das Bündnis es sich zur Aufgabe gemacht, den Place de Caen im sogenannten H1 zu belegen und zu beleben - und ihn der AfD streitig zu machen. Das ist gelungen.
Der Hintergrund: Bei der Landtagswahl 2023 holte die AfD im Stimmbezirk 128, also mitten zwischen den Hochhaustürmen, knapp 60 Prozent. Die Wochen vor der Wahl war die in Teilen rechtsextreme Partei im Stadtteil sehr präsent, mit Lautsprechern beschallten sie etwa den Place de Caen mit Reden des rechtsextremen AfD-Politikers Björn Höcke. Damit es dieses Mal nicht wieder so weit kommt, hatte eine Gruppe Freiwilliger das Aktionsbündnis "Bunter Heuchelhof" ins Leben gerufen und für die Wochen vor der Europawahl mehrere Veranstaltungen auf dem Place de Caen angemeldet.
Das Ziel: Ein buntes Miteinander - und keine blauen Wahlkampfpavillons
Unter anderem ein Flohmarkt, ein Bürgerfest, ein Mitmachtag, eine Pflanzentauschbörse und ein Straßenmusikfest fanden in den letzten Wochen statt. Das Ziel: Ein buntes, fröhliches Miteinander feiern, niedrigschwellige Politik-Info anbieten, die Vertreter der Lokalpolitik an den Heuchelhof bringen - und keinen Platz lassen für AfD-blaue Wahlkampfpavillons.
"Ich bin froh über den Erfolg, den wir erzielt haben", sagt Alexander Kühn vom Aktionsbündnis mit Blick auf das Wahlergebnis: Im Stimmbezirk 128 ist die AfD von 59,8 Prozent bei der Landtagswahl auf 48,7 Prozent gefallen. Am gesamten Heuchelhof erzielte die Partei 20,2 Prozent - knapp sechs Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl 2023. "Aber das ist immer noch zu hoch", so Kühn. "Ich persönlich überlege, wie ich vor allem die russischsprachigen Bewohner des H1 erreichen kann, um diese Zahl noch weiter zu drücken." Denn Kühn, selbst Russlanddeutscher, sieht vor allem hier einen Zusammenhang mit der immer noch weit überdurchschnittlichen Zustimmung zur AfD. "Die russische Propaganda verkauft die AfD als die einzige wählbare Partei Deutschlands. Die AfD ist aus meiner Sicht ein verlängerter Arm Putins", sagte Kühn wenige Wochen vor der Wahl.
"Entgegen des landesweiten Trend hat die AfD an Zustimmung verloren."
Tobias Graßmann, evangelischer Pfarrer am Heuchelhof, ist "sehr zufrieden" mit den Veranstaltungen der letzten Wochen: "Die Aktionen haben Menschen verschiedener Herkunft zusammengebracht, die sich in ihrem Alltag oft nicht begegnen, obwohl sie Tür an Tür leben", lautet sein Fazit. Wie groß der Einfluss auf das Wahlergebnis war, könne man natürlich nicht sagen. "Aber es ist doch erfreulich und macht Mut, dass die AfD entgegen dem landesweiten Trend gerade auf dem Heuchelhof an Zustimmung verloren hat."
Sehr wertvoll sei für ihn gewesen, dass viele Politikerinnen und Politiker aus Würzburg immer wieder vor Ort waren und mit den Anwohnern ins Gespräch gekommen sind: "Ich bin mir sicher, dass einige Menschen dabei neu oder auch zum ersten Mal erlebt haben: Politik hier in Deutschland ist nichts, dem man hilflos ausgeliefert ist oder was nur über die Köpfe der Bevölkerung hinweg stattfindet. Man kann für die eigenen Interessen eintreten und findet damit bei den Verantwortlichen oft ein offenes Ohr."
Die Tiefgaragen-Petition kommt jetzt gerade wie gerufen
Eine dieser Interessen, die wohl derzeit viele Menschen am Heuchelhof eint, dürfte die Tiefgaragen-Problematik sein. "Wir haben gemerkt, dass wir zum Teil noch viel mehr demokratisches Basiswissen vermitteln müssen. Dass wir jetzt eine Petition gestartet haben, die ein gravierendes Problem hier oben angehen soll, kommt da eigentlich wie gerufen", sagt Christiane Kerner. Sie ist Stadträtin und Multiplikatorin am Heuchelhof.
Der Bürgerverein, dessen Vorsitzende Kerner ebenfalls ist, hat eine Petition initiiert. Der Inhalt: Nach dem Wegfall von über 1000 unterirdischen Parkplätzen (teils im Besitz von Wohngenossenschaften, teils im Besitz von Privatleuten) am H1 herrscht Chaos und Park-Anarchie. Rettungswege sind versperrt, Schulwege sind unsicher geworden, Fußgängerzonen werden zu Durchfahrtsstraßen, die Unzufriedenheit unter den Bewohnern spitzt sich zu. In der Petition, die bereits von über 700 Menschen unterzeichnet wurde, wird die Stadtverwaltung aufgefordert, ersatzweise Quartiersgaragen zu bauen. Kommende Woche sollen die bisherigen Unterschriften vor der Stadtratssitzung im Rathaus übergeben werden.
"Wir haben mit unseren Aktionen in den letzten Wochen eine ganze Reihe Lokalpolitiker an den Heuchelhof gebracht. Es wurden viele gute Gespräche geführt und Kontakte geknüpft", sagt Kerner. Die Menschen hätten das Gefühl gehabt, endlich gesehen zu werden. "Jetzt wäre eigentlich der richtige Zeitpunkt für die Verantwortlichen der Stadt, für sie noch spürbarer zu machen, was Politik bewirken kann."
Gleichzeitig zeigen die Wahlergebisse, wieviel Arbeit noch zu leisten ist .....