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Würzburg
Boom oder Pleite? So steht's um Unterfrankens Kletterhallen
Klettern ist ein beliebtes Hobby, doch die große DAV-Halle in Würburg schreibt rote Zahlen. In Marktheidenfeld wird derweil gerade eine neue geplant. Passt das zusammen?
Das Logo des Deutschen Alpenvereins an der Wand im Kletterzentrum in Schweinfurt. Laut Angaben des Vereins hat man hier keine finanziellen Probleme. In Würzburg und Aschaffenburg sieht das anders aus.
Foto: Anand Anders | Das Logo des Deutschen Alpenvereins an der Wand im Kletterzentrum in Schweinfurt. Laut Angaben des Vereins hat man hier keine finanziellen Probleme. In Würzburg und Aschaffenburg sieht das anders aus.
Corbinian Wildmeister
Corbinian Wildmeister
 |  aktualisiert: 19.10.2020 11:10 Uhr

Ob mit oder ohne Seil, ob drinnen oder draußen: Klettern liegt im Trend. Bald wird die Sportart sogar olympisch. Der Deutsche Alpenverein (DAV) schätzt auf Grundlage einer Mitgliederbefragung, dass in Deutschland derzeit über 500 000 Kletterer aktiv sind. Gerade das Interesse am Indoor-Klettern hat zugenommen. Von 2004 bis 2017 ist die Zahl der DAV-Mitglieder, die Kletterhallen besuchen, von 18 auf 27 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Mitglieder von 686 000 auf fast 1,2 Millionen erhöht.

Können sich die Kletterhallen in Unterfranken also kaum retten vor Besuchern? Zumindest in Würzburg scheint es auf den ersten Blick anders zu sein: Wie berichtet wird das Kletterzentrum der DAV-Sektion Würzburg laut Haushaltsplanung in diesem Jahr wohl ein Minus von 87 000 Euro verbuchen. 

Verein plant mit einem Minus von 87 000 Euro für das Würzburger Kletterzentrum 

2019 schreibt sie wohl rote Zahlen: die DAV-Kletterhalle im Würzburger Stadtteil Zellerau.
Foto: Johannes Kiefer | 2019 schreibt sie wohl rote Zahlen: die DAV-Kletterhalle im Würzburger Stadtteil Zellerau.

Auf Anfrage erklärt Tobias Kostuch, zweiter Vorsitzender der DAV-Sektion, was es mit den roten Zahlen auf sich hat. Ein wesentlicher Teil des erwarteten Minus gehen auf Tilgungs- und Zinszahlungen zurück, die für die Darlehen der Kletterhalle zu erbringen sind, sagt Kostuch. Der Verein hat den Betrieb der 2009 eröffneten Halle erst vor einem Jahr von der Firma Orgasport übernommen - unter anderem um Kosten zu sparen.

Das operative Ergebnis der Halle, so der zweite Vorstand, soll nach der Planung eine schwarze Null sein, möglicherweise sogar leicht positiv. Das Defizit, so Kostuch, hänge in erster Linie also nicht mit den Besucherzahlen zusammen. Denn die entwickeln sich aktuell positiv, sagt Rainer Martin, erster Vorsitzender des DAV Würzburg. In den vergangenen Jahren habe man mehr als 35 000 Besuche pro Jahr in der Halle verzeichnet. In diesem Jahr seien es allein im Juni über 3000 gewesen. 

Insgesamt rechnet der Würzburger Kletterverein in seinem Haushaltsplan mit einem Defizit von rund 103 000 Euro für 2019, den größten Anteil am Minus macht die Kletterhalle aus. Da der Plan Anfang des Jahres erstellt wurde, sei er keine aktuelle Prognose für das laufende Jahr, sagt der erste Vorsitzende. Und betont: "Die laufenden Betriebskosten eines Kletterzentrums sind erheblich." Nötig sei dafür eine jährliche Summe im höheren fünfstelligen Bereich. Und je größer die Qualität der Routen, desto höher die Kosten.

Dazu kommt laut Martin, dass wirtschaftlich erfolgreiche Hallen oft einen oder mehrere "finanziell potente Sponsoren" haben, zum Beispiel größere Firmen. Die Würzburger DAV-Sektion müsse das Kletterzentrum derzeit weitgehend aus eigener Kraft betreiben. Martin fordert daher, dass der DAV-Hauptverband künftig nicht nur den Bau, sondern auch den laufenden Betrieb regionaler Kletterhallen finanziell unterstützt. 

Auch die Kletterhalle in Aschaffenburg schreibt rote Zahlen

Der DAV hat fünf Kletterhallen in Unterfranken. Man habe keine finanziellen Probleme, heißt es von Seiten der Sektionen in Schweinfurt und in Bad Kissingen. Anders ist die Lage in Aschaffenburg: Laut Jahresbericht des Vereins hat die dortige Kletterhalle 2018 Verluste von zusammengerechnet rund 100 000 Euro verzeichnet. Im Gegensatz zur Würzburger Sektion schreibt der Aschaffenburger Verein insgesamt allerdings schwarze Zahlen. 

"Wir machen das nicht, um uns finanziell zu bereichern."
Markus Burger, dritter Vorsitzender des DAV Aschaffenburg

"Das ist nicht schön. Aber diese Zahl bedeutet nicht, dass die Kletterhalle keinen positiven Effekt auf den Verein hat", sagt Markus Burger, dritter Vorsitzender des DAV Aschaffenburg, zu den Verlusten. Die Halle sei ein "ideelles Investitionsobjekt" für den Verein und habe beispielsweise für einen Mitgliederzuwachs von 25 Prozent seit der Eröffnung gesorgt. "Wir machen das nicht, um uns finanziell zu bereichern", so Burger. Das Defizit der Kletterhalle bringe den Verein nicht grundsätzlich in  finanzielle Schwierigkeiten.

Viel los im Kletterzentrum: die Würzburger Stadtmeisterschaft im Klettern und Bouldern 2019.
Foto: Johannes Kiefer | Viel los im Kletterzentrum: die Würzburger Stadtmeisterschaft im Klettern und Bouldern 2019.

Als Erklärung für das sechsstellige Minus in 2018 nennt Burger unter anderem den guten Sommer. "Die Besucherzahlen sind unglaublich abhängig vom Wetter. Kletterer sind bei gutem Wetter in der Mehrheit draußen am Fels." Außerdem habe der Verein größere Summen in den Routenbau investiert, um die Halle für Kletterer attraktiv zu halten: "Entscheidend ist die Frage, wie wir die bunten Dinger an die Wand schrauben", so Burger. Im Durchschnitt habe die Halle jährlich rund 50 000 Besuche. 

Ist ein neues Alpinzentrum in Marktheidenfeld Konkurrenz für Würzburg?

Während die DAV-Kletterhallen in Würzburg und Aschaffenburg rote Zahlen schreiben, sind die Planungen für ein neues Alpinzentrum in Marktheidenfeld in vollem Gange. Doch gibt es überhaupt ausreichend Interesse an einer weiteren Kletterhalle in Unterfranken? "Wir sehen sehr wohl einen Bedarf für ein Alpinzentrum in Marktheidenfeld", sagt Stephan Künzig., zweiter Vorsitzender der DAV-Sektion Main-Spessart.

Die Weidenmühle bei Birkenfeld wird derzeit noch als Kletterhalle vom Deutschen Alpenverein (DAV) Main-Spessart genutzt.
Foto: Joachim Spies | Die Weidenmühle bei Birkenfeld wird derzeit noch als Kletterhalle vom Deutschen Alpenverein (DAV) Main-Spessart genutzt.

Man könne Marktheidenfeld nicht direkt mit Würzburg vergleichen, so Künzig. Das Einzugsgebiet sei viel weitläufiger, außerdem soll die neue Kletterhalle nicht die Größe und Dimension des Würzburger Kletterzentrums erreichen. Seit 2001 betreibt die Sektion Main-Spessart bereits eine kleine Kletterhalle in der Weidenmühle bei Birkenfeld. Sie soll durch das größere, besser erreichbare Alpinzentrum ersetzt werden. 

In Würzburg sieht man das Marktheidenfelder Vorhaben  nicht unkritisch. Er halte es für relativ gewagt, dass die Sektion Main-Spessart eine weitere Halle bauen will, sagt Tobias Kostuch. Zumal der DAV-Bundesverband unlängst entschieden habe, dass er Neubauten von 2020 an nicht mehr bezuschussen möchte – jedenfalls keine Anträge, die ab dann gestellt werden. "Ich denke, dass jede weitere Halle eine gewisse Konkurrenz wäre und sich negativ auf unsere Zahlen auswirken kann", so Kostuch. 

Boom oder Pleite? So steht's um Unterfrankens Kletterhallen

Rainer Martin, der erste Vorsitzende, sieht zwar keine Konkurrenzsituation, räumt aber ein: "Aktuell haben wir bereits eine ordentliche Dichte an Kletterhallen." Als das Würzburger Kletterzentrum vor zehn Jahren in Betrieb gegangen sei, habe der DAV-Hauptverband zugesichert, dass in Unterfranken keine weiteren Hallen geplant sind. 

Private Anbieter müssen jeden Handgriff zahlen

Neben dem DAV gibt es auch kommerzielle Betreiber von Kletterhallen in Unterfranken. Dazu gehören das Kletterzentrum des "Sport Treff 2000" in Niederwern (Lkr. Schweinfurt) oder die Boulderhalle "Rock Inn" in Würzburg, die 2016 eröffnet hat.

"Ob Verein oder kommerziell, jeder hat die Chance eine Halle positiv zu lenken. Als kommerzielle Halle sind wir natürlich etwas flexibler was spontane Entscheidungen angeht", sagt Andreas Schmitt, Geschäftsführer des Rock Inn. Privaten Betreibern stünden "jedoch viele Vorteile eines Vereins nicht zur Verfügung". Dazu zählt Schmitts die jährlichen Mitgliedsbeiträge, steuerliche Vorteile oder gute Verbindungen zum Spitzensport.

Zur finanziellen Lage der Würzburger DAV-Kletterhalle und zu den Besucherzahlen der eigenen Halle möchte sich der Rock Inn-Geschäftsführer nicht äußern. Für das Alpinzentrum Marktheidenfeld kann sich Schmitt hingegen eine "positive Entwicklung" vorstellen. Mit Blick auf die Bevölkerungsdichte in Unterfranken hält er den Bedarf an Kletterhallen aber für endlich.

Auch Tobias Kostuch vom DAV in Würzburg glaubt nicht, dass Betreiber kommerzieller Hallen grundsätzlich einen Vorteil gegenüber Vereinen haben. Als Verein dürfe man auf die Hilfe Ehrenamtlicher setzen, während ein kommerzieller Anbieter jeden Handgriff bezahlen muss.

Deshalb gebe es quasi keine kommerziellen Kletterhallen in der Art und Dimension wie der DAV sie betreibt, so Kostuch. Die Hallen kommerzieller Betreiber hätten ihren Schwerpunkt in einem weitaus weniger kostenintensiven Bereich: beim Bouldern, dem Klettern ohne Seil in geringer Höhe.

 
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Kommentare
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Da müssen halt Investorengelder angelegt werden.
    Entschuldigung, verbrannt werden meinte ich.
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  • al-holler@t-online.de
    Könnte man so sehen.
    Aber das ganze hat auch noch einen anderen Aspekt: Jede(n), die/den diese Hallen von der freien Natur abhalten ist ein Stück weniger Belastung für letztere (Anfahrt, Abfall, Lärm u.a.)
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  • seitz-marco@web.de
    Sie erwähnen die Kletterhalle Weidenmühle Birkenfeld im Text, in der Grafik fehlt diese jedoch... seltsam...
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  • lukaswill@yahoo.de
    Sehr gutes Auge! Vielen Dank für den Hinweis, wir korrigieren den Fehler in der Grafik und werden den Artikel in Kürze aktualisieren.

    Viele Grüße
    Lukas Will
    Digitales Management
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