Der Rohentwurf für den Bau liegt vor, die Mannschaft steht, das nötige Eigenkapital ist gebunkert, der Platz ausgeguckt: Nach monatelanger Vorarbeit kann und soll es nun recht flott gehen mit der Planung eines Alpinzentrums in Marktheidenfeld. Die Weichen stellte die Sektion Main-Spessart des Deutschen Alpenvereins bei der Mitgliederversammlung am Freitag. Alpinzentrum soll es heißen, weil es etwas mehr werden soll als eine Kletterhalle.
Warum der Verein dieses Projekt anpackt
In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Mitglieder mehr als verdreifacht, in den acht Jahren unter der Führung Katja Mangers um mehr als 1300 auf nunmehr 2990 Mitglieder. Der Alpenverein überflügelte damit den TSV Lohr und die Kreisgruppe des Bund Naturschutz und avancierte zum größten Verein im Landkreis.
Allein: Der Jugendbereich schwächelt. Junge Leute zieht es weniger in die Berge, mehr in Kletterhallen, sagt Manger. Sportklettern ist schwer im Kommen und feiert 2020 in Tokio Olympia-Premiere. Mittlerweile ist es sogar ins Schulsportprogramm aufgenommen. Diese Entwicklung ist einer der Gründe, das ehrgeizige Projekt anzugehen.
Ein zweiter ist: Als die Kletterhalle in der Weidenmühle 2001 eröffnet wurde, kamen auch Alpinisten aus dem Raum Würzburg nach Birkenfeld. Als die Würzburger dann 2009 ihr Kletterzentrum in den Weißenburgstraße eröffneten, kehrte sich dieser Trend laut Manger um.
Dazu kommt nicht nur, dass es in der Kletterhalle in der Weidenmühle etwas beengt zugeht. Sie liegt zudem sechs Kilometer vom Marktheidenfelder Sportzentrum entfernt und ist für Jugendliche nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Die Geschäftsstelle ist nicht minder abgelegen: Manger hat sie mit ihrer Amtsübernahme in ihr Planungsbüro "basis-plan" nach Altfeld verlegt, acht Kilometer entfernt. Im Alpinzentrum würde beides zusammengeführt werden.
Offiziell vorgestellt wird das Projekt bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Juni. Den Rohentwurf des Plans wollte Manger, seit 2011 Vorsitzende des größten Sportvereins im Landkreis, noch nicht vorzeigen. Doch erläuterte die 48-jährige Technikerin für Haus- und Gebäudetechnik gegenüber der Redaktion schon einmal einige Eckdaten.
Was genau geplant ist
Das Alpinzentrum wird bewusst nicht Kletterhalle genannt. Denn neben Kletterflächen sind eine Materialkammer, ein Bistro, ein Besprechungsraum und die Geschäftsstelle vorgesehen. Die Kletterfläche würde um 130 auf dann 400 Quadratmeter erweitert, bis ganz oben erwartet die Kletterer eine Strecke von 15 Metern (bisher 9). Dazu kommen weitere 120 Quadratmeter Wandfläche zum Bouldern. Dabei geht es nicht um Meter nach oben: Bouldernnennt man das Klettern ohne Seil parallel zum Boden - in Absprunghöhe.
Die Materialkammer ist nicht nur für die Ausstattung der Kletterwände vonnöten. Dort sind auch allerhand Ausrüstungsgegenstände gelagert, die DAV-Mitglieder für wenig Geld für Bergtouren ausleihen können - vom Klettersteig-Set (Sitzgurt, Helm, Y-Set und Ruheschlinge) über Steigeisen bis hin zum Lawinenpiepser, dessen Anschaffung laut Manger 300 Euro kostet.
Wo soll das Alpinzentrum entstehen?
Die Kletterfreunde haben das letzte freie Stückchen Fläche im Sportzentrum ausgemacht: Knapp 2000 Quadratmeter in der Karbacher Straße, stadtauswärts rechts gelegen nach der Tennishalle am Kreisel, der provisorischen Feuerwache und dem Fitnesstudio Fit4Vita. Im Nordosten schließt sich der Trainingsplatz des TV Marktheidenfeld an, im Südosten grenzt das Grundstück an der Hans-Wilhelm-Renkhoff-Halle an.
Das Areal gehört der Stadt Marktheidenfeld, die bei der Jahresversammlung vertreten wurde durch Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder höchstselbst. Die Stadt sei interessiert an diesem Projekt, tat die Bürgermeisterin kund. Sie werde zusehen, dass die Stadt das Grundstück dafür zur Verfügung stelle.
Darüber hinaus wünschte sich Manger zum 120. Geburtstag, den die Sektion heuer feiert, nur ein zweites Geschenk, nämlich: dass das Ortsendeschild der Stadt ein Stück in Richtung Karbach versetzt werde. Denn nur dann wäre das Alpinzentrum direkt von der Karbacher Straße aus anfahrbar. Bei der derzeitigen Konstellation müssten die Kletterer den dahinterliegenden Sportplatz umfahren und somit einem Umweg von gut 400 Metern in Kauf nehmen.
Wer soll das bezahlen?
1,25 Millionen Euro soll das Zentrum kosten. Das sei aber nicht mehr als eine "erste Schätzung aus dem Hexenkessel", relativiert Manger. An Eigenkapital hat die Sektion 100 000 Euro zur Seite gelegt und dafür die Tilgung des Darlehens, das für die Sanierung der Gaudeamushütte aufgenommen worden war, zurückgestellt. Die Restschulden belaufen sich laut Manger auf 186 000 Euro. Zuschüsse erhoffen sich die Alpinisten vom Deutschen Alpenverein, vom Bayerischen Landessportverband und aus einem Förderprogramm der Europäischen Union. Der Rest müsste per Crowdfondingherbeigeschafft werden, also Schwarm- oder Gruppenfinanzierung.
Wer soll das Projekt umsetzen?
Das Projekt fällt nicht aus heiterem Himmel. Manger ist es gelungen, jüngere Vereinsmitglieder zu finden, die auch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.Ihr bisheriger Stellvertreter, Michael Schech aus Karlstadt ist nach acht Jahren abgetreten und hat damit Platz gemacht für Stephan Künzig (36) aus dem Wertheimer Stadtteil Kembach. Schriftführerin Paula Ebert wird abgelöst durch Franziska Greger (25).
Und Manger selbst? Die 48-Jährige revidierte ihre Rücktrittsankündigung, die sie im vergangenen Jahr gemacht hatte, und macht angesichts des frischen Schwungs noch zwei Jahre weiter. Bestätigt wurde sie - wie fast alle anderen Vorstandsmitglieder und Beiräte - ohne Gegenstimme.
Eine zentrale Rolle kommt jedoch auf Christian Heim zu. Für den 34-jährigen Karbacher wurde extra eine sechste Position im engeren Vorstand geschaffen: die des Alpinzentrumsreferenten. Gewählt wurde er einstimmig mit 116 Stimmen (bei einer Enthaltung) – vorbehaltlich der noch ausstehenden Satzungsänderung. Über diese soll bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung im Juni entschieden werden. Schatzmeister Dieter Goldschmitt wurde in seinem Amt bestätigt. Einziger Wermutstropfen: Die Position des Jugendreferenten ist auch weiterhin unbesetzt.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Der Zeitplan ist ehrgeizig: "Ich wollt 2020 fertig sein", sagt Manger. "Je schneller es geht, desto weniger tut's weh." Voraussetzungen sind, dass die Mitgliederversammlung im Juni zustimmt und die Finanzierung steht. Dann kann die alte Kletterhalle in Birkenfeld Ende dieses Jahres zum 31. Dezember 2020 gekündigt werden. Wenn nicht, verschiebt sich der ganz Zeitplan um drei Jahre.