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Ochsenfurt
Bereitschaftspraxis: Macht die Main-Klinik den Alleingang?
Alle Bemühungen um eine Wiedereröffnung der Ochsenfurter Bereitschaftspraxis haben nicht gefruchtet. Deshalb denkt man an der Main-Klinik jetzt über einen Sonderweg nach.
Fachkrankenschwester Patricia Schenk und Ärztin Rebecca Thumm bei der Untersuchung einer Patientin in der Notfallambulanz der Main-Klinik. 
Foto: Gerhard Meißner | Fachkrankenschwester Patricia Schenk und Ärztin Rebecca Thumm bei der Untersuchung einer Patientin in der Notfallambulanz der Main-Klinik. 
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 19.10.2020 10:30 Uhr

Seit die Bereitschaftspraxis an der Ochsenfurter Main-Klinik im vergangenen Juli geschlossen wurde, bemühen sich Kreispolitiker, allen voran Landrat Eberhard Nuß (CSU) und Landtagsabgeordneter Volkmar Halbleib (SPD) um eine Wiedereröffnung. Die scheint nach den letzten Informationen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) in weite Ferne gerückt zu sein. Deshalb ranken sich die Überlegungen inzwischen um einen Ochsenfurter Sonderweg: eine allgemeinärztliche Praxis, die nur dann geöffnet sein soll, wenn die Praxen niedergelassener Hausärzte geschlossen sind.

Die Nachricht vom endgültigen Aus hat Landrat Nuß am Rande einer KVB-Sitzung kurz vor Weihnachten erhalten. Er war dazu eingeladen, den Standpunkt des Landkreises erneut vorzutragen und erfuhr anschließend - "zwischen Tür und Angel", so Nuß -, dass es aus Sicht der KVB für die Ochsenfurter Bereitschaftspraxis keine Zukunft gibt. Nuß ist sauer und fühlt sich vorgeführt: "Das Urteil war vorher schon gesprochen", sagt er. Ähnlich lautet auch die Antwort aus dem bayerischen Gesundheitsministerium auf eine Parlamentsanfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Celina (Grüne) vom Oktober 2019. Demnach sieht die KVB ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag durch die nächstgelegenen Bereitschaftspraxen in Kitzingen und Würzburg als erfüllt an.

"Die Bereitschaftspraxis hat von Anfang an reibungslos funktioniert und war ein Riesenerfolg für Ärzte und Patienten; ich nehme die Schließung nicht hin."
Eberhard Nuß, Landrat

2013 hatte die Bereitschaftspraxis in Zusammenarbeit zwischen dem Ärztenetz MainArzt und der Main-Klinik ihren Dienst aufgenommen. Niedergelassene Ärzte versahen ihren kassenärztlichen Bereitschaftsdienst fortan nicht mehr in der eigenen Praxis, sondern in der an die Main-Klinik angegliederten "Praxis am Greinberg". Das Modell galt auch der KVB als wegweisend, wurde es doch drei Jahre später landesweit eingeführt. Seitdem entstanden nach ähnlichem Vorbild sieben KVB-Bereitschaftspraxen in Unterfranken. Die fünf privaten, die bis dahin bereits existierten, wurden per Kooperationsvertrag ins Versorgungsnetz integriert - darunter auch die Bereitschaftspraxis in Ochsenfurt.

Zum Bruch kam es, nachdem die KVB bereits seit 2018 die Einhaltung einheitlicher Standards zur Bedingung gemacht hatte. Unter anderem ging es dabei um den Nachweis der Wirtschaftlichkeit und die Bereitstellung von eigenem Praxispersonal. "Nachdem der Praxisbetrieb über Jahre reibungslos lief, und damit Vorbild für viele weiteren Bereitschaftspraxen der KVB in Bayern wurde, änderten sich die Rahmenbedingungen und alle Bereitschaftspraxen sollten vereinheitlicht werden", erläutert MainArzt in einer Pressemitteilung.

Nach Streichung von Zuschlägen Mitte letzten Jahres sah sich Ärztenetz außerstande, den Bereitschaftsdienst aufrecht zu erhalten und stellte eine Kündigung des Kooperationsvertrags in Aussicht. Die KVB wiederum sah diese Kündigung durch die Schließung der Praxis als vollzogen an. Alle Versuche von politischer Seite, die Schließung, etwa durch  einen finanziellen Beitrag des Landkreises, abzuwenden oder rückgängig zu machen, fruchteten nicht. Ebenso wenig wie Gespräche von Landrat Nuß und Volkmar Halbleib mit Vertretern des KVB-Präsidiums.

"Es wundert mich nicht, dass der Protest erfolglos war, denn die KVB hatte die ihr übertragenen Aufgaben in den letzten Jahren erfüllt."
Kerstin Celina, Landtagsabgeordnete (Grüne)

Grünen-Abgeordnete Kerstin Celina und stellvertretende Landrätin Karen Heußner (Grüne) sehen deshalb keine Chance mehr für die Bereitschaftspraxis in Ochsenfurt, wie sie in einer Pressemitteilung erklären, und beklagen gleichzeitig den schwindenden Einfluss der Kommunen und Landkreise auf gesundheitspolitische Weichenstellungen. Die KVB sei ein Organ der ärztlichen Selbstverwaltung, auf das der Gesetzgeber nur bedingt Einfluss nehmen kann. "Es wundert mich nicht, dass der Protest erfolglos war, denn die KVB hatte die ihr übertragenen Aufgaben in den letzten Jahren erfüllt", so Celina.

MdL Volkmar Halbleib hingegen will nicht klein beigeben und fordert die KVB weiterhin auf, ihre Entscheidung zurückzunehmen. "Die Entscheidung, die Bereitschaftspraxis nicht wieder zu eröffnen, ist nach fast fünfmonatigem Kampf um den Erhalt mehr als enttäuschend", so Halbleib. Zumal die Schließung weder aus finanziellen, noch aus organisatorischen Gründen geboten sei.  Ähnlich sieht es auch Landrat Eberhard Nuß: "Die Bereitschaftspraxis hat von Anfang an reibungslos funktioniert und war ein Riesenerfolg für Ärzte und Patienten; ich nehme die Schließung nicht hin", sagt er.

"Die Entscheidung, die Bereitschaftspraxis nicht wieder zu eröffnen, ist nach fast fünfmonatigem Kampf um den Erhalt mehr als enttäuschend."
Volkmar Halbleib, Landtagsabgeordneter (SPD)

Für die Main-Klinik bringt die Schließung gleich mehrere Probleme mit sich. Zum einen kämen wieder mehr minder schwer Erkrankte in die Notaufnahme, obwohl für sie der hausärztliche Notdienst zuständig wäre. Zum anderen wenden sich Patienten mit ernsteren Erkrankungen am Wochenende an die Bereitschaftspraxen in Kitzingen und Würzburg und die daran angeschlossenen Kliniken. "Die Notfallversorgung an der Main-Klinik läuft natürlich weiter", betont deshalb Geschäftsführer Alexander Schraml. Aber für viele Menschen sei es schwer zu unterscheiden, ob sie den kassenärztlichen Notdienst oder die Notaufnahmen aufsuchen sollten. "Das war ja der Vorteil, dass man früher auch mit Diagnosen an die Main-Klinik kommen konnte, die in der Notaufnahme nichts zu suchen haben", so Schraml.

Volkmar Halbleib schlägt deshalb vor, an der Main-Klinik im Alleingang eine bereitschaftsärztliche Versorgung außerhalb der normalen Praxisöffnungszeiten umzusetzen. Gemeinsam mit der stellvertretenden Landrätin Christine Haupt-Kreutzer (SPD) hat er beantragt, in der nächsten Sitzung des Kreistags und des Klinik-Verwaltungsrats entsprechende Vorschläge zu beraten.

Eine Möglichkeit sieht Geschäftsführer Alexander Schraml darin, eigens für den Bereitschaftsdienst einen hausärztlichen Sitz an der "Praxis am Greinberg" anzusiedeln. "Wir werden damit natürlich keinem niedergelassenen Hausarzt Konkurrenz machen", versichert Schraml, "Es geht immer nur um die Zeiten, wo andere Hausärzte nicht da sind."

Dass sich die Main-Klinik damit in Konkurrenz zu den von der KVB betriebenen Bereitschaftspraxen begeben würde, ficht den Juristen nicht. "Es steht nirgendwo geschrieben, wann eine Praxis geöffnet sein darf", sagt er und betont: "Eine Zusammenarbeit mit der KVB hat zwar absolut Vorrang, aber wenn das nicht geht, werden wir uns ein anderes Modell überlegen."

Notfallambulanz oder Bereitschaftspraxis?
Die hausärztliche Bereitschaftspraxis ist für akute, aber minderschwere Erkrankungen gedacht, für die man zu den normalen Praxisöffnungszeiten seinen Hausarzt aufsuchen würde.
Die Notfallambulanz hingegen kümmert sich um schwere, insbesondere lebensbedrohliche Erkrankungen, beziehungsweise solche, bei denen chirurgische Hilfe nötig ist oder eine stationäre Aufnahme angeraten scheint.
In folgenden Fällen empfiehlt die Main-Klinik, direkt eine Notfallambulanz aufzusuchen:
  • Verletzungen in jeglicher Form (außer Augenverletzungen)
  • Bestehende Wunden oder Verletzungen mit nun neuer Rötung oder Fieber
  • Unerträgliche Schmerzzustände
  • Bauchschmerzen oder Übelkeit, vor allem bei Erbrechen oder Stuhlverhalt
  • Koliken
  • Brustschmerzen, vor allem bei Belastung, beim Einatmen oder mit Ausstrahlung nach links
  • Schwindel, vor allem in Verbindung mit Stürzen ohne ersichtlichen Anlass
  • Bewusstlosigkeit oder Kollaps ohne ersichtlichen Anlass
  • Bewusstseinsstörungen oder unvermittelt auftretende Verwirrtheit
  • Plötzlich auftretende Seh-, Hör- oder Sprechstörungen
  • Plötzlich auftretende Bewegungseinschränkungen oder Lähmungen
  • Luftnot in Verbindung mit Fieber, Schmerzen oder geschwollenen Beinen
  • Plötzlich auftretende einseitige Beinschwellung
  • Unklares Fieber über mehr als 24 Stunden
  • Neu aufgefallener Puls über 120 Schläge/min oder unter 50 Schläge/min
  • Blutdruck über 180 mmHg, vor allem in Verbindung mit Kopfschmerzen, Sehstörungen etc.
  • Harnverhalt oder Blut im Urin
  • Blut im Stuhl oder im Erbrochenen
  • Gelbfärbung der Haut und Juckreiz
Nicht in die Zuständigkeit der Notfallambulanz fallen:
  • Ausstellung von Rezepten oder Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen (Hausarzt)
  • Alle Allgemeinerkrankungen, mit denen man üblicherweise zum Hausarzt gehen würde (KV-Notdienst)
  • Erkrankungen kleiner Kinder (Pädiatrischer KV-Notdienst)
  • Zahnmedizinische Probleme (KV-Notdienst)
  • Augenverletzungen (KV-Notdienst bzw. Ambulanz der Universitätsaugenklinik)
 
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Kommentare
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  • Albatros
    Deutschland gleich Entwicklungsland. Ob Digitaltechnik, Energie, Schulwesen, Pflege, Gesundheitsversorgung, dieses Land bekommt nichts auf die Reihe. Aber man muss sich ja auch nur die leblosen Parteien ansehen, woher sollen neue Ideen und Anregungen kommen. Die Regierungsparteien vegetieren vor sich hin, die SPD geht schnurstracks den Weg zur eigenen Beerdigung, die Grünen verbreiten Angst und Schrecken und die CDU/CSU meint das ganze Dilemma aussitzen zu können. In diesem Land ist seit beinahe 5 Jahren absoluter Stillstand, daher verwundern derartige Vorkommnisse wie in Ochsenfurt in keinster Weise.
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  • Klardenker
    Albatrosse sind bekannt dafür, dass sie zwar sehr gute Flieger sind, jedoch große Schwierigkeiten mit Start und Landung haben.
    Deshalb die bescheidene Frage lieber Albatros wo sind ihre ihre Lösungen-AFD oder???
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  • gerhard.meissner@mainpost.de
    Was für ein Unsinn, Albatros. Man muss schon festhalten, dass das System der KV-Bereitschaftspraxen funktioniert, auch ohne die Bereitschaftspraxis in Ochsenfurt. Aber die hat die Situation für die Menschen in und um Ochsenfurt eben noch ein bisschen besser gemacht. Gerade der Einsatz für den Erhalt zeigt, dass sich die Politik einsetzt, also genau das Gegenteil von dem, was Sie mit ihrem Kommentar suggerieren wollen. In der Schule hätte man gesagt: Note sechs, Thema verfehlt.
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Wenn irgendwas zu gut funktioniert

    muss man es dichtmachen, sonst haben es die Leute zu einfach... ?!

    Ich hoffe, das Engagement der Politik und der Main-Klinik ist von Erfolg gekrönt. Auf jeden Fall darf man auch mal Danke sagen, dass hier etwas im Interesse der (potenziell) Betroffenen getan und die Schließung nicht einfach hingenommen wird!
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