Das Bockshorn im Würzburger Kulturspeicher steht vor dem Aus. Am 23. Dezember findet dort die letzte Vorstellung unter dem Betreiber-Ehepaar Mathias Repiscus und Monika Wagner-Repiscus statt. Danach ist die Zukunft ungewiss. Wie weiter mit den Räumen? Gibt es in Würzburg bald keine eigene Kleinkunst-Bühne mehr? Zahlreiche Kulturschaffende und Kulturfreunde aus dem ganzen Bundesgebiet haben sich jetzt in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Christian Schuchardt gewandt.
Sie möchten "die Bedeutung des Bockshorns im Kulturspeicher für die nationale Kabarettszene hervorheben" und die Aufmerksamkeit der Stadt auf die möglichen Auswirkungen einer Veränderung in der Nutzung der Bühne lenken. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner bitten "die Entscheidungen zur weiteren Nutzung der Bühne mit größter Sorgfalt zu treffen".
Viele namhafte Künstler haben den Brief unterzeichnet
Zum Hintergrund: Im März kündigte das Ehepaar Repiscus an, das Bockshorn aus Altersgründen zum Jahresende aufzugeben. Unter mehreren Bewerberinnen und Bewerbern entschied sich die Stadt Würzburg als Vermieterin für Gespräche mit dem Theater Chambinzky, dem selbst der Mietvertrag gekündigt worden war. Das sorgte für Aufruhr zum einen beim Ehepaar Repiscus ("Das Bockshorn soll eine reine Kabarettbühne bleiben"), zum anderen bei vielen Bockshorn-Fans. Kulturfreundinnen und Kulturfreunde starteten eine Petition, um die Übernahme durch das Theater Chambinzky zu verhindern. Zahl der Unterstützer bis Anfang dieser Woche: über 4100.
Nun kommt also ein Offener Brief hinzu. Über die vergangenen Jahrzehnte habe das Bockshorn "eine herausragende Rolle als kultureller Treffpunkt und bedeutender Impulsgeber für die Kabarettszene in Deutschland" gespielt, heißt es darin. Das Programm habe sich durch "enorme Qualität, Vielfalt und Innovation" ausgezeichnet. "Das Bockshorn hat wie nur wenige andere Bühnen in der Republik einer immensen Zahl an Künstlerinnen und Künstlern eine lebenswichtige Plattform geboten."
Unterzeichnet ist der Brief von Johannes Sens von der Band Gankino Circus. Unterschrieben haben ihn außerdem mehr als drei Dutzend namhafte Kabarettistinnen und Kabarettisten wie Urban Priol, Luise Kinseher, Michl Müller, Torsten Sträter, Josef Hader oder Matthias Egersdörfer sowie Agenturen.
Begriff "Kabarett" soll in einem breiten Sinne zu verstehen sein
Der Verlust des Bockshorns könne schwerwiegende Folgen für die Kulturszene haben, schreiben die Künstler. "Durch das Wegbrechen des Bockshorns würde etwas zerschlagen, das für den Lebensraum Würzburg und seine Bewohnerinnen und Bewohner mühsam aufgebaut worden ist: Ein Ort, an dem Kultur auf höchstem Niveau, mit zielgerichtetem Programm, unterhaltend, belebend, gestaltend und zukunftsweisend eine Bühne findet."
Die Unterzeichner möchten, dass das Bockshorn seine bisherige Definition als Kabarettbühne möglichst behält und betonen, dass der Begriff "Kabarett" dabei in einem breiten Sinne zu verstehen sei. "Uns liegt daran, dass das Bockshorn eine offene Plattform für vielfältige künstlerische Ausdrucksformen bleibt, ohne sich auf eine dogmatische Auslegung des Begriffs 'Kabarett' zu beschränken." Weiter schreiben sie, dass es sinnvoll sei, die Familie Repiscus in die Diskussion um den Fortbestand des Bockshorns mit einzubeziehen.
"Dieser Brief ist eine Würdigung unserer Arbeit", kommentiert Monika Wagner-Repiscus den Brief auf Anfrage der Redaktion. Sie habe großen Respekt vor den Verfassern. "Das nehmen wir dankbar entgegen", sagt Mathias Repiscus. Mit vielen der unterzeichnenden Künstlerinnen und Künstler habe er selbst "mit Herzblut" gearbeitet.
Würzburger Kulturreferent weicht nicht von Standpunkt ab
Auch wenn der Brief nicht explizit an den Kulturreferenten gerichtet wurde, äußert sich Achim Könneke auf Anfrage zu den Zeilen. Von seinem bislang vertretenen Standpunkt weicht er nicht ab: "Würzburg ist Mathias Repiscus und seiner Frau zu großem Dank verpflichtet. Die Lücke, die durch den Rückzug Repiscus im Kulturleben der Stadt und Region gerissen wird, lässt sich nicht einfach schließen, da die Institution Bockshorn ohne ihren charismatischen Leiter kaum zu denken ist."
Alle an den Räumen des Bockshorns interessierte Akteure seien aufgefordert worden, inhaltlich und betriebswirtschaftlich überzeugende Konzepte einzureichen. Nach Angaben der Stadt gab es jedoch keinen Bewerber, der das Bockshorn als eine reine Kabarettbühne weiterbetreiben will. "Mehrere Konzepte zielen auf Mischkonzepte, in denen auch das Kabarett künftig eine Rolle spielen soll", so Sprecher Georg Wagenbrenner.
Vertragsverhandlungen zwischen Chambinzky und AMV sind gescheitert
Die Stadt habe größtes Interesse, dass nicht gleichzeitig zwei renommierte Bühnen schließen müssen und das Kulturleben Würzburgs auf einen Schlag deutlich ärmer werde. Deshalb vermittle das Kulturreferat aktuell zwischen dem Chambinzky und seiner Vermieterin, der Akademisch- Musikalischen Verbindung (AMV), "die seit Monaten um eine Fortführung des Mietvertrags bzw. um einen sozialverträglichen Übergang bei einem Umzug in die bisherigen Räume des Bockshorns verhandeln".
Ein Ergebnis zeichne sich ab, sagte Könneke noch zu Beginn der Woche. Sie werde nach erfolgter Einigung kurzfristig verkündet. Am Dienstagnachmittag teilte das Theater Chambinzky dann jedoch in einer gemeinsamen Presseerklärung mit der AMV mit, dass die Vertragsverhandlungen zur Fortführung des Betriebes am jetzigen Standort endgültig gescheitert sind.
Veränderungen ergeben sich immer wieder. Muß eine Kabarettbühne in Würzburg auch ohne Repiscus noch "Bockshorn" heißen? Und wenn, könnte die Bühne nicht noch einmal den Spielort wechseln, falls sich jemand findet, der Geld und Energie hat, eine solche zu betreiben ?
Wichtig, dass das Bockshorn in seiner derzeitigen Form erhalten bleibt.
Wenn das Chambinzky Unterschriften für seinen Verbleib sammelte, käme rasch die dreifache Menge der obigen 4100 Zusammen.