Vor 20 Jahren ist das Bockhorn aus dem kuschligen Keller in Sommerhausen in den großen Saal im Kulturspeicher umgezogen. Hier wie dort spielte und spielt die erste Liga des deutschen Kabaretts. Ein Gespräch mit den Leitern Mathias Repiscus und Monika Wagner-Repiscus über die Vergangenheit und Zukunft des Genres und warum man auf den Bühnen kaum mehr Verrücktes oder Schräges sieht.
Mathias Repiscus: Im Haus liefen die Handwerker rum. Draußen lagen jede Menge Schlamm und Dreck. Oft bin ich mit der Schaufel rumgegangen, und habe Sand in die Pfützen gestreut, damit die Gäste trockenen Fußes ins Theater kamen.
Repiscus: Es war eher eine Umstellung für die Zuschauer. Viele hatten sich in den 17 Jahren in Sommerhausen an das Kuschelige gewöhnt, und dann kamen sie hier in eine Black Box rein. Das haben viele bedauert, sie haben sich aber dran gewöhnt. Und es kamen neue Zuschauer hinzu. Am Anfang allerdings war es etwas schwierig. Viele waren unsicher, ob man hier überhaupt schon herkommen kann. Aber: Es hat uns dazu gebracht, dass wir einen Förderverein gründeten. Das war notwendig, um finanzielle Unterstützung zu bekommen.
Repiscus: Wir hatten schon in Sommerhausen viele Kabarettisten der ersten Garde. Diese haben uns die Treue gehalten, weil sie durch unsere jahrelange Förderung mit uns freundschaftlich verbunden sind. Dann kamen die Agenturen ins Spiel, die zum Beispiel einen Georg Schramm und andere Kabarettgrößen nicht mehr nur vor 100 Leuten spielen lassen wollten. Da kam also der Umzug genau zur richtigen Zeit.
Repiscus: Das hat sich immer weiter gesteigert. Allerdings hat das Fernsehen von den Kabarettisten immer seichtere, plattere Auftritte abverlangt. Ihre richtigen Programme haben sie dann hier gespielt.
Repiscus: Inhaltlich, würde ich sagen, sind eher Rückschritte zu vermerken. Man darf nicht vergessen: In den 1980er Jahren, als wir mit Kabarett begannen, hatten Politiker ganz anderes Format als heute. Außerdem hat sich das Kabarett durch die immer mehr aufkommende Comedy verändert. Es ist unterhaltsamer geworden, nicht mehr so puristisch streng. Belehrend kommt nicht mehr gut an. Trotzdem: Selbstverständlich ist Lachen etwas Wunderbares und von allen Kreaturen einzig dem Menschen vorbehalten. Aber wenn ich aus dem Theater gehe, möchte ich mich nicht schämen über das, worüber ich gelacht habe.
Repiscus: Es wurde weniger gelacht. Es wurde viel mehr geschmunzelt über die Frechheiten, die etwa ein Dieter Hildebrandt gesagt hat. Oder ein Georg Schramm. Das war kein Schenkelklopfen. Aber heute geht das Publikum nicht mehr ins Kabarett, wenn keine Unterhaltungseffekte zu erwarten sind.
Repiscus: Es ist heute kaum mehr tagesaktuell. Matthias Tretter zum Beispiel, bei dem ich auch Regie führe, hat immer das Globale im Blick. Das ist mir wichtiger als das, was da jeden Tag von den Herrschaften aller Fraktionen durchgeleiert wird. Diese Auseinandersetzung findet inzwischen im Netz statt.
Repiscus: Wenn ich heute junge Künstler suche für das Newstar-Festival, dann müssen das Leute sein, die noch nie im Bockhorn waren. Die muss ich hauptsächlich im Comedy-Bereich rekrutieren. Was heißt das? Kabarett wird langsam zur raren Ware.
Monika Wagner-Repiscus: Aber das ist inzwischen kaum mehr zu trennen, das hat sich vermischt.
Repiscus: Ja, natürlich. Aber das war fließend.
Repiscus: Ja, ungefähr so war das.
Monika Wagner-Repiscus: Es soll ja auch Spaß machen.
Repiscus: Der gute Kabarettist ist ja immer in der Lage, für Pointen zu sorgen. Daran mangelt es ja nicht. Und wer das nicht kann, der muss dann halt Lesungen machen.
Repiscus: Da haben Sie genau den richtigen Punkt getroffen. In Sommerhausen hatten wir viel mehr die Möglichkeit zu experimentieren. Es war egal, ob da unten 20 oder 30 Leute saßen, es war nie leer. Wobei übrigens immer die Schweizer die Spezialisten fürs Besondere waren. Aber stellen Sie sich das mal hier vor. Ich würde gerne solche Besonderheiten herholen, auch Experimentelles. Aber das würde hier nicht funktionieren.
Monika Wagner-Repiscus: Das Publikum ist weniger neugierig als früher.
Repiscus: Das Publikum ist noch zurückhaltend. Da wird noch sehr viel Arbeit nötig sein.
Monika Wagner-Repiscus: Da sind wir nicht die einzigen, das berichten derzeit alle.
Repiscus: Weitermachen!
Das Newstar-Festival des Bockshorn findet am 3. und 4. November jeweils ab 20.15 Uhr statt. Am ersten Abend mit Sulaiman Masomi & Goldfarb Zwillinge, am zweiten mit Jonas Greiner & Fee Badenius. Infos und Karten: www.bockshorn.de