
Neugierig starrt Trude durch die Luft. Unbeschwert und ohne viel Gegacker lässt sich die junge Henne von ihrer Halterin auf dem Hof in Schönbach (Lkr. Haßfurt) durch die Gegend tragen. Auch Marina Eltschka genießt den Kontakt mit ihren Tieren an der frischen Luft. Doch hinter dem Bild der glücklichen Bäuerin, mit dem Huhn auf dem Arm, steckt weit weniger Idylle, als der erste Anschein vermuten lässt.
In ihrer anderen Hand hält die 41-Jährige einen schwarzen Ordner. Darin: Seitenweise Nachweise zum Ackerbau, Kontrollen und natürlich zu Trude. Die Henne trägt nämlich gemeinsam mit ihren Artgenossinnen auf dem Hof dazu bei, dass Marina Eltschka zunehmend mehr Zeit im Büro verbringen muss, anstatt ihrer eigentlichen Arbeit im Stall oder auf dem Feld nachzugehen.
Den Haupterwerb auf ihrem Betrieb verdient das Ehepaar Eltschka im Ackerbau. Zusätzlich zu den 150 Hektar bei Schönbach bewirtschaftet die Betriebswirtin zusammen mit ihrem Mann Martin und einem Mitarbeiter weitere 400 Hektar auf dem Gut Deutschhof in Grettstadt (Lkr. Schweinfurt). Neben Getreidesorten wie Hafer, Gerste und Weizen, bauen sie auch Gräser an, die den Boden und die Biodiversität schützen.
Ein Bauernhof gleiche heutzutage mehr einem Unternehmen als einem schlichten Hof, sagt Eltschka. Finanzbuchhaltung, Scheine, Tierbestände – alles müsse genau dokumentiert und festgehalten werden. Für die gelernte Betriebswirtin und Kauffrau eigentlich klassisches Handwerkszeug. Auf dem Hof übernimmt sie zu großen Teilen die Büroarbeit. Aber genau die wird für Eltschka und viele ihrer Kolleginnen und Kollegen zu einem immer größeren Problem.
Jedes Huhn muss gemeldet sein
Die Schafe und Hühner, die Eltschka und ihre Familie in Schönbach halten, sind nicht zum Verkauf, sondern zur Hobbyhaltung und Eigenverbrauch gedacht. "Aber jede Tierhaltung unterliegt im Grundsatz gleichen Regularien", sagt die 41-Jährige. So zum Beispiel bei der Bestandserfassung: Am ersten Tag eines jeden Jahres muss die Betriebswirtin Trude und die anderen 19 Hennen sowie ihre Schafsherde in einer Datenbank registrieren.
Dazu kommen Tierseuchenmeldungen, jährliche Angaben im Förderantrag für Geldzahlungen des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums und Nachweise für Medikamente beim Veterinäramt, falls einmal ein Tier erkranken sollte und Medizin vom Tierarzt benötigt. Sollte sich im Tierbestand etwas ändern, müsse das zusätzlich an die Berufsgenossenschaft gemeldet werden, erklärt Eltschka.
Auch kann Trude den Hof rein bürokratisch betrachtet nicht einfach so verlassen. Sollte die Henne in einen anderen Betrieb gebracht oder geschlachtet werden, muss ihre Halterin das innerhalb einer Frist entsprechend dokumentieren. Der Zeitaufwand für all das? "Mit fünf Minuten pro Tier eher überschaubar", sagt die Betriebswirtin. "Sobald die Tiere aber Standbein des Betriebes sind – vor allem bei Rindern und Schweinen – muss ich einiges mehr an Zeit einplanen." Die zusätzlichen Auflagen richten sich nach der Größe des Tierbestandes.
Auch die Bienen kosten Zeit
Aber auch bei kleinen Tieren sei der Aufwand inzwischen unverhältnismäßig, sagt Marina Eltschka. Im März dieses Jahres hat die zweifache Mutter beschlossen, sich Bienen in den Obstgarten zu holen. "Weil es dem Garten guttut und weil meine Tochter sich Bienen gewünscht hat." Doch auch das bringt bürokratischen Aufwand mit sich.

Am Schreibtisch in ihrem Büro deutet Eltschka auf ein fünfseitiges Dokument. Dabei handelt es sich um die Öko-Zertifizierung ihrer drei Bienenvölker. "Die muss ich erfüllen, falls ich meine Imkerprodukte später ökologisch vermarkten möchte." Dazu kämen Stockkarten - also eine Art tägliche Buchführung -, Bestandsbuch und die Honigverordnung. Die Liste an Auflagen und Nachweisen ist noch länger.
"Das ganzheitliche Denken in der Landwirtschaft inspiriert mich eigentlich dazu, mehr für die Natur zu machen. Aber dieser Mehrwert impliziert sofort, dass ich das dokumentieren und prüfen lassen muss. Hinter allem, was ich mir an den Betrieb hole, steckt Bürokratie", verdeutlicht Eltschka. Um den Durchblick nicht zu verlieren und alle Daten überhaupt sachgerecht dokumentieren zu können, müsse sie neben der Arbeit regelmäßig Fortbildungen besuchen. "Oft stelle ich mir die Frage: Wo fange ich an, wo höre ich auf?"
Auflagen treffen alle Betriebe - auch die ohne Subventionen
Vor sechs Jahren hat die Familie den Betrieb von konventionell auf ökologisch umgestellt. Weniger Auflagen oder Nachweispflichten habe sie dadurch aber nicht, sagt Eltschka. "Wir müssen uns genauso an die Düngeverordnung halten und nachweisen, was wir wann, wie, wo ausbringen."
Das bestätigt auch Matthias Ruß vom Verband für landwirtschaftliche Fachbildung (vlf) aus Frankenwinheim (Lkr. Scheinfurt). Der Arbeitsaufwand hängt laut dem Landwirt auch mit der Betriebsgröße und der Ausrichtung zusammen. "Tierhalter sind in der Regel mit mehr Auflagen konfrontiert als reine Ackerbauer."
Dazu komme, dass viele Auflagen auch an die staatlichen Agrarsubventionen geknüpft seien. "Aber die Prämiengestaltung ist kompliziert", sagt Ruß. Würde ein Betrieb wie der von den Eltschkas auf die staatlichen Gelder verzichten, fiele zwar ein Teil der Bürokratie weg. Allerdings stellen diese für einen großen Teil der Landwirte auch die Haupteinnahmequelle dar, sind also selten verzichtbar. Dazu kommt, dass die Landwirte die Gesetze bei der Düngeverordnung oder beim Tier- und Pflanzenschutz trotzdem einhalten müssen – egal ob sie Subventionen beantragen oder nicht.
Die Bäuerin zieht einen anderen Ordner aus dem Regal. Er ist prall gefüllt mit Kennwörtern für Buchführungs-, Steuer- und andere Programme. Als sie vor 25 Jahren in den Betrieb kam, erinnert sich Marina Eltschka, seien die Ordner nur halb so viel und ihr Schreibtisch nur halb so groß gewesen. "Mein Eindruck ist, dass Beamte und Politiker versuchen, alle Eventualitäten festzuschreiben." Doch genau das sei immer seltener praxistauglich. Der Staat denke vor allem in Daten, Fristen und klaren Einteilungen.

Als Landwirtin versuchen sie im Einklang mit der Natur gute und erschwingliche Lebensmittel zu erzeugen. Diesen Ansatz mit starren theoretischen Vorgaben – wie Sperrfristen bei der Bodenbearbeitung oder der Gülleausbringung – zusammenzubringen, sei jedoch schwierig, zumal sich durch den Klimawandel der Zyklus der Natur verändere.
Die Landwirtin sieht in der überbordenden Bürokratie deshalb auch ein Anzeichen dafür, wie weit sich Gesellschaft und Gesetzgebung von der Realität auf den Höfen entfernt hätten. "In der Landwirtschaft arbeiten wir aber mit Naturkreisläufen und planen in Zeiträumen von Generationen." Es sei die Summe der Auflagen aus verschiedenen Bereichen, welche den Betrieben immer mehr Zeit im Büro abverlangen. "Es braucht ein Maß an Kontrolle. Aber über das Ausmaß müssen wir streiten."
Marina Eltschka wünscht sich langfristigere Ansätze
Eine schnelle Lösung hat Eltschka nicht parat. Doch sie glaubt, dass der Abbau von Bürokratie langfristig angegangen werden müsse. Mit Fachpersonal und Leuten aus der Praxis ließen sich die unterschiedlichen Ansätze aber zusammenführen, ist sie überzeugt.
Konkret helfen würde ihr bereits, wenn Angaben wie zu ihrem Huhn Trude nicht mehrfach an verschiedene Ämter gemeldet werden müssten und Vorgaben insgesamt vorausschauender getroffen würden. "Ich wünsche mir, dass die Politik nicht nur in Wahlperioden, sondern langfristig denkt", sagt Eltschka. Und: Ein ehrlicher und offener Umgang auf sachlicher Ebene würde viele Hürden abbauen.
Wer mehr als 100.000€ Steuergeld pro Arbeitskraft erhält, muß auch mit dem damit verbundenen Kontroll- und Dokumnetationsaufwand klar kommen.
Schade, dass der bayrische Staat keine Förderobergrenzen für derartige industrielle Bio-Massen-Betriebe kennt. Eine so hohe Förderung pro Arbeitskraft halte ich schlichtweg für asozial. Das kann nicht Ziel bayrischer Agrarpolitik sein!
Die Fördergelder sollten zukünftig bei 250 ha gedeckelt und zumeist den rund 50.000 kleinbäuerlichen Betrieben unter 50 ha in Bayern zukommen.
Laut Bayerischen Landesamt gibt es in Bayern etwa 81560 landwirtschaftliche Betriebe mit einer durchschnittlichen Größe von 38 Hektar. In Bayern gibt es weniger als 45 Betriebe mit mehr als 500 Hektar.
https://www.statistik.bayern.de/presse/mitteilungen/2024/pm014/index.html
https://www.mainpost.de/regional/hassberge/amtsgericht-hassfurt-landwirt-darf-ab-juni-wegen-tiermisshandlung-keine-milchkuehe-mehr-halten-art-11397923
https://www.wochenblatt-dlv.de/regionen/ostbayern/landwirt-gericht-ueber-5000-tote-tiere-kriegswaffen-haus-574498
https://www.agrarheute.com/tier/rind/kuh-knochen-abgemagert-geldstrafen-fuer-landwirte-617899
https://www.agrarheute.com/tier/schwein/700-tote-schweine-landwirt-vernachlaessigte-tiere-bereits-3-jahren-610353
https://www.mainpost.de/ueberregional/bayern/bayern/33-rinder-verendet-zwei-jahre-bewaehrung-fuer-landwirt-art-11470282
Das richtige Maß bei Auflagen zu finden ist immer schwierig, richtet sich aber immer auch nach (Eigen)Nutzung und Herdengrösse.
Aus welchen Berufen die Mandanten kamen weiß ich nicht, aber es ist erneut ein sehr trauriges Signal wo wir stehen!
Nach Stückzahl oder nach Gewicht...?
https://www.youtube.com/watch?v=5hLlROfRJXU
😂🤷♂️
Zuviel Personal muss sich selbst beschäftigen.
Wie viele Bundestags- und Europaabgeordnete sind Landwirte?
Aber Sie haben absolut recht. Ein Bauer muss das Landwirtschaftsministerium führen, Ein Lehrer das Bildungsministerium ein Manager die Wirtschaft usw.
und vor allem Erfahrung nachweisen...
Die Figu, und da stimme ich zu, war alles andere als gut!
Und bei Frau Bär, was meinen Sie? Sie hat eine abgeschlossene Ausbildung und mittlerweile mehr als 22 Jahren im Bundestag. Sie ist im Gegensatz zu Frau Rottmann Stark genug, das durchzuhalten. Oder wollen Sie sie auf das äußere Reduzieren als Frau?
Wir leben doch in einer Lightkultur?!!!
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/neuer-bundestag-viele-berufsgruppen-sind-kaum-vertreten-17603652.html
Vielleicht eine Obergrenze für Juristen oder Akademiker oder Männern?